Filmtagebuch: 17. Internationales Filmfest Oldenburg – Teil 2

Und weiter geht’s mit dem zweiten und abschliessenden Teil meines Berichtes vom 17. Internationalen Filmfest Oldenburg.

Sonntag, 19.9.10

Am Vormittag

Netterweise hatte das Hotel Sprenz humane Zeiten für das Frühstück und nahm es auch mit dem Zimmer räumen nicht ganz so streng. Darum konnte ich erst einmal in Ruhe ausschlafen und mich ganz in Ruhe am leckeren Frühstücksbuffet laben. Und beim Check-Out gab es – so etwas habe ich bisher auch noch nicht erlebt – noch ein kleines Lunch-Paket, welches mir dann im Laufe des Tages gute Dienste erwies.

Mein einziges Problem war, dass ich irgendwie die Zeit bis zum Beginn des ersten Filmes überbrücken musste. Und so entschloss ich mich, bei kaltem und grauen Wetter ein wenig Oldenburg zu erkunden, welches an diesem Sonntagmorgen wie ausgestorben vor mir lag.

Obwohl ich einige Ecken entdeckte, die ich bisher noch nicht kannte, wurde mir aber schnell langweilig. So trieb es mich Richtung Sporthafen, wo ich noch ein sehr obskures Erlebnis in einem Antiquariat hatte. Dies würde aber jetzt zu weit führen und darum kürze ich meine Erzählung jetzt mal ab und komme wieder zurück zum Wesentlichen.

Ich schlenderte zur Kulturetage, da ich in der Pressezentrale des Filmfestes mal nachschauen wollte, ob es irgendwelche Neuigkeiten oder Veranstaltungshinweise für die „filmlose“ Zeit gab. Bei der Gelegenheit warf ich auch einen Blick in die VIP-Lounge. Die Idee hätte ich mal schon vorher haben sollen! In der Lounge hatte man einen Beamer aufgebaut und als ich rein kam, lief dort gerade „Carmen, Baby“ vom Ehrengast Radley Metzger. Dieser Film gehörte ja nicht zur Retrospektive. „Carmen, Baby“ habe ich vor vielen Jahren schon mal gesehen, darum war es jetzt nicht ganz so schlimm (wenn auch ärgerlich), dass ich die erste Hälfte bereits verpasst hatte. So konnte ich aber zumindest noch die zweite Hälfte genießen und in mir den Entschluss reifen lassen, mir Metzgers Werk jetzt endlich mal auf DVD zu besorgen.

Nach dem Film guckte Radley Metzger auch noch persönlich vorbei und plauderte etwas aus dem Nähkästchen.

Dann wurde noch ein „Making-Of“ seines Filmes „Score“ gezeigt, an dessen Anschluss Radley Metzger noch eine DVD aus der Tasche zauberte, die ein – wie er ankündigte – sehr gelungenes Interview mit ihm enthielt.  Auf seine Frage, ob jemand Interesse hätte dies zu sehen, antworteten die Anwesenden natürlich unisono mit „Ja!!!“.

Ich hätte das auch gerne noch geschaut, aber mittlerweile war es 14:35 geworden und es drängte die Zeit. Um 15:00 startete nämlich „The House of Branching Love“ am Exerzierplatz und da wollte ich pünktlich sein, um noch einen guten Platz zu bekommen. So verließ ich eher widerwillig die Lounge (in der ich mich sehr wohl gefühlt habe und noch Stunden hätte aufhalten können) und lief zum Pferdemarkt rüber.

„The House of Branching Love“

Und das lohnte sich auch. Die finnische Komödie „The House of Branching Love“ war mein persönliches Highlight des Festivals. Gedreht wurde sie von Akis älterem (und früher auch bekannteren) Bruder Mika Kaurismäki. Ich muss zu meiner großen Schande gestehen, dass ich bisher noch keinen Film von Mika gesehen habe. Eine Lücke, die möglichst bald geschlossen werden muss! „House“ hat mich auf jeden Fall begeistert und köstlich unterhalten. Hierin geht es um ein frisch getrenntes Ehepaar, welches die letzten Jahre nur noch neben einander her gelebt hat. Nun haben sie einen Schlussstrich gezogen. Allerdings ist noch nicht klar, wer das gemeinsame Heim zu verlassen hat. So wird eine Vereinbarung getroffen, die dem Ehemann die untere und der Ehefrau die obere Hälfte des Hauses zur Verfügung stellt – unter der Bedingung, dass in dieser Zeit auch kein „Neuer“ bzw. „Neue“ ins getrennte Heim kommen dürften. Klar, dass das nicht funktioniert und irgendwann geht alles mit dem triebgesteuerten besten Freund, einer von der baltischen Mafia gesuchten Prostituierten, dem Zuhälter-Halbbruder und vielen anderen merkwürdigen Gestalten munter durcheinander. Gut, die in satten, warmen Farben erzählte Geschichte mag hoffnungslos konstruiert sein, dies tut der Freude aber keinen Abbruch. Vor allem da Kaurismäki sich nicht auf billige Lacher verlässt, sondern seine Figuren ernst nimmt, indem er ihnen durchaus auch eine tragische Tiefe zugesteht. Dadurch werden sie menschlich und – trotz allem Irrsinn um sie herum – glaubwürdig. Und die besten Komödien sind ja eh schiefgelaufene Tragödien. Sehr angenehm auch, dass sich der Humor und die Gags aus der Handlung heraus entwickeln und man nicht – wie bei „Pete Smalls Is Dead“ – das Gefühl hat, dass sie von oben auf die Handlung draufgestülpt wurden. Die absolut passenden und gut agierenden Schauspieler mit ihren Charakterköpfen runden das Vergnügen ab. Wie gesagt, ich mochte den Film sehr gerne, auch wenn die Botschaft Pro-Familie etwas dick aufgetragen daherkommt.

Elina Knihtilä und Hannu-Pekka Björkman in "The House Of Branching Love"

„Monsters“

Als Abschluss gönnte ich mir dann den britischen (aber sehr amerikanisch daherkommenden) SF-Film „Monsters“ von Gareth Daniels. Auch hier war wieder ein Gast anwesend, nämlich die Hauptdarstellerin Whitney Able, die in natura in ihrem kleinen Kleidchen noch viel entzückender aussah, als auf der Leinwand. Leider war das Einzige, was sie zu sagen hatte, dass sie mittlerweile ihren „Monsters“-Co-Star geheiratet hat. Das dürfte so manches männliche Herz im Publikum gebrochen haben. Seufz.

Mit „Monsters“ habe ich ein Problem. Der Film ist wirklich gut gemacht und mir gefällt seine ruhige, unspektakuläre Erzählweise, bei der die titelgeben Monster nur äußerst sparsam gezeigt werden (eigentlich nur drei Mal, wobei man sie nur am Ende richtig sieht). Und überhaupt haben alle Filme, die eine Flussreise durch den feindlichen Dschungel ins Herz der Finsternis zeigen, bei mir ein Stein im Brett.

Woran liegt es also, dass ich mit „Monsters“ einfach nicht warm werde? Ich weiß es nicht, denke aber es liegt an den beiden Hauptdarstellern, deren Geschichte mich seltsam kalt ließ. Da der Film sich aber nun völlig auf die Beziehung der Beiden konzentriert, ja fast schon als Zwei-Personen-Stück daherkommt, hat man ein großes Problem, wenn man einfach keine Empathie für die Zwei aufbauen kann. Mir war Scoot McNairy in der Rolle des Reporters Andrew Kaulder einfach unsympathisch und Whitney Able als Samantha Wynden entsprach mir einen Tick zu sehr dem wehrlosen Frauchen ähnlich gelagerter Streifen.

Dabei gibt es auch sehr viel Gutes über den Film zu berichten. Neben dem eingangs erwähnten Verzicht auf die permanente Zurschaustellung der titelgebenden Monster, auch die Konzentration auf die beiden Protagonisten bis hin zu der unterschwelligen Parabel auf die Imigrationspolitik der USA, der Sensationsgeilheit der Medien (meine Lieblingsmonolog ist der, wo der Reporter bemerkt, dass er Fotos froher und lachender Kinder nicht verkaufen könne, aber mit den Fotos von Kinderleichen eine Menge Geld zu verdienen sei) und der Korruption und Geldgier der Behörden in Katastrophengebieten. Allein, der Film ließ mich trotzdem merkwürdig kalt. Andere mögen dies anders erlebt haben und ich empfehle jedem, ihm mal eine Chance zu geben.

"Monsters"

"Monsters"

Damit war das 17. Internationale Filmfest Oldenburg dann für mich beendet. Ich hätte vielleicht noch einen Film in den Sonntag reinquetschen können, aber da gerade ein Zug Richtung Bremen fuhr und ich nicht zu spät Zuhause sein wollte (für den nächsten Tag stand der Wecker schon auf 6:00 Uhr) sprang ich kurz entschlossen auf.

Fazit

Als Fazit kann ich sagen, dass ich die zwei Tage in Oldenburg wirklich sehr genossen habe. Die Organisation hat reibunglsos geklappt, die Menschen dort waren alle sehr engagiert und freundlich. Ich freue mich schon sehr auf das 18. Internationale Filmfest in Oldenburg – sofern es denn stattfindet und nicht durch die Sparmassnahmen der Stadt kaputt gemacht wird. Dies wäre wirklich eine Katastrophe für die Stadt Oldenburg.

In den zwei Tagen, in denen ich mit dabei war, waren drei Vorstellungen ausverkauft und zwei zumindest sehr gut besucht, d.h. zu 2/3 besetzt. Das ist ein ganz fantastisches Ergebnis. Durch die Schwierigkeiten für dieses Wochenende ein Hotelzimmer zu bekommen und auch durch Gespräche, die ich zufällig mitbekommen habe, weiß ich auch, dass viele Besucher extra für das Filmfest nach Oldenburg gereist sind. Zudem sieht man auch an den vielen, vielen Gästen aus der Filmbranche, die hier ihre Werke präsentiert haben, dass das Filmfest Oldenburg auch international eine hervorragende Reputation hat. Dieses Filmfest leichtfertig aufs Spiel zu setzen wäre eine gewaltige Dummheit und würde vom Gesichtspunkt des Stadtmarketings aus einen großen Schaden anrichten.

Darum drücke ich allen Beteiligten die Daumen, dass sich „die da oben“ eines Besseren besinnen und es im nächsten Jahr wieder so eine glanzvolle Veranstaltung geben wird, wie in diesem Jahr. Das Filmfest Oldenburg muss leben!

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