DVD-Rezension: „Ip Man Trilogy“

Ip Man“ war, mit einem Einspielergebnis von 21 Millionen US$ weltweit, einer der größten internationalen Erfolge des Hongkong-Kinos in den letzten Jahren. Erzählt wird – SEHR frei – die Lebensgeschichte des berühmten Wing-Chun-Lehrers Yip Man, der im Westen vor allem dafür bekannt ist, dass Bruce Lee einer seiner letzten Schüler war.

Die Idee zu einem Ip-Man-Bio-Pic stammt bereits aus dem Jahre 1998, aber erst 2008 begannen die Dreharbeiten. Das Drehbuch hält sich allerdings nur sehr entfernt an das wirkliche Leben des großen Meisters. Die Dichtung dürfte hier mehr als 90% ausmachen.  Aufgrund des großen Erfolges wurde dann 2010 noch ein zweiter Teil hinterher geschoben, der direkt an den ersten anschließt. Hier dürfte aber, bis auf die Tatsache, dass Ip Man nach Hong Kong zog und dort eine Schule eröffnete, gar nichts mehr mit den historischen Tatsachen übereinstimmen.

Nichtsdestotrotz machen die „Ip Man“-Filme viel Spaß und erinnern angenehm an die goldene Zeit des Hongkong-Kinos Anfang der 90er Jahre, als Filme wie „Once Upon A Time in China“ und „Fist of Legend“ weltweit für Furore sorgten. Zwar merkt man bei „Ip Man“ zeitweise sehr deutlich, dass der Computer und Kabel den Kämpfern hier und dort etwas auf die Sprünge geholfen haben, aber beide Methoden werden nie so inflationär eingesetzt, dass einem der Spaß am Zusehen vergeht. Generell haben die vielen Kämpfe auch eine angenehm bodenständige Note.

Die Titelrolle ist mit Donnie Yen besetzt, der in den 80ern und 90ern seine größten Erfolge feierte und damals auch häufig als Bösewicht eingesetzt wurde.  2008 ist sein langes, hageres Pferdegesicht etwas rundlicher und seine Zähne scheinbar etwas größer geworden. Mit dem Alter strahlt er nun auch eine fast schon Dalai-Lama-artige Ruhe und Würde aus. Zwar werden seinem Ip Man einige kleine Laster zugestanden, wie die Lust am Kampf oder ein gutes Pfeifchen, aber davon abgesehen ruht er sehr in sich selbst und ist schon allein dadurch seinen, oftmals übereifrigen, Gegnern überlegen. Ursprünglich sollte noch ein dritter Teil gedreht werden, indem dann Ip Mans Schüler Bruce Lee eine Rolle spielt. Donnie Yen lehnte aber ab, noch einmal in Ip Mans Gewand zu schlüpfen, womit das Projekt  dann erst einmal gestorben war. Zurzeit nähren sich aber die Gerüchte, dass der Abschluss der Trilogie doch noch zustande kommt und Donnie Yen erneut die Rolle des Ip übernimmt.

Die Choreographie der Kampfszenen übernahm ein altes Schlachtross des Hongkong Kinos: Der große Sammo Hung. Sammo Hung bildet zusammen mit Jackie Chan und Yuen Biao die „Drei Musketiere des Kung Fu“. Alle drei hatten bei Meister Yu Jim Yuen gelernt. Sammo war der erste, der ins Filmgeschäft ging und dort später seinen “kleinen Brüdern“ den Weg ebnete. Für die Choreographie von „Ip Man“ wurde er mit dem „Golden Horse“-Award, dem Hongkong-Oscar, ausgezeichnet, und im zweiten Film spielt er eine tragende Rolle. In dem nicht zur Reihe gehörenden Prequel „Ip Man Zero“ gibt er Ip Mans ersten Meister und Yuen Biao dessen Nachfolger.

Splendid hat die beiden „Ip Man“-Filme mit Donnie Yen, sowie das von einer anderen Produktionsgesellschaft, mit Dennis To in der Titelrolle, produzierte Prequel, bereits zwischen 2009 und 2011 als Einzel-DVDs auf den Markt gebracht. Jetzt werden die drei Filme noch einmal unter dem Namen „Ip-Man-Trilogy“ in einem schönen Leinen-Schuber (in dem eine Amaray-Hülle steckt, um nicht zu sagen feststeckt, denn es ist ausgesprochen schwer, diese aus dem Schuber herauszubekommen) noch einmal gemeinsam veröffentlicht.

Ip Man (2008)

Der erste Ip-Man-Film ist ausgesprochen episodenhaft angelegt. Gezeigt wird Ip Mans Zeit in Foshan in den 30er Jahren. Dort muss er sich zunächst mit einem jungen Kämpfer aus dem Norden auseinandersetzen, der in Foshan eine Kung-Fu-Schule eröffnen will. Dann fallen japanische Truppen in Foshan ein und  Ip Man ist gezwungen, in einem Kohlebergwerk für die Japaner zu arbeiten. Der General der Japaner und sein sadistischer Adjutant lassen zu ihrer Belustigung Chinesen gegen japanische Karatekämpfer antreten. Als dabei ein Freund Ip Mans umkommt, stellt sich Ip Man zum Kampf. Währenddessen wird die Fabrik von Ip Mans Bruder von einer Bande Banditen bedroht. Ip Man lehrt den Angestellten Wing Chun, und hilft, die Banditen zu vertreiben. Am Ende muss er in einem öffentlichen Kampf gegen den japanischen General antreten.

Die episodische Struktur des Filmes zerreißt den Erzählstrang  des Filmes und geht zu Lasten der Spannung. Zudem wird dadurch eine Authentizität vorgegaukelt, die der Film gar nicht besitzt. Denn mit den historischen Fakten wird mehr als großzügig umgegangen.  Von diesen Mankos abgesehen unterhält „Ip Man“ ganz vorzüglich und lässt keine Langeweile aufkommen. Verantwortlich hierfür ist auch die überzeugende Choreographie der Kämpfe und natürlich die Präsenz Donnie Yens, der hier die Rolle seines Lebens gefunden zu haben scheint. Neben Donnie Yen hat hier auch Siu-Wong Fan seinen ersten Auftritt in der Reihe. Er spielt den explosiven Kämpfer Jin Shan Zhao, der zunächst in Foshan eine Kung-Fu-Schule eröffnen will und später Anführer der Banditen wird. Obwohl hier noch offiziell auf der Seite der Böse, schließt man Siu-Wong Fan durch seine enthusiastische Spielweise schnell ins Herz. Dafür darf sein Charakter dann in „Ip Man 2“ auch auf der Seite der Guten agieren. Ausdrücklich nicht ins Herz schließt man die Gegner auf japanischer Seite, bei denen vor allem der Adjutant des Generals einen widerlichen, schleimigen Auftritt hinlegt.  Erwähnt werden sollte noch Simon Yam als Ip Mans Bruder, der wie immer eine solide Darstellung hinlegt.

Ip Man 2 (2010)

Ip Man zieht mit seiner Familie nach Hongkong. Hier lebt er in Armut und versucht, sich mit der Eröffnung einer Wing-Chun-Schule über Wasser zu halten. Bald schon spricht sicher herum, dass Ip Man schier unbesiegbar ist und seine Schule erhält hohen Zulauf. Dies beschwört allerdings Konflikte mit den Lehrern der andern Schulen herauf.

Waren es im ersten Teil noch die Japaner, die die hassenswerten Feinde des chinesischen Volkes verkörperten, so sind es hier die britischen Kolonialherren. Und wurde zumindest dem japanischen General aus Teil 1 noch etwas Würde zugestanden, so sind die Briten hier allesamt hassenswerte, groteske Kreaturen. Am schlimmsten Darren Shahlavi  als britischer Boxer „Twister“. Dieser ist ein so unsympathischer Widerling, dass man am Liebsten ausspeien möchte, wenn er  die Szene betritt. Da ich einfach mal unterstelle, dass Darren Shahlavi charakterlich nicht auf einer Stufe mit seinem ekligen „Twister“ steht, kann man ihn für seine Darstellung durchaus loben. Inhaltlich ist „Ip Man 2“ weitaus stringenter als sein Vorgänger. Das episodenhafte wird zugunsten einer durchgängigen Handlung aufgegeben, wobei diese in der zweiten Hälfte in ein „Rocky 4“-Imitat umkippt. Insgesamt besticht „Ip Man 2“ durch noch mehr und noch spektakulärere Kämpfe, sowie eine in sich geschlossene Story. Zudem freut sich der Hongkong-Connaisseur über ein Wiedersehen mit dem großartigen Sammo Hung, der hier eine (ge)wichtige Rolle einnimmt.

Ip Man Zero (2010)

Der junge Ip Man und sein jüngerer Adoptivbruder Ip Tin-chi werden von ihrem Vater in die Schule des Meisters Chan Wah-shun  gebracht, um dort Wing Chun zu lernen. Dort lernen beide das Mädchen Lee Mei-wai kennen, welches sich in Ip Man verliebt, während es selber von Ip Tin-chi begehrt wird. Als sie erwachsen sind, zieht Ip Man für einige Jahre nach Hongkong, um am College zu studieren. Durch einen Zufall lernt er Leung Bik kennen, der einst zusammen mit Chan Wah-shun  studierte, wegen seines unorthodoxen Stiles aber immer ein Außenseiter blieb. Bei ihm vervollkommnet Ip Man seinen Stil und kehrt nach Foshan zurück. Dort scheint ein geheimnisvoller japanischer Kaufmann für mysteriöse Todesfälle verantwortlich zu sein und zudem einen unguten Einfluss auf Ip Mans Adoptivbruder zu haben.

Nach dem immensen Erfolg der beiden „Ip Man“-Teile aus dem Hause Mandarin Film, hängte sich schnell Mei Ah Entertainment an die Welle (was man noch allzu gut von der erfolgreichen  „Wong Fai Hong“-Reihe aus den 90ern kennt) und produzierte dieses Prequel. In die großen Fußstapfen von Donnie Yen tritt der junge Dennis To, der Yen nicht nur äußerlich ähnlich sieht, sondern dessen Art perfekt imitiert und auch in den Kampfszenen keine schlechte Figur abgibt. Ansonsten treten viele Bekannte aus den „Ip Man“-Filmen in anderen Rollen auf. So erlebt man Sammo Hung, in „Ip Man 2“ noch dessen Gegenspieler, hier als Ip Mans Lehrer.  Siu-Wong Fan, der bereits in den beiden „Ip Man“-Filmen eine feste Rolle als Bandit, bzw. ehemaliger Bandit Jin Shan Zhao hatte, spielt er hier, äußerlich stark  verändert und sehr zurückgenommen, Ip Mans Adoptivbruder, der ein düsteres und tragisches Geheimnis mit sicher herumträgt. Gerade Siu-Wong Fans Darstellung macht „Ip Man Zero“ sehenswert. Aber auch sonst ist das vermeintliche Rip-Off in vielen Belangen den beiden „Originalen“ überlegen. So erzählt „Ip Man Zero“ eine spannende und interessante Geschichte, die nicht nur – wie „Ip Man 1+2“ – auf pathetische und patriotische Elemente setzt, sondern echte Tragik. Generell wirkt „Ip Man Zero“ auch in der ganzen Inszenierung, im positiven Sinne des Wortes, traditioneller und mehr der Handlung als der Technik verpflichtet. Dementsprechend gibt es in „Ip Man Zero“ auch weitaus weniger Kämpfe als in „Ip Man 2“. So erinnert „Ip Man Zero“ angenehmerweise mehr an die Klassiker der goldenen Ära vor 20 Jahren, als an moderne, durch CGI aufgemotzte und rasant geschnittene  Martial-Arts-Filme der Gegenwart. Und man freut sich, dass neben Sammo Hung auch ein sichtlich gealterter Yuen Biao eine tragende Rolle spielen darf. Beide zusammen zu sehen ist dann fast so, wie in guten, alten Zeiten.

Die „Ip-Man-Trilogy“ enthält die Filme auf drei DVDs in einer Amaray-Box mit Wendecover. Extras gibt es bis auf ein Werbe-Making-Of für „Ip Man Zero“ keine. Das „Making Of“ verrät allerdings so gut wie alle Plotwendungen und enthält außer Impressionen vom Dreh und belanglose Interviews keinerlei Mehrwert. Dafür wurde aber noch ein kleinformatiges, 24-seitiges Booklet mit einigen Informationen zum historischen Ip Man, Wing Chun und die Filme beigelegt. Warum „Ip Man 1+2“ allerdings erst ab 18 freigeben sind, verstehe ich nicht so ganz. Das muss marketingtechnische Gründe haben.

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