Ein Episodenfilm von 1975, der sich in drei Episoden mit paranormalen Phänomenen beschäftigt.
Ein österreichisch-deutscher Horrorfilm mit großer internationaler Besetzung? Das ging wahrscheinlich wirklich nur in den goldenen 70ern, dem Jahrzehnt, in dem filmtechnisch alles möglich war. Verantwortlich für diese Merkwürdigkeit war Peter Patzak. Patzak wurde einige Jahre später einem großen Publikum mit einer ausgesprochen schrägen, österreichischen Krimi-Serie bekannt: „Kottan ermittelt„. Diese entwickelte er zusammen mit Drehbuchautor Helmut Zenker und führte bei allen 19 Folgen (plus zwei Kinofilmen) Regie. Ferner geht der bitterböse „Kassbach – Ein Portrait“ (wieder mit Zenker, basierend auf dessen Roman) sowie der deutsche Poliziesco „Der Joker“ oder „Killing Blue“ mit Arnim Mueller-Stahl, Morgan Fairchild (!), Frank Stallone (!!) und Michael York (!!!) auf seine Rechnung. Es lohnt sich also, in Patzaks lange Filmographie einzutauchen und so manch Obskures ans Tageslicht zu befördern.
„Parapsycho – Spektrum der Angst“ ist Patzaks zweiter Spielfilm. Eine Anthologie mit drei Gruselgeschichten, die von den übersinnlichen Phänomenen „Reinkarnation“, „Metempsychose“ (Seelenwechsel) und „Telepathie“ handeln. Mit dabei sind zahlreiche Lieblinge des europäischen Exploitation- und Arthausfilms der 60er und 70er: Marisa Mell (Mario Bavas „Danger: Diabolik“ und zahlreiche weitere Europloitation-Klassiker), William Berger (bekannt aus zahlreichen Italo-Western), seine Tochter Debra Berger (später in Enzo G. Castellaris Original-„Inglorious Bastards„), die schöne Mascha Gonska (gerade frisch von ihrer Rolle als Romy Schneiders Schwester in „Trio Infernal„) und Mathieu Carrière. Allein durch diese gerngesehenen Darsteller erhält der Film ein Flair, wie man es aus damaligen italienischen Produktionen kennt. Das österreichische Lokalkolorit wiederum gibt dem Film dann noch einmal eine ganz besondere Note.
Die erste Episode „Reinkarnation“, erinnert stark an die italienische Gruselfilme der 60er und 70er, insbesondere an Mario Bavas „Lisa und der Teufel„. Mit Marisa Mell ist auch ein schöner Blickfang dabei, wobei ihre Nacktszenen offensichtlich von einem Körperdouble übernommen wurden. Zu der glamourösen Mell mag Hauptdarsteller Helmut Förnbacher zunächst gar nicht passen, ist aber perfekt als Handelsvertreter besetzt, denn genauso sieht er auch aus. In einer kleinen, aber prägnanten Nebenrolle kann man sich am Wiener Leon Askin erfreuen, der es u.a. durch die US-Weltkriegs-Klamauk-Serie „Hogan’s Heroes“ zu einiger Berühmtheit brachte und später auch in Patzaks „Kottan ermittelt“ einige Male auftauchte. Die ganze Stimmung der Episode ist schön morbide, wenn auch in der Auflösung etwas schwach. Zudem nervt der Soundtrack gewaltig, denn es werden ständig die ersten Takte von „Für Elise“ wiederholt. Trotzdem ein gelungener Auftakt.
Die zweite Episode „Metempsychose“ gibt dann ordentlich Gas. Als Professor, der ein Verhältnis mit einer jungen Studentin eingeht, macht Western-Haudegen William Berger eine gute Figur. Die noch bessere Figur hat allerdings Mascha Gonska als seine junge Geliebte, was sie gerne zeigt und damit die Herzen des männlichen Publikums schneller schlagen lässt. Bergers echte Tochter Debra spielt seine Film-Tochter Debbie. Dass Berger in einer Szene von dieser, nackt wie Gott sie schuf, verführt wird und er ihr daraufhin eine saftige Ohrfeige verpasst, wirkt in diesem Zusammenhang doch etwas unangenehm. Die Episode wartet auch mit einem heftigen Stück Gore auf. Ich bin mir nicht 100% sicher, aber die hier in aller Deutlichkeit gezeigte Obduktion sieht doch schon SEHR echt aus. Da auch andere Produktionen zu dieser Zeit gerne mal Bilder echter Obduktionen einschleusten (z.B. die spanische Produktion „Der Sumpf des Raben„) gehe ich mal davon aus, dass wir es auch hier mit „the real thing“ zu tun haben. Zwar ist die Obduktionsszene wichtig für die Handlung, trotzdem hätte ich gerne drauf verzichtet.
Highlight des Filmes ist die dritte Episode „Telepathie“, in der Mathieu Carrière trotz seines schönen Engelsgesichts einen wahrhaft bösartigen und diabolischen Schurken abgibt. Auf Gore und Blut, wie in der zweiten Episode, wird hier zwar verzichtet, dafür der Nackte-Haut-Faktor noch einmal um einiges hochgefahren. Da hierfür die wunderschöne Alexandra Marischka (aka Alexandra Paszkowska aka Alexandra Drewes) zuständig ist, ist dies auch ausgesprochen begrüßenswert. Frau Marischka (damals mit Regisseur Franz Marischka verheiratet, der unsterbliche Klassiker wie „Lass jucken, Kumpel„, „Liebesgrüße aus der Lederhose“ oder „Sunshine Raggae auf Ibiza“ drehte) war als Assistentin von Vico Torriani bei „Der goldene Schuß“ und mit dem von ihr dort geprägten Satz „Der Kandidat hat 100 Punkte“ berühmt geworden. Heute arbeitet sie sehr erfolgreich als Fotografin. In „Parapsycho“ macht sie ihre Sache für eine ungelernte Schauspielerin recht ordentlich, wobei das männliche Teil Publikums eh durch ihre körperlichen Reize abgelenkt sein dürfte. Mathieu Carrière spielt die Rolle eines jungen Malers, der seine Impotenz durch absolute Kontrolle über seine weiblichen Opfer kompensiert. Er degradiert sie zu fleischgewordenen Marionetten und erniedrigt mit solch einem sadistischen Vergnügen, dass es einem eiskalt den Rücken runter läuft. Hinter dieser weichen Fassade lauert das gewissenlose Böse, welches wie ein Vampir seine Opfer aussaugt und ihre Hüllen wegwirft, wenn ihm langweilig geworden ist. Bei Carrière reicht da schon ein böses Lächeln, um ihn von einem netten Jungen in einen Teufel zu verwandeln. Das bitterböse Ende wird dieser Episode sehr gerecht.
Jahrzehnte lang war „Parapsycho“ nur sehr schwer zu bekommen. Zwar war der Film zum Anfang des Videobooms sowohl von Toppic, als auch Atlas und VMP auf VHS veröffentlicht, danach aber indiziert und nie wieder neu aufgelegt worden. Auch im Ausland gab es bisher keine weitere Veröffentlichung. Umso mehr muss man wieder einmal CMV danken, dass sie dieses obskure Juwel nun ausgegraben haben. Die schwierige Materiallage führt allerdings dazu, dass die DVD-Aufbereitung weit von dem entfernt ist, was man heute als Standard ansehen kann. Ganz offensichtlich wurde die DVD von einer alten 35mm-Kopie gezogen, die einige heftige Verschmutzungen und Abnutzungserscheinungen aufweist, insbesondere bei der letzten Episode. Ich muss aber sagen, dass mich das nicht im Geringsten stört. Irgendwie passen die Verschleißspuren bestens zum Film und lassen ein gewisses Bahnhofskino-Feeling aufkommen. Aber das mag Geschmackssache sein.
„Parapsycho – Spektrum der Angst“ ist ein obskures Stück österreichischer Filmgeschichte. Das Tempo mag für heutige Sehgewohnheiten eher niedrig sein, aber für die Freunde gepflegter Exploitationware aus den 70ern stellt „Parapsycho“ schon eine lohnende Angelegenheit dar. Insbesondere, da hier viele Lieblinge des europäischen Sensationsfilmes sich die Klinke in die Hand geben und schöne Frauen nicht mit ihren Reizen geizen. Dazu kommen einige Geschmacklosigkeiten in der zweiten Episode sowie eine rabenschwarzes Finale.
Die DVD von CMV liegt – aufgrund der oben genannten Gründe – in keiner optimalen Bildqualität vor. Davon abgesehen ist das Bild aber scharf und die Farben kräftig. Als Extras gibt es leider nur Trailer für den Film und für den österreichischen Film „Obszön – Der Fall Peter Herzl“, der aber nicht – wie man denken könnte – von Patzak, sondern von Hans-Christof Stenzel inszeniert wurde. Sieht interessant aus und wurde von CMV bereits 2010 veröffentlicht.