DVD-Rezension: “Hara-Kiri – Tod eines Samurai”

Der Ronin Hanshiro bittet im Palast der mächtigen Fürsten Ii darum, Seppuku, den traditionellen japanischen Selbstmord, auch bekannt als Hara-Kiri, begehen zu dürfen. Der Verwalter des Palastes erzählt ihm daraufhin von einem jungen Samurai, Motome, der vor einiger Zeit mit der gleichen Bitte im Palast erschien. Der Verwalter vermutete, dass es sich dabei lediglich um einen Bettler handelte, denn zu dieser Zeit geschah es oft, dass herrenlose Samurai den Seppuku nur vortäuschen wollten, um im letzten Moment eine milde Gabe zu erlangen. An diesem jungen Ronin wurde daraufhin ein Exempel statuiert und man zwang ihn, sein Vorhaben durchzuführen. Unbeeindruckt von dieser Geschichte, kündigt Hanshiro an, seinen Seppuku auf jeden Fall vollenden zu wollen. Als er aber zur Tat schreiten will, stellt sich heraus, dass die Sache doch nicht so eindeutig ist, wie sie aussieht. Hanshiro verfolgt einen bestimmten Plan…

Takashi Miike ist und bleibt die große Wundertüte des internationalen Kinos. Nie kann man sich sicher sein, was der große Meister des Bizarren und Unerwarteten nun wieder aus dem Ärmel schüttelt. Das kann ultraharte Gore-Action, wie „Ichi – the Killer“, sein oder kunterbunte Kinderunterhaltung, wie „Krieg der Dämonen“. Bizarrer, David-Lynch-ähnlicher Surrealismus wie „Gozu“ oder auch mal reiner Trash wie „Full Metal Yakuza“. Dabei darf man aber nie vergessen, dass Miike auch die leisen Töne perfekt beherrscht. Sein „Birdpeople of China“ ist einer der schönsten asiatischen Spielfilme überhaupt. Und „Audition“ – sein vielleicht bekanntester Film – setzt auf leisen, subtilen und dadurch umso wirkungsvolleren Horror. Nach dem grandiosen „Big Bang Love“ ist mir Miike etwas aus den Augen geraten, trotz seines schier unglaublichen Ausstoß von bis zu 4 Filmen im Jahr. Ich hörte aber, dass sein letzter Film, „13 Assassins“, ihn endgültig auch als großen Mainstream-Regisseur in Japan etabliert hat und ein großer kommerzieller Erfolg war.

Hara-Kiri: Tod eines Samurai“ wird in Deutschland wie eine Art Fortsetzung beworben. Zumindest hat man aufgrund des Covers und der Werbung das Gefühl, es hier mit einem reinrassigen Samurai-Film und vielen stylischen Kämpfen zu tun zu haben. Weiter weg vom tatsächlichen Film kann man da allerdings gar nicht sein. Action wird in „Hara-Kiri“ ganz, ganz klein geschrieben und das ist auch gut so.

„Hara-Kiri“ ist das Remake eines japanischen Klassikers von 1962, der interessanterweise ebenso für eine Goldene Palme in Cannes nominiert war, wie das Remake ein halbes Jahrhundert später. Hier wäre ein direkter Vergleich zum Original, welches mir leider nicht bekannt ist, interessant. Denn wie ich las, gibt es hier durchaus kleine, aber deutliche Unterschiede, auch wenn die Geschichte im Großen und Ganzen identisch ist. Miike inszeniert seine Version als todtrauriges Drama. Was zunächst wie ein Mystery-Thriller daherkommt (eine geheimnisvolle Figur, deren Handlungen zunächst undurchschaubar bleiben, scheint für das Verschwinden dreier Samurai verantwortlich zu sein), wandelt sich schnell in ein bedrückendes Trauerspiel, in dem die Protagonisten unaufhaltsam ihrem tragischen Schicksal entgegen treiben. Da man von Anfang an weiß, dass die Geschichte nicht gut ausgehen wird, ist es bitter, die kleinen Glücksmomente mit anzuschauen, die die Familie des Ronins nur kurz genießen darf. Dann schlägt das Schicksal gnadenlos zu.

Interessanterweise sind aber auch die nominellen „Bösen“, die den jungen Motome in einen qualvollen Tod treiben, ambivalent gezeichnet. Mehr noch, scheinen sie doch durchaus im Recht zu sein. Das macht es dem Zuschauer schwer, eindeutige Hassgefühle ihnen gegenüber zu entwickeln. Es bleibt nur eine hilflose Ohnmacht gegenüber den Ereignissen.

Was seine – in früheren Jahren beinah schon zum Markenzeichen gewordenen – verrückten Ekeleffekte und überzogenen Brutalitäten angeht, so verzichtet Miike hier ganz darauf, was dem Film sehr gut tut. Scheinbar hat er gelernt, dass manchmal auch weniger mehr sein kann. Denn die Szene, in der der junge Samurai Motome mit einem stumpfen Holzschwert Hara-Kiri begeht, zeigt fast nichts. Aber sie ist von einer solch schmerzhaften Intensität, dass es fast unmöglich ist, sich diese furchtbaren Leiden anzusehen.

Wer aufgrund der vollmundigen Ankündigungen auf einen rasanten, spektakulären und blutspritzenden Endkampf gehofft hat, wir zwangsläufig enttäuscht zurückbleiben. Auch diesen Kampf inszeniert Miike, wie den ganzen Film, ganz klassisch, ritualisiert und in der Tradition alter Samurai-Filme aus den 50er und frühen 60er Jahren.

Miike gelingt ein emotional packendes, melancholisches Drama, das um Fragen wie Verantwortung und Ehre kreist. Wenn letztendlich der Begriff der Ehre hinterfragt wird und sich dieser auf ein hohles Stück Blech reduzieren lässt, wird klar, was Miike über die „edlen“ Samurai denkt. Ihr Begriff von Ehre ist genauso so hohl, wie die Blechrüstung, die im Palast des Fürsten Ii steht und eine vergangene Ära repräsentiert, die in leeren Worten und erstarrten Ritualen versinkt.

Getragen wird der Film durch exzellente schauspielerische Leistungen. Allen voran von Takenaka Naoto, der zwar etwas zu jung für seine Rolle ist, aber durch eine enorm starke Präsenz auffällt. Jetzt bleibt nur noch, gespannt abzuwarten, was Miike als nächstes aus dem Hut zaubert. Laut IMDb hat er bereits wieder vier weitere Filme abgeschlossen: U.a. einen Kinderfilm und eine PC-Game-Verfilmung.

Der Film war ursprünglich in 3D gedreht und gleichzeitig auch der erste 3D-Film, der für eine Goldene Palme in Cannes nominiert wurde. Die DVD von Ascot Elite ist natürlich in 2D, aber das macht gar nichts. Denn wüsste man nichts über seine dreidimensionale Herkunft, es würde auch nicht auffallen. Das Bild ist etwas dunkel, aber sehr scharf. Allerdings gibt es zeitweilig Probleme mit den Schwarztönen. Der Ton ist klar und gut abgemischt, die Untertitel gut lesbar. Als Extras gibt es leider nur Trailer.

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