DVD-Rezension: “Unter der schwarzen Flagge der Piraten“

Die geschickte Diebin Mary Read wird verhaftet, als sie gerade als Edelmann verkleidet versucht, eine reiche Dame zu bestehlen. Sie wird in eine Zelle mit dem Sträfling Peter Goodwin geworfen, der ihre Maskerade schnell durchschaut. Die beiden verlieben sich, doch dann wird Goodwin von seinen Freunden aus dem Gefängnis geholt. Er ist nämlich ein Lord, der durch einen unglücklichen Zufall dort landete. Mary bekommt davon nichts mit, kann aber mit einem spektakulären Ausbruch entkommen. Als sie inkognito versucht, Peter zu entlasten, erfährt sie, dass er nicht nur ein reicher Lord ist, sondern sie auch vor seinen Freundinnen verspottet. Wutentbrannt heuert sie auf dem Schiff des Piratenkapitäns Poof an. Als dieser verstirbt, übernimmt sie seinen Platz und auch seinen Namen. Auch Peter verschlägt es zur See, denn durch die Flucht zur Marine versucht er, einer Hochzeit mit einer unattraktiven Dame zu entgehen. Seine erste Mission dort ist es, den Piratenkapitän Poof unschädlich zu machen…

Neben den Sandalenfilmen waren Anfang der 60er insbesondere Mantel-und-Degen-Filme italienische Exportschlager. Einer der häufigen Regisseure dieser Produktionen war Umberto Lenzi. In den vier Jahren zwischen 1961 und 1965 drehte er 12 „Ausstattungsfilme“, oftmals Abenteuer vor exotischer Kulisse, wie seine beiden „Sandokan“-Filme. „Unter der schwarzen Flagge der Piraten“ (auch bekannt als „Piratenkapitän Mary“) war sein zweiter Spielfilm. 1958 hatte er mit der griechisch-italienischen Co-Produktion „Mia Italida stin Ellada“ aka „An Italian in Greece“ debütiert. Der Film ist zugleich der untypischste Lenzi-Film überhaupt, denn es handelt sich um eine Liebeskomödie, in der ein reicher, verwöhnter Sohn sich in Griechenland in eine italienische Touristin verliebt. Nach drei Jahren Pause kehrte Lenzi auf den Regiestuhl zurück und inszenierte das Piratenabenteuer „Unter der schwarzen Flagge der Piraten“. Zur Liebeskomödie sollte er nie wieder zurückkehren.

Dass es sich um Lenzis zweiten Spielfilm handelt, merkt man nicht. Er inszeniert das Piraten-Spektakel bereits sehr routiniert, wenn auch ohne eigene Handschrift. Dies gilt allerdings auch für spätere Werke seiner Abenteuerfilm-Phase. Auch diese sind solides, funktionales Handwerk. Eine eigene Stimme fand Lenzi erst mit seinen Gialli Ende der 60er und den anschließenden Poliziotteschi – welche zu den Höhepunkten des Genres zählen. Heute identifiziert man ihn leider eher mit den Kannibalen-Schockern, die er Anfang der 80er drehte. Schade, denn gerade seine Gialli und Poliziotteschi sind pures Gold. Er selbst bevorzugte die Kriegsfilme, die er Ende der 60er/Anfang der 70er drehte und für die ihm größere Budgets und internationale Stars zur Verfügung standen.

Mit diesen Budgets kann „Unter der schwarzen Flagge der Piraten“ nicht mithalten, allerdings schafft es Lenzi, den Film nicht billig wirken zu lassen. Auch wenn es manchmal seltsam anmutet, dass Beschriftungen und Schriftstücke auf Italienisch sind, obwohl der Film laut Texttafel am Anfang in England spielen soll. Wahrscheinlich wurden einfach Kulissen und Requisiten verwendet, die gerade im Studio in Rom vorhanden waren. Aber das trägt auch zum Charme dieser Filme bei. Schwerer wiegt der Umstand, dass die männliche Hauptfigur ein unsympathischer, selbstverliebter Macho ist. Dass sich Mary sofort in diesen eitlen Fatzken verliebt und später trotz schlechter Behandlung wieder auf ihn hereinfällt, passt zu ihrem rebellisch-selbstbewussten Verhalten in anderen Situationen überhaupt nicht und schwächt die Geschichte. Andererseits gehörten diese übertriebene Männlichkeit und die Schwächen der Frauenfiguren zum damaligen Zeitbild. Heute kann man darüber wahlweise lächeln oder weinen.

Marys Schwarm Lord Peter Goodwin wird von Jerome Courtland gespielt, einem aalglatten Amerikaner, dessen breites Grinsen gut zu seiner Rolle passt. Als Mary macht Lisa Gastoni eine gute Figur, auch wenn ihre Fechtkünste etwas zu wünschen übrig lassen. Als gerissene Straßendiebin, die es bis zur Anführerin einer Piratenbande bringt, weiß sie jedoch zu überzeugen und hat die Sympathien auf ihrer Seite. Neben den beiden Hauptdarstellern hat Agostino Salvietti eine größere Rolle als Marys Großvater (zumindest in der deutschen Fassung) und sorgt ohne Innovationen für das übliche Comic Relief. Als Gaststar konnte man Walter Barnes verpflichten, der als Piratenkapitän gerne lauthals lachend den Kopf in den Nacken wirft. Überhaupt wird hier von den Piraten sehr viel gelacht.

„Unter der schwarzen Flagge der Piraten“ ist ein routinierter Abenteuerfilm mit einer selbstbewussten (wenn sie nicht gerade ihren Lord anhimmelt) Heldin und einer flott erzählten, unterhaltsamen Story. Ideal für verregnete Sonntagnachmittage: kein Meisterwerk, aber auch kein Ärgernis.

Die DVD von filmArt hat ein zufriedenstellendes SD-Bild. Wahrscheinlich war auch kein besseres Master zu finden, das eine HD-Veröffentlichung gerechtfertigt hätte. Außer der bei S-Lauten häufig zischenden deutschen Tonspur liegt keine weitere vor. Da die Filme damals ohnehin nicht mit Originalton gedreht und später auch im Herstellungsland nachsynchronisiert wurden, ist das zu verschmerzen. Zumal die deutsche Synchronisation recht gelungen ist. Als Extras gibt es außer dem deutschen Vor- und Abspann (wahrscheinlich von einer altersschwachen Kinorolle abgetastet) und Trailern keine.

Dieser Beitrag wurde unter DVD, Film, Filmtagebuch abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.