Blu-ray-Rezension: Der weiße Killer – The Last Jaws

Kurz vor einem großen Windsurf-Wettbewerb kommen plötzlich einige Leute auf dem offenen Meer um. Der Schriftsteller Peter Benton (James Franciscus) und der Kapitän eines Fischerboots (Vic Morrow) vermuten einen großen weißen Hai hinter den Todesfälle, weshalb sie den Bürgermeister (Massimo Vanni) drängen den Wettbewerb abzublasen. Dieser glaubt aber die Situation im Griff zu haben und will kurz vor seiner Wiederwahl den prestigeträchtigen Event unbedingt durchführen. Dies erweist sich als nicht besonders gute Idee.

1981 war die Zeit der großen “Der weiße Hai”-Klone eigentlich schon vorbei. Aber das hinderte die Italiener nicht daran, trotzdem Spielbergs großen Erfolg preisgünstig noch einmal zu drehen und auch noch Motive der offiziellen Fortsetzung mit beizumischen. Das Ergebnis wurde etwas großspurig als „The Last Jaws“ – oder in Deutschland auch „Der weiße Killer“ – betitelt. Als Regisseur konnte Action-Spezialist Enzo G. Castellari verpflichtet werden, der gleich zu Beginn schon einmal sehr beeindruckend seine berühmten Zeitlupen-Action-Aufnahmen einstreuen kann.

Beeindruckend ist es auch, wie eng sich „The Last Jaws“ an seine Blaupausen „Der weiße Hai“ und „Der weiße Hai 2“ hält. Die Variationen sind minimal. Aus dem Polizeichef Brody wird der Autor „Peter Benton“, welcher offensichtlich „Der weiße Hai“-Autor Peter Benchly als Vorbild haben soll. Aus dem bärbeißigen Quint wird „Ron Hamer“, der zwar wie eine Kopie des zähen Kapitäns der „Orca“ wirkt, aber weitaus sympathischer und zugänglicher gezeichnet wird. Hier ist der Kapitän zudem ein alter Kumpel des Helden Benton. Die Rolle des im Original von Richard Dreyfuß Hooper fällt weg. Dessen Funktion wird auf Benton und Hamer aufgeteilt. Als Darsteller konnten die beiden US-Amerikaner James Franciscus und Vic Morrow gewonnen werden. James Franciscus besaßen bereits einige Erfahrung mit italienischen Produktionen. So spielte er die Hauptrolle in Dario Argentos zweiter Regiearbeit „Die neunschwänzige Katze“ und war 1979 sowohl bei Antonio Margheritis „Piranhas II – Die Rache der Killerfische“ als auch Ruggero Deodatos „Concord Inferno“ dabei. Vic Morrow war einst durch seine Rolle als jugendlicher Unruhestifter in „Saat der Gewalt“ berühmt geworden und ist der Vater von Jennifer Jason Lee. Nach „The Last Jaws“ blieb er in Italien und drehte mit einen zweiten Film mit Castellari: „The Riffs – Die Gewalt sind wir“, bevor er bei den Dreharbeiten zu „Unheimliche Schattenlichter“ auf tragische Weise ums Leben kam. Beide machen das Beste aus dem Drehbuch, welches sie auf Stereotype reduziert und gerade Franciscus in den Szenen mit seiner durch einen Hai-Angriff verstümmelten Tochter einige sehr seltsam kitschige Momente zumutet.

Von diesen Szenen abgesehen hat Castellari den Film aber gut im Griff und versteht es die episodenhafte Handlung unterhaltsam und mit Sinn für Spektakel voranzutreiben, obwohl diese Bemühungen ständig von den Hai-Aufnahmen konterkariert werden. Hier wurde teilweise auf Stock-Footage zurückgegriffen, wobei die verschiedenen Hai-Arten und unterschiedlichen Größen der Tiere – zusammen mit der deutlich erkennbaren anderen Bildqualität – die Illusion sofort entlarven. Des weiteren wurde ein recht unbewegliches Model eines Hai-Rumpfes samt beeindruckenden Mauls gebaut, welches hie und da aus dem Wasser schaut. Das hat durchaus Charme und reizt zu einem Lächeln, wenn die riesige Attrappe wie ein Korken auf der See auf und ab hüpft. In einem auf der Blu-ray enthaltenden Interview schwärmt Regisseur Castellari davon, wie aufwändig die Szene, welche Haiattacken auf ein Boot und einen Helikopter beinhaltet, inszeniert wurde. Mit einem echten Helikopter und einem gewaltigen Wasserbecken. Da glaubt man fasst, der gute Enzo hätte seinen eigenen Film nicht gesehen. Denn dort wurde eben jene Szene mit Spielzeugmodellen „aufgewertet“, wodurch sie dann doch so realistisch aussieht, wie eine Toho-Produktion. Nein, eigentlich noch weniger realistisch. Aber das macht eben auch die Freude an dieser Produktion aus, die spätestens hier dann doch von einem halbwegs ernsthaften „Der weiße Hai“-Imitat in ein unfassbaren Spaßfilm kippt.

Wenn dann noch der immer gute Romano Puppo als stoischer Hai-Jäger auftaucht, dann kennt die Freude keine Grenzen mehr. Neben Puppo ist noch ein weiterer Castellari-Stammschauspieler zu sehen: Giancarlo Prete, der als „Timothy Brand“ in „Metropolis 2000“ den Italo-Mad-Max gab. Seine lebendige Vorstellung des lokale TV-Reporters Bob Martin bringt tatsächlich etwas Ernsthaftigkeit und verhaltene Medienkritik zurück. Ja, wirkt wie eine Rückbesinnung des Italo-Kinos auf ähnliche Charaktere wie Philippe Leroys Figur Pablo in „Das wilde Auge“ und Gabriel Yorkes Alan Yates in „Nackt und zerfleischt“.

Ein wenig enttäuschend ist die Musik des Duos De Angelis, die zahlreiche Castellari-Filme – man denke nur an seine Poliziotteschi-Actioner – kongenial und grandios vertont hatten, hier aber nur einen – aus verschiedenen Gründen – auffälligen Titelsong ganz am Anfang beisteuern, dann aber überraschend zurückhaltend bleiben. Obwohl der Film doch genug Anlass bietet, auf der Musikspur ordentlich auf die Tube zu drücken.

Am Ende ist „The Last Jaws“ leider nicht das kleine Meisterwerk, welches man sich erhofft hätte. Ja, der Film driftet häufig in jene Gefilden, die weniger nette Zeitgenossen „Trash“ nennen würden. Aber Castellari ist einfach ein zu guter Regisseur und hat genügend talentierte Schauspieler vor der Kamera, dass man seiner kleinen „Der weiße Hai“-Variante nicht einen guten Unterhaltungswert und hier und dort sehr gelungene Momente absprechen kann. So sah es scheinbar auch die Universal, welche eine Aufführung des 1982 in den USA ungewöhnlich erfolgreich angelaufenen Filmes aufgrund seiner großen Ähnlichkeit zu ihrem Klassiker „Der weiße Hai“ per Gerichtsbeschluss untersagen ließen. Wahrscheinlich, um die Chancen ihres eigenen Sequels „Der weiße Hai 3D“ nicht zu gefährden.

Der Film ist mit fünf unterschiedlichen Cover-Motiven (wovon eines sicherlich nur als Gag gedacht ist) bei Anolis in der Reihe „Die 80s“ erschienen. Wie bei Anolis gewohnt in sehr guter Bild- und Tonqualität. Wie gewohnt ist das Mediabook wieder randvoll gestopft mit Extras. Das beginnt mit gleich zwei Audiokommentaren (der erste mit Dr. Gerd Naumann, Matthias Künnecke und Christopher Klaese, der zweite mit Ingo Strecker und Jörg Michael Jedner). Weiter geht es mit dem oben schon angesprochenen 17-minütigen Interview mit Enzo G. Castellari. Danach kommt Ugo Tucci zu Wort, der als Produzent und Autor der Story eine der treibenden Kräfte hinter dem Film war.(19 Minuten). Schließlich erzählt Massimo Vanni, der die Rolle des Bürgermeisterkandidaten spielt, der das Unglück auslöst, von den Dreharbeiten und seiner Karriere (26 Minuten). Neben Trailern und einer Bildergalerie gibt es auch ein 36-seitiges Booklet mit Bildern, Aushangfotos sowie Texten von Lars Dreyer-Winkelmann und Eugenio Ercolani. Ferner ist auf einer zweiten Blu-ray die alte, gekürzte deutsche Kinofassung zu finden.

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