DVD-Rezension: “Fräuleins in Uniform – Eine Armee Gretchen”

armee gretchenAm Ende des 2. Weltkriegs werden junge, attraktive Frauen als sogenannte Blitzmädchen an die Front geschickt. Dort sollen sie nicht nur als Flakhelferin oder Nachrichtenfräulein Dienst tun, sondern auch durch körperlichen Einsatz die Moral der untergehenden Truppe heben. Gemustert werden Sie von dem väterlichen Arzt Dr. Felix Kuhn (Carl Möhner). Als dieser ein wenig zu häufig die blutjungen Mädchen untauglich schreibt, bekommt er Besuch von der Gestapo und wird in die Armee eingezogen. Auch seine beiden jungen Töchter Marga (Elisabeth Felchner) und Eva (Karin Heske) kommen nicht ungeschoren davon und müssen zukünftig bei den Blitzmädchen dienen.

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Nachdem Erwin C. Dietrich Anfang der 70er seine Sexfilm-Maschinerie zum Laufen gebracht hatte und mit Filmen wie „Blutjunge Verführerinnen“ oder „Mädchen,die nach Liebe schreien“ in den Bahnhofslichtspielen erfolgreich war, stand ihm scheinbar der Sinn nach Höherem. Einen aufwändigen Kriegsfilm wollte er drehen. Aber natürlich nicht zu aufwändig, dafür war Dietrich viel zu kostenbewusst, aber ein richtiger Ausstattungsfilm. Da traf es sich gut, dass in Jugoslawien günstig altes Kriegsmaterial zur Verfügung gestellt werden konnte. Davon hatten schon diverse andere europäische und amerikanische Filmproduktionen Gebrauch gemacht. Aber auch die eigenen jugoslawischen Großproduktionen profitierten von diesem Fundus an alten Waffen und Panzern. So wurde beispielsweise kurz vor „Eine Armee Gretchen“ der jugoslawische 2.-Weltkriegsfilm „Die fünfte Offensive“ gedreht, in dem kein geringerer als Richard Burton die Hauptrolle spielt – und zwar den späteren Diktator Tito! Von dieser Produktion konnte Dietrich dann so einige Kulissen und Ausstattungsgegenstände abstauben. Zudem war die jugoslawische Armee für ein paar Devisen durchaus bereit, für die eine oder andere Szene Männer abzustellen.

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Als Vorlage für seinen Film diente Dietrich der gleichnamige Roman von Karl-Heinz Helms-Liesenhoff, der 1947 erschienen war und dem noch zwei weitere Teile folgten. Ich kenne den Roman nicht, kann mir aber kaum vorstellen, dass er – wie Dietrichs Film – aus einer Abfolge von Sexszenen besteht. Da Dietrich der Film scheinbar besonders am Herzen lag und/oder er sich dadurch einigen Ruhm erhoffte, verzichtete er hier auf seine beiden Pseudonyme „Manfred Gregor“ (Drehbuch) und „Michael Thomas“ (Regie) und zeichnete den Film komplett mit seinem eigenen Namen. Ansonsten war wieder die übliche Dietrich-Crew an Bord. Walter Baumgartner sorgte für die Musik, während Peter Baumgartner die Kamera führte. Für die männlichen Hauptrollen konnte Dietrich Carl Möhner – der immerhin in Jules Dassins „Rififi“ einer der Hauptrollen gespielt hatte und auch in der Welt der Italo-Western und Eurospy-Filmen kein Fremder war – und Helmut Förnbacher engagieren. Unter den freizügigen Damen befinden sich Elisabeth Felchner, die zwischen 1970 und 1974 in einigen Sexfilmen – zumeist aus der Lederhosen-Abteilung – dabei war, sowie Karin Heske, die ihn ähnlichen Filmen kleine Rollen hatte. Die rothaarige Renate Kasché, spielte zuvor Rollen in Massimo Dallamanos frühem Giallo „Das Geheimnis der jungen Witwe“ und seiner Sacher-Masoch-Verfilmung „Venus im Pelz„, war ab 1970 aber bis auf zwei Ausnahmen nur noch in Report-, Lederhosen- und Kumpelfilmen dabei. Auch in Joe D’Amatos berüchtigtem „Emanuelle in America“ hatte sie einen Aufritt, als „Masturbating Redhead“.

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Die aktuelle DVD aus dem Hause Ascot Elite trägt den englischen Titel „Fräuleins in Uniform“. „So war’s in Opa’s bumsfiedeler Wehrmacht“ wäre allerdings der angemessenere Titel. Nun erwartet sicherlich niemand von einem Film aus dem Hause Dietrich eine ernsthafte Geschichtsstunde, aber der Umgang mit der deutschen Vergangenheit fällt schon überraschend lax aus. Böse Gestalten gibt es eigentlich keine, die Generäle sind alles väterliche Typen, die gerne mal mit gutem Rat zu Seite stehen. Selbst SS-Leute zeigen Verständnis für die Nöte armer Mädchen und verhalten sich durchaus mitfühlend. Die einzigen bösen Gestalten sind zwei Gestapo-Männer, die aber auch eher harmlos daherkommen, sowie ein fieser Soldat, der eine der Gretchen vergewaltigt. Bei einem anderen Offizier ist die schlimmste Tat dann, dass er mit einer anderen ins Bett steigt. Wenn sich dann noch hinter allen Büschen nackte Pärchen tummeln und in Slapstickmanier die Mädels bestiegen werden, dann erscheint der 2. Weltkrieg als harmloser Abenteuerspielplatz, was ich durchaus bedenklich finde.

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Generell spielt der Krieg eine untergeordnete Rolle. Kampfszenen gibt es nur wenige. Ein Fliegerangriff, bei dem aber nur ein junger Don Juan ums Leben kommt; ein Luftangriff, der aus der Sicht der Flakhelferin gezeigt wird und wo auch nichts spektakuläres passiert, und natürlich ein Angriff auf eine (männliche) Armeeeinheit, die aus einer Handvoll Soldaten besteht, die es dann auch irgendwie schaffen (wie wird nicht wirklich ersichtlich) mehrere sowjetische Panzer abzuwehren. Verwundete werden als dekoratives Element durch das Bild getragen und der Holocaust mit keinem Wort erwähnt. Zwar gibt es am Anfang ein halbjüdisches Mädchen, aber deren größte Repressalie ist es, dass sie nicht an die Front darf, um ihre Soldaten zu unterstützen. Selbst wenn eine „Ilsa“-ähnliche, kühle-strenge Blondine eingeführt wird, stellt sich diese am Ende wirklich nur als „Mutter der Kompanie“ heraus und wird nicht weiter genutzt.

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Jenseits dieser Verharmlosungen und Unwahrscheinlichkeiten ist aber auch das von Dietrich verfasste Drehbuch kein Ruhmesblatt. Der ganze Film wirkt wie die 10-minütige Super-8 Version eine 2-Stunden-Films. Ständig werden neue Charaktere und Nebenhandlungen eingeführt, nur um diese – manchmal schon direkt nach dem Ende der Szene – wieder fallen zu lassen. Als ob das Drehbuch einmal sehr viel dicker war, man aber aufgrund von Budgetschwierigkeiten nur ein paar Seiten filmen konnte und das Ganze dann eben mit belanglosen Sexszenen auf Spielfilmlänge gestreckt hätte. Da gibt es z.B. eine Gruppe junger Mädchen, die sich freiwillig zum Einsatz an der Ostfront melden, dem wird stattgegeben, die Mädels freuen sich und das war’s. Eine der Hauptfiguren hat auf einmal ein Liebesverhältnis mit einem Partisanen – woher, warum, wie, das bleibt alles im Dunkeln. Und in der nächsten Szene wird dieser dann hingerichtet. Kurzer Prozess, kurzes Weinen und schon ist diese Episode wieder vergessen. Einmal taucht ein frisch vom Schlachtfeld kommender Soldat auf eine dekadente Feier der Offiziere auf, wird dort bezirzt und wieder ist Schluss. All dies wird mit einer so großen Bedeutungsschwere inszeniert, dass man als Zuschauer zwangsläufig davon ausgehen muss, dass diese Szenen für den Film irgendwelche Relevanz haben müssen – haben sie aber nicht im Geringsten.

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Da man bei der Vielzahl der unzusammenhängenden Szenen keine Beziehung zu irgendeinem Charakter aufbauen kann und viele Handlungen schlicht nicht nachvollziehbar bleiben, interessiert man sich auch nicht sonderlich für die Figuren, was gepaart mit der generellen Harmlosigkeit des Filmes schnell zu Langeweile führt. Da die zahlreichen Sexszenen auch aus jedem x-beliebigen „Report“-Film stammen könnten und reichlich unspektakulär daher kommen, werden noch nicht einmal die niederen Instinkte der Sexploitation-Fans befriedigt.

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„Eine Armee Gretchen“ ist ein leider recht langweiliger Flickenteppich, der nicht nur den Krieg und das 3. Reich verharmlost, sondern es auch nicht schafft, eine halbwegs zusammenhängende und interessante Geschichte zu erzählen. Nebenbei werden auch noch alle etwas radikaleren, exploitiven Elemente links liegen gelassen.

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Das Bild der in der Reihe „Cinema Treasures“ erschienen DVD ist den Umständen entsprechend sehr gut. Der Ton liegt gleich vier Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch) vor. Zudem enthält eine fünfte Tonspur einen Audiokommentar von Erwin C. Dietrich und dem Filmhistoriker Uwe Huber. Unterhaltsam ist das Featurette „Achtung! Birgit!“ in dem Darstellerin Birgit Bergen von ihrem Leben und den Dreharbeiten berichtet. Wobei man hier und dort in Frage stellen kann, in wie weit sie sich richtig erinnert oder sich doch etwas zu gut ins recht Licht rückt. Der deutsche Trailer und eine Bildergalerie runden den Bonus ab.

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2 Antworten zu DVD-Rezension: “Fräuleins in Uniform – Eine Armee Gretchen”

  1. PeterPan sagt:

    Guter Film. Hab ich mir öfters mal die Stange bei poliert!

  2. Jerry Nekü sagt:

    „Selbst SS-Leute zeigen Verständnis für die Nöte armer Mädchen und verhalten sich durchaus mitfühlend.“ – Warum sollte das anders gewesen sein? (Günther Grass und Walther Jens – beides anerkannte Ikonen der BRD waren auch SS-Männer gewesen.)
    „Eine der Hauptfiguren hat auf einmal ein Liebesverhältnis mit einem Partisanen – woher, warum, wie, das bleibt alles im Dunkeln. Und in der nächsten Szene wird dieser dann hingerichtet. Kurzer Prozess, kurzes Weinen und schon ist diese Episode wieder vergessen.“ – Natürlich! Es war Krieg.
    „… und der Holocaust mit keinem Wort erwähnt.“ – Hat dort auch nichts zu suchen.
    „Selbst wenn eine „Ilsa“-ähnliche, kühle-strenge Blondine eingeführt wird, stellt sich diese am Ende wirklich nur als „Mutter der Kompanie“ heraus und wird nicht weiter genutzt.“ – Na sowas.

    Das ist doch keine Rezi, sondern eine politische Abrechnung. Ein Erotik-film lebt von Erotik-Szenen und einen Handlungsfaden. Der darf dünn sein. Ballast muss weg. Das ist nach Ihrer Rezi offensichtlich gelungen. Uniformen haben ihren eigenen Reiz. So etwas bietet eben nicht jeder beliebige Erotikfilm. Vermutlich haben die Beteiligten das Beste aus dem Budget gemacht. Ich werde ihn mir ansehen.

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