DVD-Rezension: “The Hunter”

Der professionelle Jäger Martin David erhält von dem mächtigen „Red Leaf“-Konzern den Auftrag, den als ausgestorben geltenden Tasmanischen Tiger zu erlegen und Proben für Forschungszwecke in die USA zu bringen. Da die Aktion streng geheim ist, und „Red Leaf“ Konkurrenz befürchtet, mietet sich David, als Wissenschaftler getarnt, bei der Witwe Lucy Armstrong und ihren beiden Kindern ein. Trotz anfänglicher Skepsis gewöhnt sich David schnell an das Familienleben. Mit der Jagd nach dem Tasmanischen Tiger hat er allerdings weniger Erfolg. Er gerät zwischen die Fronten von Waldarbeitern und Umweltaktivisten. Zudem hat das Gefühl bei seinen Streifzügen beobachtet zu werden. Dann erhöht der geheimnisvolle „Red Leaf“-Konzern den Druck und will endlich Resultate sehen.

Man fragt sich unweigerlich, was eindrucksvoller ist, die wilde, zerklüftete Landschaft Tasmaniens oder das wilde, zerklüftete Gesicht Willem Dafoes. Seit 30 Jahren macht sich der Mann mit den markanten Gesichtszügen einen guten Namen als Darsteller eindrucksvoller Bösewichter, prägnanter Nebendarsteller oder Hauptdarsteller in anspruchsvollen Arthausfilmen. In letztere Kategorie fällt auch der australische Spielfilm „The Hunter“. Obwohl das Cover, der Trailer und die markigen Werbesprüche versuchen, dieses Werk als Actionthriller zu verkaufen, besticht der Film doch eher durch sein ruhiges Erzähltempo und epischen Atem.

Obwohl die Geschichte mit Elementen des Paranoia-Kinos gespickt ist (die allmächtige, skrupellose Firma im Hintergrund, die jeden Schritt Martin Davids zu überwachen scheint) und am Ende tatsächlich eine Actionszene enthält, werden diese Handlungselemente zugunsten der Charakterentwicklung Davids vernachlässigt. „The Hunter“ handelt im Grunde von dem einsamen Wolf, der domestiziert wird und sein eigenes Tun im Angesicht eines möglichen, alternativen Lebenslaufs, zu hinterfragen beginnt.

Am Anfang ist Martin David noch ein Einzelgänger, der jeglichen Kontakt zu seinen Mitmenschen meidet. Darin ist er dem Tasmanischen Tiger nicht unähnlich, den zu jagen er von dem mysteriösen „Red Leaf“-Konzern beauftragt wurde. Doch in der Einsamkeit Tasmaniens ist er dazu gezwungen, sich mit einer Familie auseinanderzusetzen. Langsam bröckelt bei ihm die Fassade und er fängt an, sich um andere zu kümmern. Und wie beim Tasmanischen Tiger, der sich nur einmal einem Menschen zeigt, führt dies am Ende dazu, dass sein altes Leben verbrennt.

Vielleicht geschieht diese Wandlung, vom einsamen Jäger zum Familienmensch, etwas zu schnell und ist – natürlich – zu vorhersehbar. Aber wer könnte es Martin David angesichts seiner kindlichen Co-Stars verdenken. Die junge Morgana Davies, die die Tochter von Davids Wirtin spielt, ist ein Naturtalent. Völlig ungezwungen und mit einer großen Natürlichkeit spielt sie sich schnell in die Herzen der Zuschauer (zumindest in der Originalfassung, die deutsche Synchronisation relativiert dies dann leider wieder). Demgegenüber hat es ihr kleiner Bruder sehr viel schwerer, da er laut Drehbuch stumm ist. Jamie Timony ist dabei allerdings weit weniger nervig, als andere Kinderdarsteller in ähnlichen Rollen. Es spricht für Regisseur Daniel Nettheim, dass es ihm gelingt seine beiden jungen Darsteller so gut zu führen, dass das Publikum mit ihnen mitfühlen kann.

Die beiden anderen Erwachsenen haben es schwer. gegen die Dominanz von Dafoe und den Charme der Kinder anzuspielen. Francis O’Connor zieht sich aber achtbar aus der Affäre. Veteran Sam Neill (unglaublich gealtert und seltsam aufgequollen) spielt seine Rolle routiniert herunter, auch wenn deren Tiefe und Komplexität oftmals nur angedeutet und nicht voll ausgespielt wird. Seine Rolle im Konflikt zwischen Waldarbeitern und Naturschützern, sowie seine heimliche Liebe zur von Francis O’Connor gespielten Witwe bleibt vage und hätte etwas mehr Ausarbeitung benötigt. So verharrt seine Figur am Rand der Geschichte und ist damit eigentlich überflüssig.

Überhaupt bleibt der zentrale Konflikt zwischen den Arbeitern, die um ihre Jobs bangen, und den Naturschützern blass. Was zur Folge hat, dass gerade die Arbeiter wie Stereotypen aus einem x-beliebigen Backwood-Slasher daherkommen. Fremdenfeindlich, ständig betrunken und gefährlich.

So ist es dann ganz an Wilem Dafoe, den Film zu tragen, und dies tut er mit einer enormen physischen Präsenz. Unterstützt wird er dabei von den atemberaubenden Landschaftsaufnahmen des noch nicht zu Tode gefilmten Tasmaniens. Im Konkurrenzkampf gegen die Natur dominiert er jede Sekunde die Leinwand. Jeder Blick, jede Geste wirkt stimmig und von einer ungeheuren Autorität. Wenn Dafoe durch die Wildnis streift und Fallen stellt, hat man tatsächlich das Gefühl, er hätte in seinem Leben nie etwas anderes getan.

So vorhersagbar der Film zunächst scheint, so hält er doch für den Zuschauer zum Ende hin einige bittere Überraschungen bereit. Wobei allerdings konstatiert werden muss, dass man die Geschichte nicht allzu genau hinterfragen sollte. Es könnten einem sonst Fragen in den Sinn kommen, die unter logischen Gesichtspunkten zu beantworten, schwierig wäre. Trotzdem ist „The Hunter“ schon allein aufgrund Dafoes Darstellung, der jungen Morgana Davies und der beeindruckenden Tasmanischen Landschaft sehenswert.

Die DVD von Ascot Elite hat das gewohnt gutes Bild und einen sehr gut abgemischten Ton. Bei den Extras findet man ein, in mehrere Segmente gestückeltes, „Making Of“, in welchem alle Schauspieler ausführlich zu Wort kommen und ihre Figuren erklären. Auch der Regisseur erhält Gelegenheit zu erklären, was ihn an diesem Film reizte. Außerdem erhält man einige Informationen über den Tasmanischen Tiger.

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