Vorschau: Das 30. Internationale Filmfest Oldenburg – Weitere Filme und Tribute

Nun wurden auch die letzten Filme für das diesjährige Filmfest angekündigt. Im Vergleich zum ersten Schwung sind nun sehr viele mehr spannend klingende Werke dabei. Die Ankündigungen machen auf jeden Fall neugierig. Zudem wurde der Tribute für dieses Jahr verkündet. Er gilt den beiden Filmemacherinnen Isild Le Besco und Jen Gatien, die mir beide bislang vollkommen unbekannt sind. Le Besco gilt laut New York Times als „The Wild Child of French Cinema“ und die junge französische Filmemacherin soll „die berühmteste Filmemacherin unbekannter Filme“ sein. Jen Gatien ist eine unabhängige Produzentin aus New York, die u.a. mit Abel Ferrarra arbeitete.

Leider gibt es in diesem Jahr keine Retrospektive, was ich extrem schade finde. Denn gerade die Retros waren immer kleine Highlights für mich, bei denen ich viele Künster*innen entdeckte, mit denen ich mich vorher nicht so sehr auseinandergesetzt hatte. Die ich für mich seitdem aber neu entdeckt habe und deren Werke mich noch immer begleiten. Wie Philippe Mora, John und Peter Hyams, Ovidio G. Assonitis oder George Armitage. Ich war schon sehr gespannt, wer es dieses Jahr wird und bin daher ein wenig enttäuscht. Ich tröste mich mal damit, dass mir die Filmauswahl dann wahrscheinlich noch schwerer gefallen wäre.

Ebenso enttäuscht bin ich darüber, dass es dieses Jahr nicht ein osteuropäischer oder skandinavischer Film ins Programm geschafft hat. Okay, dafür gibt es spezielle Festivals (GoEast bzw. Nordische Filmtage), aber für japanische Filme auch (da sogar zwei: Nippon Connection und das Japan Filmfest in Hamburg).

Hier nun die Übersicht über die restlichen Filme. Der Text stammt aus der Pressemitteilung, kursiv dahinter meine persönliche Anmerkung.

The Book of Solutions, Frankreich 2023, Michel Gondry (Internationale Premiere) – In seinem ersten Film seit acht Jahren, der in Cannes seine Premiere feierte, erzählt der Oscar-prämierte Michel Gondry die Geschichte eines exzentrischen Regisseurs, der versucht die Dämonen zu besiegen, die seine Kreativität zügeln. – Seit Gondry mit „Eternal Sunshine on a Spotless Mind“ einen meiner absoluten Lieblingsfilme gedreht hat, erwarte ich voller Ungeduld jeden neuen Film. Ich hoffe, dieser passt dieses Jahr in meinen Plan.

Maestra, USA 2023, Maggie Contreras (Internationale Premiere) – Mit ihrem Debutfilm folgt die Regisseurin fünf internationalen Frauen, die sich auf »La Maestra« vorbereiten – dem weltweit einzigen Wettbewerb für Operdirigentinnen. Persönliche Geschichten vom Überleben, der Leidenschaft und Ausdauer verschwimmen mit der Aufregung des Ereignisses und durchbricht einen weiteren Käfig, der für Frauen geschaffen war. – Klingt spannend. Der Film ist – wie ich jetzt gesehen habe – eine Dokumentation. Interessiert mich sehr.

In the Form of Love, Iran 2023, Sivash Asadi (Weltpremiere) – Im Iran der 50er-Jahre suchen eine Mutter und ihre Tochter vorübergehend Zuflucht auf dem Dorfgut eines entfremdeten, aber langjährigen Freundes, dessen 14-jähriger das Kino liebt. Während die Erwachsenen sich um die reale Welt kümmern, verlieren die beiden Jugendlichen ihre Herzen an die Welt des Films – und aneinander. In Anlehnung an seine Kindheit, in der er als Zehnjähriger mit Freunden die Schule schwänzte um Filme im Kino zu sehen, überbringt Siavash Asadi eine Liebeserklärung an das Kino von gestern: eine Hommage an Cinema Paradiso. – Ich habe in der Tat noch nie einen schlechten iranischen Film gesehen. Bislang waren iranischen Filme immer Volltreffer oder mindestens gut. Da mich die Geschichte auch interessiert steht der Film weit oben auf meiner Liste.

Confines, Frankreich 2023, Isild Le Besco (Weltpremiere) – Der Moment, in dem Emmanuel Macron in einer Videobotschaft den Coronalockdown verkündet, trifft Zina und ihre Geschwister wie ein Schlag in die Magengrube. Sie werden nicht nur aus dem Alltag gerissen, sondern sind jetzt auch Gefangene ihres Vaters, der gewalttätig wird. Im Zentrum dieser klaustrophobischen Tragödie wächst Hoffnung. – Obwohl ich von Corona nichts mehr hören möchte, klingt dieser Film sehr vielversprechend. Vom Tribute-Ehrengast kenne ich bislang auch nichts, vertraue aber wie immer auf den guten Geschmack der Festivalleitung. Ist vorgemerkt.

Charcoal, Argentinien/Brasilien 2022, Carolina Markowicz (Deutschlandpremiere) – In ihrem preisgekrönten Spielfilmdebut wird einer Familie, die sich um ihren bettlägerigen Patriarchen kümmert, ein verwerfliches Angebot gemacht: Ihrem Ältesten abzusetzen und einen argentinischen Drogenbaron Zuflucht zu gewähren. Ein menschliches und gleichzeitig beklemmendes Porträt einer unmenschlichen Welt. – Das kann sich in viele unterschiedliche Richtungen entwickeln. Im Programm steht auch etwas von schwarzem Humor und Thriller. Ich lasse mich da gerne überraschen.

Heavier Is The Sky, Basilien 2023, Petrus Cariry (Internationale Premiere) – Von dem brasilianischen Filmemacher, dessen »Trilogie des Todes« über 100 Preise und Nominierungen erhielt, folgt nun ein Roadmovie: eine poetische, aber brutale Sicht auf Liebe, Familie und das Leben. Nachdem Teresa ein verlassenes Kind aufnimmt, trifft sie Antonio und ihre Reise über die Straßen beginnt. Sie teilen nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit, sondern Erinnerungen an eine Stadt, die in einem Staudamm versunken liegt. Das Leben ist traumhaft, aber die Zukunft gefährlich. – Sicherlich kein schlechter Film. Aber ich habe etwas Angst davor, dass sich die Geschichte um das verlassene Kind zum traurigen Drama auswächst. Und da werde ich leider schnell getriggert. Wahrscheinlich lasse ich den Film darum aus.

From Dawn Till Noon On The Sea, Japan 2023, Takayuki Hayashi (Weltpremiere) – Die ersten Momente des tiefgehenden Spielfilmdebuts zeigen eine japanische Teenagerin, die in ihrer Schuluniform durch einen Tunnel geht, der sie in die Gesellschaft zurückführt. Laut des örtlichen Radios wurde sie entführt und 49 Tage als Geisel gehalten, aber körperlich nicht von ihrem Entführer berührt. Unter ihren Altersgenossen gilt sie als Verstoßene, aber schnell wird klar, dass nicht die Entführung, sondern die Gesellschaft das Gefängnis ist. – Als Freund des japanischen Kinos habe ich mir den Film vorgemerkt. Klingt auch sehr spannend.

Behind the Haystacks, Griechenland 2022, Asimina Proedou (Deutschlandpremiere) – Getrieben von finanzieller Not lässt sich ein Bauer an der nordgriechischen Grenze auf die Mafia ein: Er schmuggelt Einwanderer über einen Grenzsee, der mit Mazedonien verbunden ist. Doch als Leichen angeschwemmt werden und er aussteigen möchte, muss seine Familie die Konsequenzen seines Handelns tragen. – Eine klassische Gangstergeschichte also. Diesmal in Griechenland vor dem Hintergrund der Flüchtlingsströme. Den versuche ich mir auf jeden Fall anzusehen.

 

Im toten Winkel, Deutschland 2023, Ayşe Polat – Im toten Winkel verwebt Ayşe Polat die Fäden der Realität und des Ätherischen miteinander, um die Erzählung von politischen Intrigen in eine faszinierende Darstellung über die anhaltende Wirkung von Gewalt zu verwandeln. Mit meisterhafter Regie gelingt es ihr, Emotionen hervorzurufen, die dem Abspann weit nachwirken. – Hier weiß ich nicht wirklich, was mich erwartet. Im Programm steht auch etwas von „einem unheilvollen Tanz aus Paranoia, Verschwörung und geisterhaften Kräften“. Macht neugierig. Behalte ich mal im Hinterkopf.

Enter the Clones of Bruce, USA 2023, David Gregory (Deutschlandpremiere) – Anfang der 1970er Jahre wurde Bruce Lee zum Idol des internationales Actionkinos. Bereits wenige Stunden nach seinem Tod 1973 begannen Filmstudios nach einem neuen Star zu suchen, der Lee ersetzen sollte. Kommerzielle Motive ließen eine Armee von Bruce Lee-Klonen entstehen. Die sogenannte Bruceploitation läuft seit mittlerweile 50 Jahren.– Genau mein Ding. Den Spielfilm „The Clones of Bruce Lee“ (Bruceploitation at its best) durfte ich mal in Düsseldorf auf 35mm sehen. Würde ich mir auf jeden Fall anschauen, wenn dahinter nicht Severin stehen würde, die die Doku sicherlich sowieso – wie schon die tolle Al-Adamson-Doku die vor einigen Jahren in Oldenburg lief – als Bonus-Disc in einer Bruceploitation-Box bringen werden. Wobei die Severin-Boxen blöderweise fast immer Regionalcode A und damit für mich unabspielbar sind. Ich überlege es mir noch…

Mars Express, Frankreich 2023, Jérémie Périn – Die Akzeptanz von Unterschieden, Roboter und Menschen. Irgendwo zwischen der Ästhetik von »Blade Runner«, den technophilosophischen Ideen von »Ghost in the Shell« und den warnenden Science-Fiction-Prophezeiungen von Isaac Asimov entfaltet sich ein faszinierendes Film-Noir-Abenteuer über die Gefahren und Möglichkeiten künstlicher Intelligenz. – Schon der zweite SF-Animationsfilm dieses Jahr in Oldenburg. Ich bin interessiert.

Shura: Sister of the Rope, Japan 2023, Tohjiro (Weltpremiere) – Zwei Schwestern kämpfen darum, ihre traumatische Vergangenheit zu überwinden. Ihre Mutter, ein Bondage Model, beging Selbstmord und ihr Vater, der Fesselkünstler, ließ sie im Stich. Die filmischen Absichten sind ebenso tiefgreifend und eindringlich wie in den intimen Dramen von Ozu oder den glühenden Psychodramen von Bergman. Transgressives Filmemachen von einer Intensität, die dem Zuschauer den Atem verschlägt. – Noch einmal Japan. Diesmal tief rein in eine für westliche Zuschauer seltsame und vielleicht bizarr anmutende Fetisch-Welt. Könnte etwas sein. Behalte ich auch im Auge.

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Eine Antwort zu Vorschau: Das 30. Internationale Filmfest Oldenburg – Weitere Filme und Tribute

  1. Nebenbei ist Isild Le Besco auch die jüngere Schwester von Maïwenn, und ich glaube, die ticken auch ähnlich.

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