DVD-Rezension: “Prisoners of War”

Der Südkoreaner Jun-shik Kim und der Japaner Tatsuo Hasegawa wachsen zusammen im japanisch besetzten Korea auf. Sie eint die Begeisterung für den Marathonlauf, aber sie trennt die unterschiedliche Herkunft. Als Tatsuos Großvater bei einem Bombenattentat stirbt, wird Tatsuo vor Hass auf die Koreaner fast wahnsinnig. Als Jun-shik Kim ihn dann auch noch bei einem Marathon besiegt, kommt es zum Eklat. Obwohl Kim gewonnen hat, wird Tatsuo zum Sieger erklärt. Nach einem Handgemenge zwischen den Japanern und Koreanern werden Kim und seine Freunde von der japanischen Armee zwangsverpflichtet und in die Mongolei zum Kampf gegen die Russen  deportiert. Dort können Kim und seine Freunde gerade noch mit dem Leben davonkommen, aber Tatsuo ist mittlerweile zum Hauptmann befördert worden und wird ebenfalls in die Mongolei geschickt. Dort errichtet der verblendete Tatsuo ein wahres Schreckensregime…

1999 war die Actionfilm-Welle aus Asien, die mit Werken von z.B. John Woo und Tsui Hark Mitte der 80er Jahre die ganze Welt überrollt hatte, zum Halten gekommen. Hongkong hatte im Zuge der Rückgabe der Kronkolonie 1997 an China seine meisten bedeutenden Filmemacher an die USA verloren. Der Rest fabrizierte vornehmlich auf Westen getrimmten 08/15-Action von der Stange. Lediglich Johnny To war hier und da für einen Überraschung gut, doch Ende der 90er produzierte er immer häufiger romantische Komödien.

Da erschien plötzlich Südkorea mit einem gewaltigen Knall auf der internationalen Filmbühne. „Shiri“ hieß das Werk, das den Startschuss für eine, bis heute anhaltende, Welle von international erfolgreichen Genrefilmen gab. In der Folgezeit startete nicht nur das international angesehene Regie-Genie Kim Ki-Duk mit seinem Meisterwerk „Seom – Die Insel“ (2000) durch, mit „Shiri“ wurde auch der Grundstein für die Erfolge von Chan-wook Park („OldBoy„, 2003) und Joon-ho Bong („Memories of Murder„, 2003) gelegt.

Der Regisseur von „Shiri“ hieß Je-kyu Kang, der in der Folgezeit auch den modernen Kriegsfilm-Klassiker „Brotherhood“ schuf. Danach nahm er sich eine Auszeit von sieben Jahren und meldete sich dieses Jahr auf der Berlinale mit seinem vierten Spielfilm zurück: „My Way“, der unter dem Titel „Prisoners of War“ jetzt von Splendid auch in Deutschland auf DVD und BluRay veröffentlicht wurde.


Also wieder ein Kriegsfilm. Dazu noch mit 24 Millionen US-Dollar der aufwendigste und teuerste in der koreanischen Geschichte. Mit viel Pathos erzählt Je-kyu Kang die Geschichte zweier Männer, die seit der Kindheit zwar durch ihre gemeinsame Leidenschaft für den Marathonlauf vereint, aber durch den „Rassenhass“ der Japaner doch auch getrennt sind. Während Dong-gun Jang den schier unbesiegbaren, heldenhaften Südkoreaner Jun-shik Kim spielt, gibt Jô Odagiri in der Rolle des fanatischen, japanischen Herrenmenschen Tatsuo Hasegawa ordentlich Gas. Er geht so sehr in seiner Rolle auf, dass man ihn nur zu gerne hasst. Auch wenn seine Darstellung immer mal wieder die Grenze zur Karikatur überschreitet. Teuflischer noch gebiert sich sein Adjutant Noda, der von Tarô Yamamoto mit unangenehmer Schlangenhaftigkeit gespielt wird. Gegenüber diesen Monstren wirkt der Held Je-kyu Kang natürlich noch edler, aber gleichzeitig auch langweiliger. Zumindest muss man aber konstatieren, dass Dong-gun Jang in seiner Rolle ausgesprochen sympathisch rüber kommt. Die anderen Nebendarsteller bleiben, bis auf Kim In-gwon als koreanischer Überläufer „Anton“, unscheinbar. Kim In-gwon hat allerdings auch eine sehr dankbare Rolle zugewiesen bekommen. Vom lustigen Dicken Lee Jong-dae wandelt er sich, im sowjetischen Kriegsgefangenenlager mit etwas Macht ausgestattet,  überzeugend zu einem brutalen, wenn auch tragischen Mitläufer „Anton“.

Die Idee, die Protagonisten zu zwingen, in immer wieder anderer Uniform von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz (Mongolei, Ostfront, Normandie) ziehen zu lassen und dort um ihr Leben zu kämpfen, eröffnet dem Film die Möglichkeit zu wahrlich spektakulären, mitreißenden Actionsequenzen. Hier zieht Regisseur Je-kyu Kang alle Register und lässt den Zuschauer förmlich atemlos zurück. Auch wenn nicht jeder CGI-Effekt perfekt sitzt (Explosionen, Flugzeuge etc.), so hat man doch keine Zeit darüber nachzudenken und wird bereits in die nächste gnadenlose Kampfszene geworfen. Die hohe Kunst der mitreißenden Actioninszenierung beherrscht Je-kyu Kang also aus dem Effeff. Woran es hier und da hapert, ist das Drehbuch.

Während in der ersten Hälfte Koreaner und Japaner noch im stereotypischsten schwarz-weiß gezeichnet werden, so bemüht sich das Drehbuch dann immerhin in der zweiten Hälfte um Ausgewogenheit. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte gewaltige Lücken aufweist. Manche Handlungen der Protagonisten sind einfach nicht zu verstehen und allein dem Klischee ihrer Rolle geschuldet. Gänzlich abstrus ist dann der Charakter einer chinesischen Scharfschützin, die sich am Ende zwar heroisch, aber auch schlichtweg dämlich verhält. Auch Tatsuo Hasegawas Wandlung vom Saulus zum Paulus erscheint übereilt. Insbesondere bleibt nicht nachvollziehbar, warum Jun-shik Kim Tatsuo, trotz dessen scheußlicher Verbrechen und seiner Verbohrtheit, immer wieder unter Einsatz seines Lebens rettet. Dies ist zwar für die zweite Hälfte des Filmes zwingend wichtig, wirkt aber zum Teil arg konstruiert. Ebenso wie der Umstand, dass die beiden Protagonisten unter den widrigsten Bedingungen immer wieder überleben und am Ende sogar in die Deutsche Wehrmacht integriert werden. Hier gehorcht der Film dann nur noch den Regeln des Actionfilmes. Mit dem ernsthaften Ansatz eines realistischen Anti-Kriegsfilms hat das nichts zu tun, auch wenn der Film sich fortwährend diesen Habitus gibt.

Doch aller Kritik zum Trotz, muss festgehalten werden, dass „Prisoners of War“ als reines Action-Spektakel mit angedeutetem Tiefgang sehr gut funktioniert. Zudem ist seine Grundaussage, dass Menschen nicht durch Herkunft oder Uniform definiert werden, sondern allein dadurch, was sie aus sich machen, sehr sympathisch. Und die finale Szene sorgt sogar für etwas Gänsehaut. Dass der Film aber von wahren Ereignissen inspiriert wurde, ist natürlich Quatsch. Allein das Bild eines Koreaners in Deutscher Wehrmachtsuniform hat die Fantasie der Filmemacher beflügelt. Diese führte aber zu einem guten Actionfilm mit einer spannenden Geschichte, der seine eigenen hohen Ansprüche allerdings verfehlt.

Neben zahlreichen Trailern für das Spendid-Programm, finden sich auf der gelungenen DVD noch 5 Minuten Interviews mit Dong-gun Jang und Je-kyu Kang, sowie ein 9-minütiger Blick auf die Dreharbeiten. Das Bild lässt ebenfalls keine Wünsche offen, die deutsche Synchronisation ist okay. Für die Originalfassung stehen gut lesbare, deutsche Untertitel zur Verfügung. Die Originalfassung ist dabei allein schon aufgrund des Sprachgewirrs aus Koreanisch, Japanisch, Russisch und Deutsch zu bevorzugen. Zudem ist diese Spur sehr gut abgemischt.

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