Blu-ray-Rezension: “Basket Case”

Basket Case - White EditionEinst wurde Duane Bradly gegen seinen Willen in einer illegalen Operation von seinem missgestalteten siamesischen Zwilling Belial getrennt und dieser im wahrsten Sinne auf dem Müll geworfen. Doch Duane rettete seinen Bruder. Jahre später macht sich Duane zusammen mit Belial, den er in einem Weidenkorb versteckt hält, auf nach New York, um an den Ärzten, die für ihr Schicksal verantwortlich waren, blutige Rache zu nehmen.

Irgendwann in den frühen 90ern sah ich mit einem guten Freund zusammen einen Film namens „Frankenhooker„, der uns beide nicht begeisterte. Im Gegenteil, wir ärgerten uns damals, was wir uns da für ein Schrott aus der Videothek mitgebracht hatten und machten uns über den Namen des Regisseurs, Frank Henenlotter, lustig. Wenn jemand schon so heißt, so unsere These, könne da ja auch kein gescheiter Film rauskommen. Etwas später landete „Basket Case“ im Player und als in den Titel der Regisseur genannt wurde, wurden unsere Gesichter zunächst lang und nach der Sichtung sogar noch länger. Wieder hatte uns der „Hennen-Lothar“ einen Film vorgesetzt, mit dem wir so gar nichts anfangen konnten. Heute, ungefähr zwei Jahrzehnte nach diesen nächtlichen Video-Sessions, muss ich zu unserer Ehrenrettung sagen, dass wir noch jung waren und zudem die verstümmelten Videofassungen der Filme sahen. Gerade im Bezug auf „Basket Case“ geschah mit uns also genau das, was Frank Henenlotter in der schönen Doku zur „Baske Case“-Trilogie erzählt. Beim Kinostart des Filmes in den USA hatte der Verleiher alle blutigen Szenen herausgeschnitten und den Film als reine Komödie verkaufen wollen. Niemand wollte den Film sehen. Erst als die blutigen Stellen wieder eingefügt wurden, standen die Leute vor den Grindhouse-Theatern Schlange. Damals hatte „Basket Case“ also bei mir nicht gezündet. Wie sieht es heute aus, wo die ungekürzte Fassung sogar auf Blu-ray vorliegt?

Um es vorweg zu nehmen: Sehr viel besser. Heute weiß ich die billige, aber leidenschaftliche Machart des Streifens zu würdigen. Ebenso den amateurhaften Charme und die etwas steifen oder übertrieben enthusiastischen Darsteller. „Basket Case“ ist ein Werk, welches aus Liebe zum schundigen Exploitationkino entstanden ist, und das merkt man in jeder schmutzigen Ecke des Filmes. Auch muss festgehalten werden, dass die z.T. recht übertrieben Goreeffekte dem Film gut tun und nicht – wie in anderen Werken – eher die Stimmung stören. „Basket Case“ ist zwar nicht unbedingt als Komödie zu titulieren, nimmt sich aber zu keiner Sekunde ernst und gewinnt seinen Witz aus der absurden Geschichte und den überzogenen Splatterszenen. Es ist also kein Wunder, dass der Film einen Großteil seiner Wirkung verliert, wenn diese – wie bei der US-Premiere oder der deutschen Videoauswertung durch Starlight – fehlen. Obwohl der Film seine Wurzeln im Amateurbereich nicht verleugnen kann, erliegt Henenlotter nicht – wie viele seiner deutschen Kollegen – der Versuchung, seinen Film in einen verkrampften, unkomischen Splatterslapstick zu verwandeln, sondern hält sich gerade hier stark zurück. Ganz auf seine Geschichte und seine Darsteller vertrauend.

Diese stammen überwiegend aus Henenlotters Bekanntenkreis oder von der Schauspielschule. Dort befand sich zu der Zeit auch Hauptdarsteller Kevin Van Hentenryck, dessen Duane Bradley zunächst auf Jahre hinaus seine einzige Rolle bleiben sollte. Er spielte diesen Charakter auch in den beiden Fortsetzungen 1990 und 1991, bevor er 2006 auch einmal eine kleine Rolle in einem anderen Film hatte. In der Zwischenzeit widmete er sich ganz der Bildhauerei. Vielleicht nicht die schlechteste Idee, denn zieht man seine Darstellung in „Basket Case“ in Betracht, so kann er nicht unbedingt zu den Besten in seiner Klasse gehört haben. Er spielt den Duane mit einer Mischung aus Passivität und dann wieder hektischem Overacting, insbesondere in seinen Szenen mit dem siamesischen Zwilling Belial. Irritierend ist auch der ständige Wechsel der Länge seines beeindruckenden Haarschopfes. Hier merkt man deutlich, dass die Dreharbeiten fast über ein Jahr gedauert haben, und Kevin Van Hentenryck zwischendurch mal zum Friseur gegangen ist. Trotz dieser Kritik muss man allerdings festhalten, dass Van Hentenryck sein Bestes gibt und gerade in seinem ernsthaften Bemühen eine seriöse Leistung zu zeigen, durchaus die Sympathien auf seiner Seite hat.

Auch die anderen Darsteller können kaum verhehlen, dass sie keine professionellen Schauspieler sind. Terri Susan Smith ist zwar nett und man möchte sie gerne in den Arm nehmen, doch sie hat die Tendenz ihre Texte mehr aufzusagen, als ihnen eine natürliche Färbung zu geben (zumindest in der O-Ton Fassung). Auch hilft die hässliche Perücke, die man ihr aufgesetzt hat – laut Henenlotter war sie damals Mitglied einer Punk-Band und hatte sich den Kopf rasiert – trägt augenscheinlich nicht dazu bei, ihr eine gewisse Unsicherheit vor der Kamera zu nehmen. Lloyd Pace legt seinen Dr. Needleman offensichtlich als Witzfigur an und übertreibt maßlos, während Diana Browne als Dr. Kuttler zunächst ungeheuer steif daherkommt, um dann um so theatralischer ihr Ende zu finden. Ein Vorteil hat die Besetzung mit Laien aber, um dem Hotel Broslin Authentizität zu verleihen. Duane Bradleys Mitbewohner in dieser heruntergekommen Absteige, scheinen wirklich dort zu wohnen und sorgen für ein realistisches Umfeld. Allen voran Beverly Bonner als Prostituierte mit Herz, Casey, und Joe Clarke als versoffener, diebischer Nachbar.

Unbestrittener Star des Filmes ist aber das Ding im Korb, der „unheimliche Zwilling“ Belial. Dieser ist ein unförmiger Fleischklumpen mit zwei langen Armen und klauenähnlichen Fingern. Belial ist zwar sehr primitiv, aber auch effektvoll gestaltet. Obwohl jederzeit als Puppe oder Teilkostüm zu erkennen, gelingt es Henenlotter trotzdem, seinem Belial eine Seele einzuhauchen, so dass er ein echter Teil der Darstellerriege wird. Henenlotter hält sich auch an eine der elementarsten Regeln des Horrorfilms, und zeigt sein Monster nicht zu früh. So wird Spannung aufgebaut und gerade die frühen Szenen, in denen Belial nur schemenhaft zu erkennen ist, sind tatsächlich gruselig geraten. Aber auch später, wenn man Belial in seiner ganzen Pracht sieht, macht er trotz (oder gerade wegen) seiner doch recht kruden Machart einen guten Eindruck. Man sieht, dass seine Schöpfer viel Liebe in ihre Kreation gesteckt haben. Und auch eine hübsche Stop-Motion-Animation mit Belial trägt dazu bei, dem Film einen ganz besonderen Charme zu geben. Von Charme kann bei den drastischen Splatterszenen zwar nicht die Rede sein, doch diese sind, wie bereits erwähnt, dermaßen übertrieben ausgefallen, dass sie weniger düster-beängstigend, sondern eher irrwitzig-belustigend ausgefallen. Dass gerade die Special Effects im Vergleich zu dem Rest des Filmes so professionell wirken, hat wohl auch damit zu tun, dass die führenden Köpfe dabei – John Caglione und Kevin Haney – junge, sehr engagierte Künstler waren, die nach diesem Film auch zu Recht Karriere gemacht haben und später bei vielen Blockbustern und Kultfilmen an Bord waren und noch sind.

Seinen besonderen Reiz bezieht „Basket Case“ aus seiner dreckigen Atmosphäre, die die Stimmung im New York der späten 70er, frühen 80er – ähnlich wie z.B. „Maniac“ – sehr authentisch einfängt. Die heruntergekommen Hotels und die 42nd Street mit seinen Grindhouse-Kinos, Sexclubs und dem Drogenhandel auf offener Straße. Einmal wird Duane von einem Dealer angesprochen, der ihm eine Zeitlang folgt und dabei ununterbrochen seine Waren anpreist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies nicht gespielt, sondern nur zufällig von der Kamera eingefangen wurde, also echt ist. Selbst die Szenen zu Fuße der Freiheitsstatue strahlen keine Romantik aus, sondern eher den herben Charme einer hundekotverseuchten Wiese. Die Stadt ist neben Duane und Belial beinahe schon so etwas wie der dritte Hauptdarsteller. Daher ist „Basket Case“, neben all seinen anderen Meriten, auch ein interessantes Zeitdokument.

„Basket Case“ in ein kleiner Low-Budget-Film mit einem großen Herz. Er lebt einerseits vom Enthusiasmus seiner Macher und der liebevollen Gestaltung seines Monsters, andererseits aber auch von der maroden Stimmung im New York der frühen 80er. Ernst nehmen sollte man den Film nicht, aber das tut er selber auch zu keiner Sekunde. Mit seiner abstrusen Geschichte und dem unterschwelligen Witz gehört „Basket Case“ zu Recht zu den Klassikern des alternativen Mitternachtskinos.

Die Blu-ray aus dem Hause CMV lässt den Film in einem Glanz erstrahlen, den man kaum für möglich gehalten hätte. Regisseur Frank Henenlotter hat die original 16mm-Negative gefunden und als Grundlage für die Blu-ray verwendet. Dabei hat er das Format auch bei 4:3 belassen, da – wie er selber in der Einführung erläutert – die Anpassung an das heute gängige 16:9-Format einfach schrecklich ausgesehen hätte. Schade, dass nicht alle so denken, das würde dem Filmfreund eine Menge Kummer ersparen. Und man muss zugeben, dass es wohl kaum einen 16mm-Film gab, der im Heimkino so gut aussah. Der Ton ist auch kraftvoll und überzeugend. Und die Extras lassen dem geneigten Zuschauer die Augen übergehen und versammeln fast (es fehlt nur das 20-minütige Feature „Grisly Graham Humpreys“ von der UK-Blu-ray) alles, was bisher auf der UK-Blu-ray von Second Sight („The Trilogy“) und der US-DVD von Something Weird zu finden war. Neben einem Audiokommentar Regisseur Frank Henenlotter und Produzent Edgar Ievins, gibt es noch eine Einführung in den Film von Frank Henenlotter, in dem er über den HD-Transfer für die Blu-ray spricht (2:26 Minuten). Des weiteren: „In Search for Hotel Broslin“, eine 15-minütige Doku in der Henenlotter und der New Yorker Rapper R.A. The Rugged Man (mit dem er 2008 gemeinsam das Drehbuch zu „Bad Biology“ schrieb) sich auf die Suche nach den damaligen Drehorten machen. Das 7-minütige „Beverly Bonner’s Laugh Track“ enthält einen Ausschnitt aus einer TV-Show von Casey-Darstellerin Beverly Bonner. Die Show ist sehr, sehr billig und ist scheinbar für das New Yorker Äquivalent des „Offenen Kanals“ entstanden. 6-Minuten „Outtakes“ sind sehr nett anzusehen und mit einem ziemlich tollen Song untermalt, von dem ich Titel und Interpret leider nicht herausfinden konnte. 7-Minuten „Ein Blick hinter die SFX-Kulissen“ zeigen SFX-Spezialist Gabriel Bartalos, der den Belial in „Basket Case“ Teil 2 und 3 entworfen hat, bei einer recht netten Tour durch sein Studio. Es gibt noch Radiospots, Radiointerviews (8:55) und ein kleines Feature über die Besonderheiten der deutschen Fassung, sprich den deutschen Vorspann und eine Szene, indem durch das spiegelverkehrte Einsetzten einer Einstellung ein Anschlussfehler korrigiert wurde. Das Herzstück der Extras ist aber eine 87-minütige Doku namens „What’s in the basket?“, in der im Detail auf alle drei „Basket Case“-Filme eingegangen wird und sich Henelotter sehr selbstkritisch zum Teil 3 äußert. Überhaupt ist Frank Henenlotter sehr sympathisch und ein sehr guter Erzähler, was die Extras mit ihm noch zusätzlich aufwertet. Alles in allem: Eine perfekte Präsentation des Filmes „Basket Case“.

Ich sollte jetzt vielleicht auch noch einmal „Frankenhooker“ eine zweite Chance geben.

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2 Antworten zu Blu-ray-Rezension: “Basket Case”

  1. Malina sagt:

    ohja! für eine zweite chance für ‚frankenhooker‘!

  2. Romay sagt:

    Ich kann mich Malina nur anschließen. Gib „Frankenhooker“ eine zweite Chance. Der ist bewußt schundig, sehr schrill und inwzwischen mit einer Freigabe „ab 16“ ungeschnitten und für wenig Geld zu bekommen.

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