DVD-Rezension: “Detour – Umleitung”

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Al Roberts (Tom Neal), ein Barpianist aus New York, macht sich auf nach Los Angeles, wo seine Verlobte Sue (Claudia Drake) auf die große Karriere hofft. Da er weder ein Auto, noch Geld für den Zug hat, reist er per Anhalter quer durch Amerika. Dabei trifft er auf den reichen Charles Haskell (Edmund MacDonald), der ihm anbietet, ihn bis nach Los Angeles mitzunehmen. Während der Fahrt berichtet Haskell von einer Anhalterin, mit der er sich einen kurzen Kampf geliefert hat. Nach einiger Zeit übernimmt Roberts das Steuer und Haskell schläft ein. Als Roberts Haskell wecken will, muss er zu seinem Entsetzen feststellen, dass Haskell tot ist. Aus Angst, die Polizei könnte ihm nicht glauben, lässt er die Leiche verschwinden und übernimmt Haskells Identität. An der nächsten Tankstelle nimmt Roberts die Anhalterin Vera (Ann Savage) mit. Ein schlimmer Fehler, wie sich bald herausstellt…

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Nachdem vor vielen Jahren Edgar G. Ulmers Meisterwerk „The Black Cat“ innerhalb einer Boris Karloff/Bela Lugosi-Box in Deutschland veröffentlicht wurde, liegt nun auch sein zweitbekanntester Film in Deutschland vor: Der Ultra-Low-Budget-Noir „Detour“. In nur 6 Tagen abgedreht, ist dieser Film trotzdem der erste Film Noir, der in die „United States National Film Registry“ der „Library of Congress“ aufgenommen wurde und zwar als „kulturell, geschichtlich, oder ästhetisch bedeutsam“. Nicht schlecht für einen Film, der für ein Apfel und ein Ei von der PCR – einer der sogenannten „poverty row Filmgesellschaften, die schnell und für sehr wenig Geld gedrehte Krimi – und Horrorfilme auf den Markt warfen – ohne Stars runtergekurbelt wurde.

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Dass der Film heute solch eine hohe Bedeutung hat, ist ganz dem großen Talent des österreichischen Immigranten Edgar G. Ulmer zu verdanken, der mit viel Geschick und einem besonderen Gespür für Stimmung, das rudimentäre Drehbuch in einen surrealen Albtraum verwandelte. Der ganze Film folgt einer kaum nachvollziehbaren Traumlogik, in der jede Handlung zu immer drastischeren Konsequenzen führt und der nominelle Held ohne jede Chance tiefer und tiefer in sein Unglück gezogen wird. Dabei spielt der ganze Film fast nur an zwei Orten – in einem Auto vor einer nicht gerade überzeugenden Rückprojektionsleinwand und in einem Hotelzimmer. Dies unterstützt aber nur dieses irreale Gefühl, dass in dieser von „Detour“ beschriebenen Welt etwas nicht stimmt.

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Um zu kaschieren, dass das New York hier nur eine schlecht bestückte Studiobühne ist, lässt Ulmer – wie später in „Die Totengruft des Dr. Jekyll“ – tonnenweise Nebel auffahren, so dass man glaubt, gleich käme Jack the Ripper um die Ecke. Es gibt eine Szene, in der Al Roberts mit seiner Verlobten Sue telefoniert. Man sieht, wie sein Gespräch durch zahlreiche Verbindungsstationen von New York nach Los Angles durchgestellt wird (offensichtlich Archivaufnahmen), man sieht ihn in den Hörer sprechen, doch Sue bleibt zunächst unsichtbar. Dann urplötzlich, wenn man schon gar nicht mehr damit rechnet, sieht man sie kurz. Aber das Bild scheint nicht zu passen. Denkt sich Al das alles nur aus? Hat sie ihm vielleicht den Laufpass gegeben und sein Vorstellung, Sue warte in Los Angeles auf ihn, ist gar nicht real? Auch später, wenn Sue noch einmal auftaucht, hat man nicht das Gefühl, sie würde mit Al interagieren oder die Idee haben, er könne in Los Angeles sein. Zudem erfahren wir die Geschichte rein durch Al Roberts Erzählung. Kann man ihm trauen? All seine Handlungen wirken so unlogisch, dass es durchaus sein kann, dass er sich das alles nur schönredet, um seine tatsächliche Schuld vor sich selbst zu verleugnen.

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Ulmer holt alles aus seinem extrem begrenzten Budget raus und schafft es dabei diesen scheinbaren Nachteil so zu nutzen, dass er daraus eine irreale, traumhafte Atmosphäre schafft. Zum Teil erinnert „Detour“ an einen Film von David Lynch. Wenn Al z.B. in einem Diner sitzt und eine geisterhafte Melodie ihn dazu bringt, dem Zuschauer seine Geschichte zu erzählen. Langsam verlischt das Licht, und die Kamera schwenkt zu einer einsamen, im Dunkeln leuchtende Juke-Box aus der das Lied „I Can’t Believe That You’re in Love with Me“, welches das geheime Leitmotiv dieses Filmes sein könnte. Ein weiterer Pluspunkt sind die beiden Hauptdarsteller. Tom Neal erinnert mit seinem traurigen, matten Gesichtsausdruck etwas an William H. Macy, der die Rolle heute wohl spielen würde. Sein Al Roberts hat eigentlich schon aufgegeben, bevor der Ärger für ihn erst richtig anfängt. Ausgestochen Tom Neals Leistung allerdings durch die fantastische Ann Savage in der Rolle der Vera. Sie ist keine Schönheit, aber sie bringt eine solche diabolische Energie und einen solchen Hass in ihre Rolle ein, dass man gar nicht anders kann, als vor ihr Angst zu bekommen. Insbesondere in ihrer ersten großen Szene, wenn sie – eben noch schlafend – plötzlich stocksteif dasitzt und mit weit aufgerissenen Augen und wildem Blick Al Roberts förmlich durchbohrt, bevor sie ihn ohne Vorwarnung fragt, was mit Haskell geschehen ist. Das ist purer Horror und wirklich furchteinflößend.

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„Detour“ gräbt sich tief in das Bewusstsein und lässt einen nicht so schnell wieder los.

Das Bild der Koch Media DVD ist leider nicht ideal. Immer wieder kommt es zu Laufstreifen und zeitweise „wellt“ sich das Bild, wie bei alten VHS, die nicht ganz sachgemäß gelagert wurde. Trotz dieser leichten Defekte ist das Bild aber sehr scharf und das schwarz-weiß sehr kontrastreich. Scheinbar gibt es auch weltweit keine wirklich bessere Fassung, wenn man DVDBeaver.com trauen darf. Extras gibt es Bild auf eine Bildgalerie wieder keine. Eine deutsche Tonspur auch nicht, der Film liegt im Original mit deutschen Untertiteln vor. Was nicht tragisch ist, denn An Savages schneidende Stimme sollte man im O-Ton gehört haben.

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