Nachruf: Umberto Lenzi (1931-2017)

Vor einigen Wochen hatte ich eine Idee. Ich lasse mir beim Copy Shop um die Ecke ein T-Shirt mit einem Filmplakat-Motiv machen. Meine Wahl fiel auf „Die Viper“, die ich sogar als VHS-Kassette bei mir herumstehen hatte und deren Cover ich leicht scannen und aufhübschen konnte. Die Idee dazu hatte ich, als wir von Weird Xperience im Juni auf dem Schlachthof Open-Air „Die Gewalt bin ich“ gezeigt haben, und ich mir da schon ähnliches als Gag für unsere Einführung gewünscht hätte. „Die Viper“ und „Die Gewalt bin ich“ haben zwei Gemeinsamkeiten: Die Regie führt Umberto Lenzi und die Rolle des Antagonisten hat der Anfang des Jahres verstorbene Tomas Milian übernommen. Als ich mir das T-Shirt dann das erste Mal überstreifte, wusste ich nicht, dass es recht bald ein Gedenken an zwei meiner Helden werden sollte. Nur sieben Monate nach Milian ist gestern, am 19.10.2017 auch Umberto Lenzi gestorben.

Lenzi, der ewig Unterschätzte. Lenzi, dessen Name vor allem für die Filme bekannt ist, die er selber am meisten verabscheute: Seine beiden Kannibalen-Schocker „Lebendig gefressen“ und „Die Rückkehr der Kannibalen“. Ich freue mich sehr, dass Lenzi in den vielen, teils sehr persönlichen, Nachrufen im sozialen Netz nicht auf diese beiden Filme reduziert wird. Sondern, dass vor allem auf seine actionbetonten, mitreißende Polizeifilme hingewiesen wird. Oder seine eleganten Gialli, die immer etwas mehr Bodenhaftung hatten, als die bahnbrechenden Werke von Bava, Argento oder Martino. Am meisten Stolz war Lenzi selber – wie ich einmal aus sehr gut informierter Quelle hörte – auf seine Kriegsfilme, die er Ende der 60er mit großer, internationalen Starbesetzung inszenierte.

Lenzi war ein großartiger Handwerker, der für den Film brannte, wie man nun immer wieder von Leuten ließt, die ihn persönlich kennenlernen durften. Jemand, der in allen Genres daheim war und historische Abenteuerfilme, ebenso wie Eurospy-Filme und Italowestern drehte. Jemand, der in seinen Filmen auch mal etwas wagte – wie bei der 1970 entstanden „Der Mann, den sie Pferd nannten“-Variante „Mondo Cannibale“, dem bitterbösen und tabu-brechenden „Der Berserker“ oder dem in seiner Überdrehtheit schon ins Parodistische gleitende „Labyrinth des Schreckens“. Und jemand, der ein verdammt gutes Auge für rasante Actionsequenzen, vor allem Autoverfolgungsjagden hatte, wie in seinem Polizeifilmen immer wieder eindrucksvoll bewiesen wird.

Dass Lenzi nie denselben Status wie seine seine Kollegen Fulci oder Martino (die je ebenfalls in unterschiedlichen Genres Zuhause waren) erreichte mag einerseits daran liegen, dass seine bekanntesten (weil berüchtigtsten) Filme eben seine späten Kannibalen-Filme (ein Genre, welches selbst unter Horrorfans umstritten ist) und der seltsame Actionfilm-Zombie-Hybrid „Großangriff der Zombies“ war. Letzterer irritiert durch seine sehr eigenwillige Interpretation des Zombie-Mythos (bzw. der „Infizierten“), die allerdings bereits 1980 einen Film wie „28 Days Later“ vorweg nimmt. Aber auch daran, dass Lenzi in der Regel auf viel Schnickschnack und Zierrat verzichtete und seine Geschichten lieber rau und mit Tempo vorantrieb. Er selbst sah sich dabei in der Tradition eines Sam Fuller oder Raoul Walsh.

In den späten 80ern war er ebenso wie sein Kollegen vom Niedergang der italienischen Filmindustrie betroffen. Da reichte es dann nur noch zu einigen niedrig budgetierten TV- und DTV-Produktionen, in denen nut selten das Feuer loderte, welches Lenzis‘ besten Filme ausmachten. Trotzdem gelangen ihm noch einige solide Werke, die sich durchaus sehen lassen konnten, wie „Return of the Hitcher“ oder „Black Zombies“. 1992 drehte er mit „Mean Tricks“ seinen letzten Film, zog sich aus dem Filmgeschäft zurück und begann Kriminalromane zu schreiben, die im Cinecitta der 30er und 40er Jahre spielen. Leider hat es von diesen Büchern bisher keines nach Deutschland geschafft hat. Ein leidenschaftlicher Filmliebhaber ist er aber dem vernehmen nach bis ins hohe Alter geblieben. So schrieb er eine regelmäßige Kolumne in der italienischen Filmzeitschrift „Notturno“, wie Wikipedia weiß. Nun ist er mit 86 Jahren in Rom verstorben.

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