Blu-ray-Rezension: „Der 27. Tag“

Fünf Erdbewohner werden von einem geheimnisvollen Fremden entführt und in seinem Raumschiff ins All gebracht. Der Fremde (Arnold Moss) erklärt ihnen, dass sein Planet in den nächsten 30 Tagen untergehen wird und sein Volk eine neue Heimat braucht, um zu überleben. Die Wahl fiel auf die Erde. Doch ihre ethischen Grundsätze erlauben es ihnen nicht, einfach so die Erde zu annektieren. Der Fremde übergibt dem amerikanischen Journalisten Jonathan Clark (Gene Barry), der jungen Engländerin Eve Wingate (Valerie French), dem deutschen Wissenschaftler Prof. Klaus Bechner (George Voskovec), dem russischen Soldaten Ivan Godofsky (Azenath Janti) und der chinesischen Bäuerin Su Tan (Marie Tsien) Kapseln in die Hand, die eine Waffe enthalten, mit der sich die Menschheit vernichten könnte, ohne dass die Natur in Mitleidenschaft gezogen wird. Sollten die Menschen innerhalb der nächsten 27 Tage die Kapseln nicht benutzt haben, werden sie unbrauchbar und die Außerirdischen müssen Sterben. Doch die Aliens gehen davon aus, dass sich die aggressive und gewalttätige Menschheit innerhalb der Frist selber vernichten wird. Zurück auf der Erde versuchen die fünf Auserwählten das Erlebte zunächst zu verheimlichen. Doch dann nutzen die Außerirdischen die weltweiten Nachrichtensysteme, um der Menschheit nicht nur von der Waffe zu erzählen, sondern auch die Namen ihrer Besitzer preiszugeben. Das weckt Begehrlichkeiten bei den Mächtigen und schürt die Ängste in der Bevölkerung. Die fünf Erdbewohner werden zu Gejagten…

Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.

Der 27. Tag“ ist ein preisgünstiges „Der Tag an dem die Erde stillstand“-Rip-Off. Wie jener Klassiker von Robert Wise bemüht auch dieser Film sich um eine pazifistische Botschaft, kommt aber nicht umhin, trotzdem ordentlich auf den Feind im Osten einzudreschen. Das Land hinter dem Eisernen Vorhang wird als kalte Militärdiktatur gezeigt, deren oberste Befehlshaber schon der Geifer aus dem Maul läuft, wenn sie nur daran denken, mittels außerirdischer Technik die Weltherrschaft erlangen zu können. Das sieht dann auf US-amerikanischer Seite ganz anderes aus. Denn hier sind die Anführer der freien Welt besonnen und um Frieden bemüht. Soweit, so stereotyp, so kalter Krieg. Interessant ist da eher die Zeichnung der „Zivilgesellschaft“. Die arme Bäuerin aus dem maoistischen China opfert ihr Leben für den Frieden, der Sowjetsoldat erduldet die schlimmsten Qualen, um die Vernichtungswaffe nicht in die Hände seiner Vorgesetzten fallen zu lassen – und in den USA formt sich ein mordlustiger Mob, als bekannt wird, dass der Journalist Jonathan Clark eine tödliche Waffe besitzt.

Tatsächlich verbirgt sich hinter „Der 27. Tage“ ein recht interessantes Gedankenspiel. Was passiert, wenn man den untereinander verfeindeten Nationen eine überlegene Waffe in die Hand gibt? Werden sie vernünftig handeln und alles tun, damit diese nicht zum Einsatz kommt? Oder im Gegenteil sich sofort wieder in die Schlacht stürzen und sich gegenseitig vernichten? Der mit anderen Worten: Funktioniert die vielfach und immer wieder beschworene Strategie der Abschreckung? Die Antwort, die „Der 27. Tag“ liefert ist ambivalent. Überlässt man dies „den kleinen Leuten“, dann ist alles paletti. Sobald sich aber die Machthaber einmischen, droht der Weltuntergang. Denn diese sind ebenso machtbesessen wie unbelehrbar. Zumindest, wenn sie aus dem Osten kommen. Keine ganz unproblematische Aussage, bedient sie doch wieder einmal die alte – und auch heute noch aktuelle „Wir gegen die da oben“-Attitüde. Klammert man diesen Aspekt und die Kalte-Krieg-Propaganda aber mal aus, ist die Frage, in wie weit der Mensch bereits zivilisiert genug ist, sich nicht ständig die Köpfe einschlagen zu wollen, auch heute noch (oder gerade heute) sehr interessant.

„Der 27. Tag“ kann nicht mit großen Stars oder spektakulären Massenszenen aufwarten. Oftmals verdichtet sich der Film zum Kammerspiel. Es wird in engen Räumen diskutiert, die Anzahl der Außenaufnahmen minimiert. Und wenn, dann finden diese auf einer menschenleeren Rennbahn statt. Trotzdem versteht der Film es, Spannung aufzubauen, und einen fast die plumpe Kalte-Kriegs-Rhetorik vergessen zu machen. Dazu tragen die soliden Schauspieler bei, die gerade in den pefejt besetzten Nebenrollen einiges an Charisma entwickeln. Dass der Deutsche dabei von einem Tschechen und der Russe wiederum von einem Deutschen gespielt wird, fällt da gar nicht ins Gewicht. Der in Tschechien als  Jiří Wachsmann geborene George Voskovec spielt den deutschen Professor Bechner als sympathischen, höchst intelligenten Menschen. Was durchaus verwundert, waren die Deutschen doch nur wenige Jahre zuvor noch die Bösen Nummer 1 und auch in späteren Filmen häufig von dubioser Gesinnung. Vielleicht hatten die Macher des Films (oder der Autor der mir unbekannten Vorlage) ja die zahlreichen deutschen Wissenschaftler im Sinn, die nach dem 2. Weltkrieg trotz Nazi-Vergangenheit in die USA geholt wurden, um am amerikanischen Raketenprogramm zu arbeiten. Eine Figur wie Bechner ist da sicherlich gut für das Image und macht die zweifelhaften Umstände dieses „Anheuerns“ vergessen.

Der gebürtige Berliner Stefan Schnabel spielt seinen Sowjet-General als kaum kaschierte Stalin-Kopie. Beide besitzen auch eine entfernte Ähnlichkeit, auch wenn bei Schnabel der markante Schnurrbart weggelassen wurde. Vielleicht hatte man erkannt, dass vier Jahre nach Stalins Tod, ein allzu deutlicher Verweis nicht mehr ganz zeitgemäß war. Schnabel genießt es sichtlich seinen General möglichst heimtückisch-schmeichlerisch, aggressiv und größenwahnsinnig anzulegen. Dass er sich dabei oftmals weit über den Rand der Karikatur lehnt, fällt nicht weiter ins Gewicht. Denn auch, wenn „der 27. Tag“ vorgibt philosophische Fragen zu erläutern, bleibt er im Grunde doch ein kleiner Unterhaltungsfilm, der seine pazifistische Botschaft mit einem kräftigen Schuss Sowjet-Bashing anreichert. Da pfeift dann der kalte Krieg durch jede Drehbuch-Ritze.

Das interessanteste Mitglied des Schauspieler-Ensembles ist ebenfalls ein Europäer:  Der adelige Österreicher Friedrich Anton Maria Hubertus Bonifacius Graf von Ledebur-Wicheln, der hier unter seinem Schauspielernamen Friedrich von Ledebur geführt wird. Von Ledebur spielt den sanften Philanthropen Dr. Neuhaus. Ein großer und dadurch etwas tapsig wirkender älterer Herr, der langsam und mit schwerem Akzent spricht, und sich am Ende mit einem Lächeln für das Wohl der Menschheit opfert. Sieht man Von Ledebur hier in seinen altmodisch, etwas muffig wirkenden Anzügen, wie er gutmütig um das Wohl Bechners besorgt ist, kann man kaum glauben, dass er im selben Jahr seinen Durchbruch als Schauspieler in der Rolle des Kannibalen Queequeg in John Huston großartigen „Moby Dick“-Verfilmung hatte. Überhaupt lohnt es sich sehr, sich etwas näher mit dem unglaublichen Leben des Herrn von Ledebur zu beschäftigen, der nicht in Amerika Filme drehte, sondern später noch in zwei deutschen Karl-May-Filmen oder dem Italo-Western „Nobody ist der Größte“ sehen war. Ein rastloser Globetrotter, der sich als erfolgreicher Rodeo Reiter,  Minenarbeiter, Schwimmlehrer, Goldgräber, Tiefseefischer, Butler und vieles anderes mehr war. Eine Verfilmung seines aufregenden Lebens wäre wohl ein mindestens so aufregender Stoff wie „Der 27. Tag“.

„Der 27. Tag“ ist ein kleiner, spannender Unterhaltungsfilm, der allerdings seine pazifistische Botschaft mit einem kräftigen Schuss Sowjet-Bashing anreichert. Trotzdem bietet er ein interessantes Gedankenspiel an, was passieren würde, wenn die angeblich so zivilisierte Menschheit plötzlich eine Superwaffe in die Hand bekäme.

Anolis bleibt sich auch mit der neusten Veröffentlichung in der Reihe „Die Rache der Galerie des Grauens“ treu. Der hierzulande recht unbekannte B-Film wird in seiner bestmöglichen Form präsentiert. Die Blu-ray (eine inhaltsgleich DVD ist ebenfalls mit dabei) besticht mit einem sehr guten Schwarz-Weiß-Bild, welches nicht übermäßig glatt gefiltert wurde und so einen lebendigen, „echten“ Eindruck macht. Der Mono-Ton liegt auf Deutsch und Englisch vor, optional auch mit deutschen Untertiteln. Die deutsche Kinosynchronisation ist sehr gut und mit bekannten Stimmen besetzt. Vorzuziehen ist aber die englische Fassung, die sich bemüht, sprachliche Unterschiede der verschiedenen Nationen herauszuarbeiten und generell etwas „voller“ klingt. Der Veröffentlichung liegt ein zwölfseitiges Booklet bei mit vielen schönen Bildern und einem informativen Text von Ingo Strecker. Wie fast schon üblich gibt es auch wieder zwei Audiokommentare. Der erste ebenfalls von Ingo Strecker, der zusammen mit Bodo Traber näher auf den Film eingeht. Der zweite mit Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz, die auch den 50er Jahre Science-Fiction-Film allgemein besprechen. Ansonsten gibt es noch die deutsche Kinofassung mit dem deutschen Vorspann deutschen Textinserts , sowie eine spanische und eine portugiesische Titelsequenz, den amerikanischen und deutschen Kinotrailer, den deutsche Werberatschlag, das US-Pressebuch, drei deutsche Filmprogramme, sowie einer animierten Bildergalerie zum Film.

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