Blu-ray-Rezension: „Die Klette“

Commissario Belli (Franco Nero) von der Fremdenpolizei erhält unter Hand von dem einflussreichen Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi) Geld dafür, das englische Model Sandy (Delia Boccardo) abschieben zu lassen, da diese eine Affäre mit Fontanas Sohn Mino (Maurizio Bonuglia) begonnen hat. Außerdem soll er dann gleich auch einmal den Musikproduzenten Romani gründlich überprüfen. Denn in dessen Geschäfte will Fontanas Frau Vera (Florinda Bolkan) viel Geld investieren. Doch als Belli Romani aufsucht, findet er nur noch dessen Leiche vor. Um nicht mit seinen kleinen Nebengeschäften in die Ermittlungen seines Kollegen Baldo (Renzo Palmer) von der Mordkommission zu geraten, beginnt Belli auf eigene Faust zu ermitteln.

Die Klette“ entstand einer Zeit, in welcher das Konzept des sogenannten „Polizieschi“ noch nicht wirklich ausformuliert war. Trotzdem nimmt „Die Klette“ einiges vorweg, was später Standard werden sollte (wie beispielsweise die sehr handfesten Verhörmethoden). Der Film zeigt aber auch deutliche Unterschiede auf, den er weißt ein größere Nähe zum „Film Noir“ auf, als die „Großstadtwestern“, die noch folgen sollten.

Zwar spielt „Die Klette“ in Rom, die ganze Stimmung erinnert aber stark an die „Hardboiled“-Krimis der Amerikaner. So würde sich „Die Klette“ gut in jene Hollywood-Filme einreihen, in welchen die harten Ermittler der 40er in die späten 60er transportiert wurden, wie „Der Schnüffler“ oder „Ein Fall für Harper“. Und mit seinem durch und durch korrupten „Helden“ deutet der Film einerseits in die 70er Jahre, wo auf beiden Seiten des Atlantiks die Figur des Polizisten oder Detektivs kritisch hinterfragt werden sollten. Andererseits steht er damit noch mit einem Fuß im Italo-Western, deren Anti-Helden auch zu aller erst an sich und seine Geldbörse gedacht haben. Mit Franco Nero gibt es auch eine direkte Überschneidung. Doch mit einem Western und auch einen „Urban Western“ wie sie in der Nachfolge von „Coogans großer Bluff“ und „Dirty Harry“ populär wurden, hat die wie bereits erwähnt „Die Klette“ wenig zu tun.

Dann schon eher mit dem Bogart-Klassiker „Tote schlafen fest“ nach Raymond Chandler. Hier wie dort wird die Hauptfigur von einem ebenso mächtigen, wie zwielichtigen Person der besseren Gesellschaft angeheuert, um sich um den ständig Ärger machenden Nachwuchs zu kümmern. Und in beiden Fällen lässt sich der Protagonist mit einem weiblichen Mitglied der Familie ein und gerät in ein Gespinst von Intrigen, Morden und Erpressungen, welches einen schnell den Überblick verlieren lässt.

Aber die Geschichte spielt bei „Die Klette“ sowieso nur einen Nebenrolle. Wichtiger ist – ebenfalls wie bei „Tote schlafen fest“ – die paranoide, jederzeit bedrohliche Stimmung, die handelnden Personen und ihre Aktionen/Interaktionen. Hier wie da tauchen die Schläger aus dem Nichts auf, stolpert man über Tote und scheint jede Person dunkle Geheimnisse mit sich herumzutragen. Romolo Guerrieri inszeniert den Film dabei mit eben jenem überschwänglichen Hang zum Experimentellen und Avantgardistischen, der vor allen Dingen für die Pop-Art-Filme jener Zeit typisch ist. Da gibt es harte, überraschende Schnitte, Töne und Dialoge sind vom Bild entkoppelt. Doch Guerrieri verliert dabei nie die Erdung. Seine Geschichte bleibt sehr düster und dicht. Actionszenen sind recht spärlich gesät, dafür ist der Film eher dialoglastig. Was aber eben dem Genre geschuldet ist, welches nun einmal nicht „Action“ sondern wenn schon dann „Film Noir“ lautet. Wenn sich ein Mann aufgrund seiner eigenen Schwäche (Belli wähnt sich ständig schlauer und gerissener als die Anderen, dabei tappt er recht blind immer näher Richtung Abgrund) in seinen Untergang reißen lässt. Auch die klassische Femme Fatale taucht auf, die am Ende dann sein Schicksal besiegelt.

Franco Nero ist der ideale Schauspieler für diesen Belli. Unheimlich gut aussehend, ein fast klassischer Held. Einer dem man aber die dunklen Seiten jederzeit abnimmt und der – nicht nur hier – keine Angst hat, seine Figur zu einem egoistischen Hanswurst zu machen. Man denke nur an seine Rollen in Damianis „Das Verfahren ist eingestellt, vergessen Sie es“ oder Castellaris „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“, wo er ja nur auf den ersten Blick so etwas wie ein „Held“ ist, tatsächlich aber ein ziemlich naiver, sich vollkommen selbst überschätzender Depp. Diese Balance bekommt kaum ein anderen Schauspieler so gut wie Nero hin. Auch Belli reiht sich da ein, wenn er ständig neue Theorien entwickelt, wer für den Mord verantwortlich ist – und am Ende dann so stolz auf sich ist, dass er die Lösung endlich gefunden hat, dass er darüber hinaus völlig vergisst, in welcher Situation er sich da gerade befindet.

Neben Nero sind es die wie immer seltsam dunkel-abgründige Schönheit von Florinda Bolkan und der immer zuverlässige Renzo Palmer, die einen starken Eindruck machen. Ein paar Worte zu Renzo Palmer, der dem Autoren dieser Zeilen über die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist. Palmer hat nie die eine große Rolle gehabt, die ihn berühmt gemacht hat. Ja, zu einer echten Hauptrolle hat es nie gereicht. Vielleicht wegen seines eher „fleischigen“, nicht unbedingt klassisch attraktiven Aussehens. Er war auf Nebenrollen festgelegt. Kommissare, Journalisten, bester Kumpel, Mafia-Typen. Immer sehr präsent machte er jede dieser Rolle zu seiner eigenen und gestaltete sie mehrdimensional, weg vom Klischee, welches im Grunde im Drehbuch immer angelegt war. Man denke nur an seinen linken Journalisten in „Killer der Apokalypse“, den Unternehmer in „Der Gorilla“ oder den aufbrausenden Kommissar hier, der Belli immer einen halben Schritt auf den Fersen ist und jenen mit einem Blick durchschaut. Bei Renzo Palmer genügen wenige Gesten und Blicke um zu verstehen, dass hinter seiner Figur mehr steht, als man aufgrund der reinen Story denkt. Adolfo Celi hingegen hat eine dieser Rollen, bei denen er nur ein paar Mal zu sehen ist, die Handlung ins Rollen bringt und ansonsten im Grunde genommen nur seine enorme Präsenz einmal vor die Kamera bringen muss. Etwas, worauf er sich spätesten ab dem Ende der 60er spezialisiert hat – und dies auch immer mit großer Wirkung tat.

Wer die italienische und die deutsche Tonspur des Filmes miteinander vergleicht wird überrascht sein, dass der James-Brown-Funk-Hit „It’s a Man’s World“ im Original gar nicht zu hören ist, sondern dort „The World of the Blues“ von Fred Bongusto (enthalten auf der empfehlenswerten Compilation-CD „Easy Tempo Volume 8“) erklingt. Dabei passt der Brown-Sound sehr gut zu dem Film und gibt ihm einen einen schönen US-Urbanen Touch. Auch der Text passt – insbesondere, wenn er am Ende noch einmal erklingt und dort eine höchst ironische Note mitbringt. Ansonsten besitzt auch die Nr. 20 der Filmart Polizieschi Edition ein gutes Bild und ein schönes Booklet mit den deutschen Aushangfotos. Als Extras kann man sich das alte deutsche Ende einmal in der Original VHS-Version und einmal mit dem neuen Master nachgebaut anschauen.

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