Das Ende der gedruckten „Splatting Image“ und ziemlich viel Nostalgie

SI 92Eigentlich wollte ich nur einen kurzen Hinweis darüber schreiben, dass die von mir sehr geschätzte „Splatting Image“ ab der nächsten Ausgabe nicht mehr gedruckt, sondern nur noch digital als PDF verschickt wird. Herausgekommen ist aber ein nostalgischer Trip in meine Vergangenheit, in der die „Splatting Image“ immer eine große Rolle gespielt hat und für 15 Jahre eine der Konstanten meiner Filmliebhaberei war. Lange habe ich überlegt, ob ich den daraus entstandenen Text online stelle, aber ich denke, der 4. Advent ist eine gute Zeit für nostalgische Besinnlichkeit und ein wenig Sentimentalität. Ich lasse den langen Text mal ganz bewusst eingeklappt. Wen es interessiert, der kann jetzt gerne auf „Weiter lesen“ drücken.

Splatting Image zum letzten Mal gedruckt… Was heißt das für die Zukunft? Als kostenloses PDF? Wenn kostenpflichtig, werden dann endlich die AutorInnen bezahlt, da die hohen Druck- und Portokosten wegfallen? – Und ausgerechnet mein Beitrag ist aus der letzten Druckausgabe herausgenommen worden…

Eine kurze Nachricht von Marcus Stiglegger in der inoffiziellen „Splatting Image“-Gruppe auf Facebook ließ mich zusammenzucken. Was? Keine „Splatting Image“-Hefte mehr? Erst kürzlich hatte ich meine Sammlung aller Hefte in der Hand gehalten, als ich das Zimmer unserer Wohnung, welches ich beim Einzug in mein „Archiv“ verwandelt hatte, räumen musste. Das hatte zur Folge, dass viele Filmzeitschriften, wie die „Schnitt“, „Film-dienst“, „epd-film“ und zahlreiche andere, die ich über viele Jahre zusammengesammelt hatte, in einer dunklen, schwer zugänglichen Klappe in der Wand verschwanden. Nur meinem Stapel mit „Splatting Image“-Heften blieb dieses Schicksal erspart. Sie zogen, zärtlich umsorgt, in mein Arbeitszimmer, wo sie in Griffweite vom PC eine neue Heimat fanden.

Ich war wütend. Die „Splatting Image“ gehörte seit 15 Jahren zu den festen Konstanten in meinem Leben. Entdeckt hatte ich sie Anfang 1997 in einem Laden, der fortan meine Lieblingsanlaufstelle für Abseitiges aller Art werden sollte: Die Buchhandlung „Pegasos“ im Steintor. Damals war sie noch am Anfang des Ostertorsteinwegs beheimatet. Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Mal, als ich bei „Pegasos“ war. Zuvor hatte ich für teures Geld das US-amerikanische „Fangoria“-Magazin im Bahnhof gekauft oder Freunde genötigt, mir die Hefte aus den USA mitzubringen. Bei „Pegasos“ lagen die Hefte für die Hälfte des Geldes rum. Flugs hatte ich die neuste Ausgabe mitgenommen und kehrte regelmäßig wieder, um neuen Stoff zu besorgen. Die „Fangoria“ war damals so etwas wie meiner feuchter Traum einer Filmzeitschrift. Für Filme hatte ich mich seit frühster Kindheit interessiert und schon damals massenhaft Literatur zum Film und zur Filmgeschichte gekauft. Meine erste große Anschaffung im Alter von gerade mal 9 Jahren war das rororo Filmlexikon in 6 Bänden, wofür ich eine Anzahlung von 50 DM leisten musste – ein Vermögen! Heyne Filmbibliothek und Citadel Filmbücher von Goldmann folgten, wobei meine Lieblinge die „Grundlagen des populären Films“ von Georg Seeßlen (neben Joe Hembus mein großer Held dieser Jahre) waren.

Ab den späten 80ern interessierte ich mich aber vorwiegend für Horrorfilme. Womit ich allerdings ziemlich allein auf weiter Flur war. Okay, meine Freunde waren einem gut blutigen Stück Videosteaks auch nicht abgeneigt, aber keiner vergrub sich so wie ich in die Materie und sog alles über die Filmemacher und das Genre auf. Meine Bibeln waren die beiden (aus heutiger Sicht unsäglichen) „Hölle auf Erden“-Bände und „Die Angst sitzt neben Dir“. Nähere Infos holte ich mir aus besagter Fangoria oder aus der Moviestar, die 1990 an den Start ging und in ihren Anfangstagen als Informationsquelle sehr brauchbar war – was sich nach einigen Ausgaben dann aber wandelte.

Durch die schlechte Verfügbarkeit von Infos und Filmen, sowie die Vorlieben im Freundeskreis, war ich erst einmal ganz auf amerikanische Splatterware gepolt. Aus „Hölle auf Erden“ hatte ich gelernt, dass Jess Franco „igitt“ war und die ganzen Italiener dürftig. Wie wenig wusste ich, wie klein war meine Welt. Ein erster Einriss dieser geistigen Mauern erfolgte mit dem plötzlichen Aufkommen des Internets. Da trieb ich mich dann auf „Diskussionsbrettern“ rum. Rudimentäre Vorläufer der heutigen Foren. Ich schrieb auf gut Glück Leute an, die die (damals noch sehr wenigen) Fanseiten betrieben (gerne auf Geocities, wo ich ebenfalls dann meine ersten Gehversuche unternahm). Da hatte man auf einmal Kontakt zu Gleichgesinnten und manchmal ging der Kontakt auch über das spröde Filme tauschen hinaus. So lernte ich Uwe kennen, damals für mich ein älterer Herr (tatsächlich dürfte er nicht wesentlich älter gewesen sein als ich heute), der für Jess Franco und Lina Romay schwärmte und mich bald schon tief in die Welt des europäischen Exploitation zog. Es öffnete sich mir eine ganz neue Tür, die in den Büchern und Magazinen, die ich las, verschlossen geblieben war: Neben Franco schrieben wir uns seitenweise über Brass, Rollin, die dänischen Sternzeichenfilme und vieles mehr. Die Scheuklappen weiteten sich.

SI29Mitte 1997 machte ich mich mit einigen Kommilitonen auf eine Rainbow-Tour nach Amsterdam, und ich brauchte noch Lesestoff für die Fahrt. Die Fangoria mochte ich, aufgrund der doch recht expliziten Bildern, meinen Mitreisenden nicht zumuten. Da ich zu der Zeit gerade auf einem absoluten Hongkong-Trip war, griff ich bei „Pegasos“ zu einer Zeitschrift, die Jet Li auf dem Cover hatte. Die „Splatting Image“ #29. Bei der Lektüre im Bus wurde ich nicht nur von der Straße gut durchgerüttelt. Man kann sich das Erlebnis so vorstellen, als ob man „Eraserhead“ das erste Mal sieht. Man fragt sich fasziniert, was das denn war, es geht einem nicht mehr aus dem Kopf und man will mehr davon. Kurz danach kaufte ich bei Pegasos den gesamten Bestand an alten „Splatting Image“ auf und versank in einer mir bis dahin fremden Welt, in der ich Personen begegnete, die mir seitdem an mein filmeliebendes Herz gewachsen sind. Immer neuere Dimensionen taten sich auf: Genres, Spielarten, Betrachtungsweisen und Länder. Ab da war es mein vierteljährliches Ritual zu Pegasos zu wandern, wo bereits die neue „Splatting Image“ für mich lag. Kombiniert wurde dies mit einem der immer länger werdenden Gesprächen mit dem Besitzer von Pegasos, Kai Stellmann, und anderen im Laden herum stromernden Leuten. Bald wanderten auch Tim Lucas‘ wunderbarer Video Watchdog und Michael J. Weldons großartige Wundertüte „Psychotronic Video“ in meine Aboliste. Oder die britische „Dark Side“, „Asian Cult Cinema“ und andere. Doch der Hauptgrund zur Freude war immer die neue Splatting Image. Als Pegasos 2004 zu meinem großen Bedauern – noch heute vermisse ich meine Pilgerfahrten dorthin und den netten Plausch an der Ladentheke – dicht machte, schloss ich für die meisten Zeitschriften ein eigenes Abo ab. Mit der Zeit blieben aber nur die „Splatting Image“ und der „Video Watchdog“ übrig.

Klar gab es in der langen Zeit auch mal eine Phase, wo ich der Splatting Image sehr kritisch gegenüber eingestellt war, ja lauthals davon sprach, dass sie ihre beste Zeit hinter sich hätte und vor allem mit der „Angst sitzt neben Dir“-Ecke sich dem Publikum anbiedern würde, von dem man sich zu den guten Zeiten explizit abgrenzen wollte. Und dass Christan Keßlers Texte sich mittlerweile auch nur noch wiederholen würden. Ich möchte diese Phase mal vorsichtig meine „Snob-Phase“ nennen. Sicherlich gibt es dafür auch weniger nette Ausdrücke. In dieser Zeit bewegte ich mich in Zirkeln, die sich eine recht elitäre, ausgesprochen kritische Sichtweise auf den Film zu Eigen gemacht hatten, die ich nur zu gerne übernahm. Allerdings lernte ich in dieser Zeit auch noch einmal eine ganze Menge dazu. Von daher war die Zeit sehr wichtig für mich, hielt aber Gott sei Dank nicht lange an.

Aber zurück zur „Splatting Image“. Ab und zu ärgere ich mich über einige Texte, insbesondere bei den Filmreviews, wo gerne mal im Nebensatz Filme, die mir am Herzen liegen, brutal und ohne große Begründung abgewatscht werden. Das klingt dann so: „… der Regisseur des völlig missratenen XYZ“. Und mit Ivo Ritzers Actionfilm-Besprechungen kann ich auch nichts anfangen (als einmaliger Witz okay, aber man muss das doch nicht über Jahre durchziehen). Aber ich schätze eben auch die Meinungsvielfalt, und es ist doch immer wieder guttuend, wenn man auch mal eine andere Sicht auf die Dinge einnehmen kann.

Nun also soll mit der aktuellen Ausgabe No. 92 die Ära der gedruckten „Splatting Image“ enden und demnächst nur noch ein kostenpflichtiges PDF verschickt werden. Die Autoren wussten davon vorab nichts und waren nicht besonders erfreut, dies aus dem Editorial der „Splatting Image“ zu erfahren. Die Abonnenten erhielten wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Entwicklung in besagter Facebook-Gruppe und einem kurzen Hinweis auf der „Splatting Image“-Homepage folgende Email:

„Lieber Abonnent,

Du solltest mittlerweile die neue Splatting-Image-Ausgabe Nr. 92 erhalten haben. Wie dort im Editorial sowie dem Infokasten auf Seite 3 ausgeführt, ist dies die letzte auf Papier gedruckte Splatting Image.

Künftige Ausgaben werden ausschließlich in digitaler Form, aber unveränderter inhaltlicher Güte erscheinen.

Als Abonnent erhältst Du die nächste Ausgabe kurz vor dem offiziellen Erscheinungstermin automatisch als PDF. Sofern die bei uns hinterlegte E-Mail-Adresse nicht für den Empfang größerer Anhänge genutzt werden soll, bitten wir um Angabe einer entsprechend geeigneten.

Bitte beachte auch, dass wir von nun an keine Abonnements mehr anbieten.

Nach Ablauf Deines Abonnements kannst Du die jeweils neue Ausgabe über unsere Webseite bestellen; es sind aber keinerlei Vorreservierungen mehr möglich.

Wenn Du Deine Papiersammlung an alten Ausgaben noch vervollständigen möchtest, bist Du herzlich eingeladen, auf unserer Webseite zu stöbern.

Von fast allen Ausgaben haben wir noch Exemplare auftreiben können. Das Angebot gilt natürlich nur solange der (stark begrenzte) Vorrat reicht.

In diesem Sinne: Frohes Fest und einen guten Rutsch.

Mit freundlichem Gruß

Sven Regenstein „

Die Hintergründe hinter der PDF-Entscheidung, sollen auf jeden Fall finanzieller Natur sein. Ob dabei auch mitspielt, dass die „Splatting Image“ ein Freizeit-Projekt der zwei Redakteure war/ist und die Verkaufszahlen in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen sein sollen, kann nur spekuliert werden. Wenn es bei der PDF-Lösung bleibt, sehe ich damit den Untergang dieser tollen Publikation besiegelt. Klar, es kommt auf den Inhalt an: Aber gerade die Fans der „Splatting Image“ sind im besten Sinne des Wortes „altmodische“ Filmfans, die etwas in der Hand halten wollen. Ihre Filme gerade NICHT aus dem Internet ziehen, sondern in ihre Sammlung stellen wollen. Ebenso wie ihre Filmmagazine. Für die eine Filmzeitschrift kein Fast-Food-Wegwerf-Artikel ist, sondern die es genießen, sich damit auf ein bequemes Sofa, ins Bett oder von mir aus auf’s Klo zurückzuziehen. Natürlich gibt es heutzutage iPad, Kindle und Konsorten, aber ist das dann dasselbe? Ich denke nein. Ich z.B. hasse nichts mehr, als Buchtexte am Bildschirm lesen zu müssen. Darum steht der PC auch im Büro und nicht im Wohnzimmer. Und mal ganz ehrlich: Wie viele Leute zahlen 5 Euro für ein PDF und warten nicht einfach nur ab, bis sie es irgendwo in den Weiten des Netzes kostenlos runterladen können? Schließlich ist PDF ein Format, welches für eine rasche und möglichst unkomplizierte Verbreitung von Dokumenten entwickelt wurde. Ich hoffe daher einmal, dass die ganze Aktion keine Hinhaltetaktik ist, damit die Abo-Gebühren nicht zurückgezahlt werden müssen, und der Tod der „Splatting Image“ schon beschlossene Sache ist, sobald der letzte Abonnent sein PDF bekommen hat.

Die „SpIatting Image“ war ein wichtiger Bestandteil meiner „Filmerziehung“ und vor allen Dingen die Flamme, die in mir eine Entdeckungsfreude und Neugier nach dem Unbekannten entzündete. Auch darum hängt mein Herz nach wie vor sehr an dieser Zeitschrift, und ich hoffe einfach, dass es mit ihr weitergeht. Ich bin mir sicher, dass es „da draußen“ noch entflammbare Menschen gibt, die einfach nur diesen kleinen Funken brauchen. Ich wollte in der ersten Verärgerung über die PDF-Entscheidung (die ich nach wie vor für ganz großen Mist halte) mein noch laufendes Abo kündigen. Mittlerweile denke ich aber, ich warte erst einmal ab, wie sich die Dinge entwickeln. Einige der Autoren haben in der „Splatting Image“-Facebook-Gruppe zu verstehen gegeben, dass sie weitermachen werden. Und bei der ganzen positiven Energie, die es dort unmittelbar auf das Bekanntwerden der „Digital“-Entscheidung gab, bin ich noch ganz zuversichtlich, dass sich da noch etwas Gutes und Spannendes ergeben wird. Warten wir’s ab. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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2 Antworten zu Das Ende der gedruckten „Splatting Image“ und ziemlich viel Nostalgie

  1. Christophe sagt:

    Hallo Marco,

    Ich denke, Sie haben einen großartigen Artikel geschrieben. Auch ich habe diese Zeitschrift zufällig entdeckt.
    Der Unterschied ist, dass ich es nicht verstanden habe, weil ich noch kein Deutsch gesprochen habe (ich bin Franzose).
    In der Zwischenzeit verstehe ich es. Ich habe alle Zahlen gefunden (außer 2). Ich suche die Nummern 93 bis 95 im PDF. Könnte mir vielleicht jemand helfen?

  2. Tyler Durden sagt:

    Hallo!

    Ich habe die Splatting Image seit 1992 gelesen und gesammelt! Mich hat damals noch gewundert, das das Magazin plötzlich ein paar Farbeiten spendiert bekam (ab 2012), wo früher schwarz/weiß Traditon war. Im Juni 2014 konnte man dann folgendes auf der offiziellen Website lesen:

    PRINTAUSGABE

    Fast 25 Jahre und 92 Ausgaben lang erschien Splatting Image als Heft.

    Und so soll es wieder sein. In Zusammenarbeit mit einem renommierten Fachbuchverlag prüfen wir zur Zeit die Möglichkeiten einer Rückkehr zum Papier. Wann es wieder eine gedruckte Magazinausgabe geben und an wen sich Abo-Interessierte wenden können, erfahrt ihr auf dieser Seite an dieser Stelle, sobald es Neuigkeiten gibt.

    Euer Splatting-Image-Team

    Bis heute wartet man ja auf die Printausgabe vergebens und die Digital Ausgabe wurde nach vier Ausgaben wieder eingestellt. Als ich im Mai 2018 einen Kommentar schrieb, wurde die Kommentare kurz danach geschlossen.

    Mehr als peinlich war ja auch, das die Autoren erst aus dem Editorial der Ausgabe # 92 erfahren haben, das die Print Ausgabe eingestellt wird. Leider ist aus ihrer Ankündigung, weiterzumachen, wohl nichts geworden.

    Gruß,
    Tyler Durden

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