Eine Rocker-Bande macht Station in einem kleinen Städchen irgendwo in den USA. Dort gibt es rasch Ärger mit den Bewohnern und vor allem der Polizei, die die Rocker aus dem Städtchen wirft und einen aus der Gang festnimmt und. Als dieser am nächsten Tag entlassen wird, kommt er jenseits der Stadtgrenze auf mysteriöse Weise ums Leben. Seine Freunde beerdigen ihn und schwören die Umstände seines Todes aufzudecken…
Eine „Boston Street“ ist hier nirgendwo zu sehen und das Cover ziert Helmut Berger aus Massimo Dallamanos „Das Bildnis des Dorian Gray„. Im Original hat der Film dann auch den schönen Titel „Angels Die Hard„, später wurde daraus irgendwann auch einmal „Rough Boys“. Hinter diesem Titelwirrwarr steckt der erste Film, der von Rogers Cormans damals neu gegründete Firma New World Pictures produziert wurde. Corman gab hier viele junge Talente ihre erste Chance, wie z.B. Jonathan Demme, Jonathan Kaplan, Joe Dante oder auch Ron Howard und Martin Scorsese. „Die Rocker von der Boston Street“-Regisseur Richard Compton ist kein solch bekannter Name, kann aber auf eine sehr lange und erfolgreiche Karriere als TV-Regisseur zurückblicken, in deren Verlauf er bis zu seinem Tod 2007 zahlreiche Folge nahezu aller bekannten US-Serien inszenierte. „Die Rocker von der Boston Street“ hängt sich natürlich an den Erfolg der zahlreichen „Rocker“- und „Angels“-Filme, die Corman in den Jahren zuvor noch für AIP produziert und teilweise selbst inszeniert hatte. Ferner wird sich auch kräftig bei „Easy Rider“ bedient. So erinnert der gutbürgerlichen Leichenbestatter, der hier von Alan DeWitt als Witzfigur gespielt wird, an den Jack Nicholson-Charakter aus Dennis Hoppers Kultfilm.
Diese krude Mischung aus dem freiheitsliebenden Hippie-Plädoyer „Easy Rider“ und den bösen Rockerfilmen ala „Die wilden Engel“, macht es dem Film allerdings auch schwer. Denn die „Rocker“ werden hier zwar zunächst als bedrohliche Gefahr und gefährliche Outlaws eingeführt, doch dann wandeln sie sich plötzlich in nette Typen, die doch nur in Ruhe gelassen und ihr freies Leben führen wollen. Nun ist es aber leider nicht etwa so, dass Regisseur Compton den Zuschauer zunächst bewusst durch die stereotype Vorurteile der „braven Bürger“ und bekannte Situationen aus einschlägigen Filmen in die Irren führen will, um ihm dann vielleicht durch einen Kunstgriff den Spiegel der eigenen Voreingenommenheit vor das Gesicht zu halten. Es scheint eher so, als ob er selber nicht genau wusste, wie er mit seiner Rocker-Bande umgehen sollte. Zu Beginn kommt es z.B. zu einer Vergewaltigung. Diese wird dann dadurch etwas abgemildert, dass dabei reichlich mit Spaghetti herumgeworfen wird, was dem ganzen eine seltsam slapstickartige Stimmung gibt. Trotzdem handeln die Rocker hier rücksichtslos und brutal.
Wenn man später darauf wartet, dass sie den Tod eines ihrer Mitglieder rächen werden und über die Stadt herfallen, so wird man davon überrascht, dass außer viel Gerede nichts dabei herum kommt. Stattdessen wird der Spieß jetzt umgedreht und die Rednecks des Städtchens ganz klar als die Bösen identifiziert. Die Rocker hingegen werden auf einmal harmlose Hippies inszeniert, die mit viel Gras nette Happenings feiern. Als sie dann noch selbstlos und ganz selbstverständlich dabei helfen, einen in einer Mine eingeschlossenen Jungen zu retten, sind sie endgültig zu zwar wilden, aber aufrechten Außenseitern mutiert, die trotz der harten Schale das Herz am rechten Fleck haben. So wundert es dann auch nicht, dass sie im erstaunlich blutig geratenen Finale ihre Gefährlichkeit vollkommen eingebüßt haben.
Aber nicht nur diese widersprüchliche Charakterisierung der Protagonisten arbeitet gegen den Film. Auch die vielen Szenen, in denen nichts anderes gezeigt wird, als Rocker, die stundenlang auf ihren Motorrädern durch die Gegend fahren (der Beginn, der ausschließlich solche Bilder zeigt, dauert zum Beispiel fast sieben Minuten), bremsen den Film immer wieder aus. Merkwürdige Einfälle, wie die Beerdigung indem dem Verstorbenen durch kollektives auf den Sarg pinkeln gehuldigt wird, sorgen eher für Erheiterung. Ebenso wie das maßlos überzogene Spiel des einzigen großen Namens im Cast: Dem Peckinpah-Veteranen und tragen nicht viel zur Stimmung bei. R.G. Armstrong, der hier mit sehr viel Hingabe und Energie das böse Redneck-Arschloch spielt, befindet sich in seiner Darstellung auch schon weit jenseits der Grenze zur Parodie.
Ein weiterer bekannter Name taucht in den Credits auf: Dan Haggerty, besser bekannt als Grizzly Adams aus der Serie „Der Mann in den Bergen“. Haggerty hatte zu dieser Zeit in einigen Filmen Mitglieder von Rocker-Banden gegeben. Hier hat er zwar keine große Rolle, ist aber gut zu erkennen, da er mit seinem Vollbart und den langen Haaren schon exakt so aussieht, wie seine berühmte Fernsehfigur Jahre später. Als hübscher Blickfang ist Connie Nelson dabei, die her zwar als kommender Star in den Credits angekündigt wird, tatsächlich danach nur noch in Al Adamsons „Draculas Bluthochzeit mit Frankenstein“ zu sehen war. Der charismatische Wilhelm Smith hingegen ist auch noch heute sehr aktiv und kann auf eine lange und arbeitsreiche Karriere als Darsteller in B-, C- und Z-Filmen zurückblicken, die nun schon über 70 (!) Jahre andauert.
„Die Rocker von der Boston Street“ ist ein lupenreiner Grindhouse-Trasher von der Art, wie sie heute zwar häufig von jungen Filmemachern als „Hommage“ imitiert werden, an deren eigenartig raue, immer irgendwie amateurhaft wirkende, Mischung aus saftiger Exploitation und dezenter Langeweile, diese aber niemals heran reichen können. Ein Stück Zeitdokument aus der Ära der Drive-Ins und billigem Sensationskino.
Das Bild der bei CMV in der Reihe „Trash Collection“ erschienen DVD, ist dann auch konsequenterweise im original Grindhouse-Look. D.h. offensichtlich von einer alten, nicht mehr ganz optimalen Filmkopie gezogen, was aber ganz hervorragend zu dieser Art Film passt. Nicht umsonst bemüht man sich heutzutage bei einschlägigen Produktionen ja, genau diesen Look durch allerlei technische Trickserien auf digital gedrehte Produkte zu bringen. Der englische Ton ist dumpf und schwer verstädnlich. Der deutsche Ton demgegenüber sehr viel klarer und mit bekannten stimmen besetzt. Bonus gibt es soweit nicht, aber der DVD liegt ein zweiter Spielfilm bei, der thematisch gut zu „Die Rocker von der Boston Street“ passt.
Waren „Die Rocker“ 70er-Jahre-Bahnhofskino, ist der Bonusfilm „Die Hyänen“ dann 80er-Videofutter pur. Allerdings, das muss man sagen, eher von der langweiligen Sorte. Obwohl mit Lance Henrikson in der Hauptrolle reizvoll und mit George Kennedy, Karen Black, William Forsythe und Richard Lynch durchaus prominent besetzt, merkt man leider allen Beteiligten an, dass sie nicht die geringste Lust auf den Film hatten. George Kennedy spielt seine Rolle im Rollstuhl und man hat das Gefühl, dies tut er nur, weil er zu faul, war aufzustehen. Karen Black wird von der Regie nicht davon abgehalten, völlig außer Rand und Band zu agieren und Lance Henriksen macht sich scheinbar einen Spaß daraus, sich möglichst seltsam zu bewegen. Wobei seine skurrilen Kampfszenen schon sehenswert sind. Obwohl die Story durchaus Potential für unterhaltsame Action-Gülle hat, kurbelt Regisseur Simon Nuchtern sie lustlos und konventionell runter. Schade um den guten Cast und die Story, die durchaus das Potential für mehr hatte. Warum der Film nur als Bonus-Beigabe verwendet wurde, ist recht schnell zu sehen. Die Bildqualität ist auf dem Niveau einer VHS-Kopie. Recht verschwommen und milchig.
Als erklärter Fan von Bikerfilmchen muss ich leider feststellen, dass auch diese Veröffentlichung dem Genre, dass sich mit zunehmender Expertise durch eine übermäßige Gleichförmigkeit auszuzeichnen scheint, keine Innovationen hinzuzufügen vermag. Dementsprechend „Danke“ für diese Kritik. Dass sie darüber hinaus noch gelungen geschrieben ist, verbuche ich mal unter „gewohnte Qualität“.