Vorschau: Das 29. Internationale Filmfest Oldenburg – Tribute an Andrea Rau und weitere Filme

Nach der Retrospektive hat das Internationale Filmfest Oldenburg nun auch sein Tribute bekannt gegeben.

Es gilt der Schauspielerin Andrea Rau, einer der drei Hauptdarstellerinnen eines meiner absoluten Lieblingsfilme: „Blut an den Lippen“ von Harry Kümel. Wie sehr mir dieses Wunderwerk des Vampirfilms am Herzen liegt, kann man hier nachlesen. Kein Wunder also, dass ich mich über dieses Tribute ganz besonders freue.

Andrea Rau wird vom 14. bis zum 18. September zu Gast in Oldenburg sein. Im Rahmen des Tribut werden folgende Filme gezeigt:

»Daughters of Darkness« (BEL/USA/CAN 1971, Regie Harry Kümel)
»Eins« (GER 1971, Regie Ulrich Schamoni)
»Quartett im Bett« (GER 1968, Regie Ulrich Schamoni)
»It’s Nothing Mama just a Game« (ESP 1974, Regie José María Forqué)

Auch die weiteren Filme des Festivalprogramms wurden bekannt gegeben.
Da bisher leider nur die Titel, Länder und Filmemacher genannt wurden und sonst noch keine Infos vorliegen, habe ich mal selber in der IMDb recherchiert und – wo vorhanden – den Inhalt herausgesucht.

Der Rote Berg, Deutschland 2022, Timo Müller – Powerful images of tree and stone are swirled together with the train of thought of a philosopher, hermit and outright weirdo. This is connected with some young people who have free time and the freedom to just roam around.

Linoleum, USA 2022, Colin West (Internationale Premiere) – Comedy/Drama – Powerful images of tree and stone are swirled together with the train of thought of a philosopher, hermit and outright weirdo. This is connected with some young people who have free time and the freedom to just roam around.

Brothers, Kasachstan 2022, Darkhan Tulegenov (Europapremiere) – Drama – keine weiteren Infos

Ramona, Spanien 2022, Andrea Bagney (Deutschlandpremiere) – Ramona met her boyfriend while she was in a chance encounter. Soon she finds out that he’s the director of a film in which she is vying for a lead role. This made Romana questioning herself and her cosy life with her boyfriend.

Rodeo, Frankreich 2022, Lola Quivoron (Internationale Premiere) – Drama – Julia -a young misfit who is passionate about riding- meets a crew of dirt riders who fly along at full speed and perform stunts. She sets about infiltrating their male-dominated world, but an accident jeopardises her ability to fit in.

Echo, Deutschland 2022, Mareike Wegener – Drama – Detective Harder takes on her first case after surviving a bomb attack during a police training mission in Afghanistan. The remains of a girl are discovered in a moor near the small German town of Friedland. But Harder’s investigation falters from the outset – not least due to the discovery of a live bomb dating to the Second World War, which throws the Friedlanders and Harder herself into turmoil.

Der Skorpion, Deutschland 2022, Romy Steyer (Weltpremiere) – Unauffindbar

Paradise Highway, USA 2022, Anna Gutto (Deutschlandpremiere) – A truck driver has been forced to smuggle illicit cargo to save her brother from a deadly prison gang. With FBI operatives hot on her trail, Sally’s conscience is challenged when the final package turns out to be a teenage girl. – Mit Juliette Binoche, Morgan Freeman und Frank Grillo.

A Woman, Frankreich 2022, Jean-Paul Civeyrac (Deutschlandpremiere) – Drama, Follows Juliane Deroux, a police superintendent of great moral integrity, but she begins to carry out acts of which she would never have believed herself capable after discovering her husband is leading a double life. – Mit Sophie Marceau.

The Gravity, Frankreich 2022, Cédric Ido (Europapremiere) – A mysterious cosmic event upsets the Earth’s gravity and creates chaos in a futuristic Parisian suburb.

Brutal Moods, Spanien 2022, Marta Bisbal Torres (Deutschlandpremiere) – Nichts gefunden, nicht einmal die Regisseurin. – Danke Manfred (siehe Kommentare) für die weiterführenden Infos. Von der Homepage der Filmemacherin: „2022. Found footage film: colour, sound, 58 min. – What effect can architecture have on the individual, whether on a physical, mental or emotional level, and how does it influence the dynamics of social interaction that occur both in public and private spaces? (..)  Based on found footage, Brutal Moods explores how cinema has represented Brutalist buildings in its fictional stories, and to what extent it has contributed to generate the different dystopian imaginaries with which this architectural movement is associated today.“

Aberrance, Mongolei 2022, Baatar Batsukh (Internationale Premiere) – Horror, Thriller – When city dwellers Erkhmee and Selenge arrive at an old cabin deep in the Mongolian wilds, a foreboding settles over the couple. Erkhmee’s seemingly keen desire to provide a safe and nurturing space for his artistic wife is at odds with the violent actions and mannerisms their quizzical neighbor observes. As the neighbor digs deeper for the reason behind this aberrant behavior, only more questions and trouble arise.

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Vorschau: Das 29. Internationale Filmfest Oldenburg – Retrospektive für Peter und John Hyams

Wow! Wieder einmal beweist das Internationale Filmfest Oldenburg nicht nur guten Geschmack, sondern ehrt Filmemacher, die normalerweise eher in der zweiten Reihe stehen, trotzdem aber einen festen Fan-Keis haben, der ihre Qualitäten sehr zu schätzen weiß.

Peter.. wer? Peter Hyams! In den 70ern drehte Peter Hyams den wundervollen Paranoia-Thriller „Unternehmen Capricon„, die Geschichte einer vorgetäuschten Marslandung. In den 80ern feierte große Erfolge mit seinen Science-Fiction- und Action-Filmen „Outland – Planet der Verdammten“ (großartig!) und der „2001“-Fortsetzung (das muss man sich erst einmal trauen) „2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen„, „Diese Zwei sind nicht zu fassen“ und „Presidio„. In den 90ern hatte er ein Comeback mit zwei der besten Jean-Claude-Van-Damme-Actioner: „Timecop“ und „Sudden Death„, sowie der Preston/Child-Adaption „Das Relikt“ und dem Schwarzenegger/Horror-Film „End of Days„. In den letzten Jahren war es still um ihn, bis „Enemies Closer“ ihn 2013 noch einmal mit Jean-Claude Van Damme wiedervereinigte.

Dafür hörte man umso mehr von seinem Sohn John Hyams, der – nicht nur aber besonders – lautstark von der deutschsprachigen Cinephilie entsprechend als DIE neue und aufregendste Stimme im Actionfilm hymnisch gefeiert wurde. Nicht überraschend begann John seine Karriere 2002 mit einer Dokumentation über den charismatischen MMA-Kämpfer Mark Kerr, „The Smashing Machine„. 2009 folgte die ebenso kontroverse wie vielbeachtete Wiederbelebung der „Universal-Soldier-Reihe“:  „Universal Soldier: Regeneration« und 2012 sein umstrittenes Meisterwerk „Universal Soldier: Day of Reckoning„.

In den letzten Jahren war John Hyams bereits mit der Baseball-Komödie „All Square“ (2018) und dem Thriller „Alone“ (2020, Rezi hier) in Oldenburg vertreten.

John Hyams wird vom 14. bis zum 18. September zu Gast beim Internationalen Filmfest Oldenburg sein.

Als besonderes Highlight wird Peter Hyams im Rahmen eines großen virtuellen Live-Gesprächs mit Peter und John Hyams nach Oldenburg zugeschaltet. Das Gespräch wird ohne Paywall allen Interessierten zugänglich gemacht werden.

Im Rahmen der Retrospektive werden in Oldenburg gezeigt:

»Capricorn One / Unternehmen Capricorn« (USA 1978, Regie Peter Hyams)
»Outland« (USA 1981, Regie Peter Hyams)
»Narrow Margin« (USA 1990, Regie Peter Hyams)

»One Dog Day« (USA 1997, Regie John Hyams)
»The Smashing Machine« (USA 2002, Regie John Hyams)
»Universal Soldier: Regeneration« (USA 2009, Regie John Hyams)
»Universal Soldier: Day of Reckoning« (USA 2012, Regie John Hyams)
»Alone« (USA 2020, Regie John Hyams)
»Sick« (USA 2022, Regie John Hyams)

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Vorschau: Das 29. Internationale Filmfest Oldenburg – Erste Filme angekündigt

Das Internationale Filmfest Oldenburg steht wieder vor der Tür. Vom 14. bis 18. September werden auf dem für mich schönsten und wichtigsten Filmfestival wieder Filme aus allen Ländern gezeigt mit Schwerpunkt auf Regiedebüts und Independent-Kino. Vor einigen Tagen wurden bereits die ersten Filmankündigungen veröffentlicht. Ich übernehme diese mal 1:1 aus der Pressemitteilung, habe sie aber nach meiner ganz persönlichen „Must-see“-Reihenfolge von „muss ich unbedingt gucken“ bis „ja, falls parallel nichts von weiter oben läuft“ sortiert. Ausgenommen habe ich den Haupt-Kracher des Festival, den neuen Film von Park Chan-wook: „Decicion to Leave“, da dieser sicherlich auch regulär ins Kino kommen wird, sowie die „Tatort“-TV-Produktionen, wobei mich „Leben Tod Ekstase“ von Nikias Chryssos, dessen „Der Bunker“ (Rezi hier) ich sehr schätze, durchaus interessiert. Auffällig ist dieses Jahr die hohe Anzahl von Filmen aus der sogenannten „Dritten Welt“. Was ich sehr begrüße. Jetzt hoffe ich nur noch, dass mit dem nächsten Schwung Filmankündigungen noch ein paar ein osteuropäische und skandinavische Filme dazu kommen.

Murmur, USA 2022, Mark Polish (Weltpremiere)
Indie-Autor Mark Polish kehrt mit seiner neuesten Regiearbeit nach Oldenburg zurück: eine mahnende Geschichte, die über technophobischen Horror hinausgeht. „Murmur“ ist eine bahnbrechende neue App, die von einer kleinen Gruppe technisch versierter Teenager und aufstrebender Social-Media-Stars getestet wird, angeführt von Tiger (Logan Polish). Sie machen sich auf den Weg, um das Spiel in freier Wildbahn zu testen und finden sich bald in einer Zwischenwelt aus Realität, Fantasie und Angst wieder. Die verführerische Gamebox, die unsere geheimsten Erinnerungen erfasst, speichert und sogar verkauft, kann wahrhaft erschreckend sein. Und tödlich.

Junk Space Berlin, Germany 2022, Juri Padel (Weltpremiere)
Durch das dystopische Berlin von Morgen zieht sich ein unerklärlicher Riss, der die Stadt entzwei teilt. Als die Outsiderin Billie dabei verschwindet, versucht ihre Freundin Marion mit Hilfe der ehemaligen Aktivistin und Hackerin Blue, ihrer digitalen Spur, die sich irgendwo im Riss zu verlieren scheint, zu folgen. Doch je näher sie Billie kommen, desto tiefer dringen sie in die marginale Abweichung der Wirklichkeit vor. Aber wohin führt sie Billies Spur?

The City, Japan 2022, Katsuki Kuroyanagi (Weltpremiere)
Der Debütfilm von Katsuki Kuroyanagi stammt aus dem Herzen von Tokios berühmtem Shibuya-Viertel. In den dunklen Tiefen des gut geölten kriminellen Untergrunds regiert GOD (Kiyohiko Shibukawa) die Straßen. Und als einer seiner Killer Mist baut und auf der Flucht ist, nehmen GODs Schergen die Verfolgung auf, um sich zu rächen. Katsuki verbrachte sieben Jahre damit, den komplexen und kriminellen Puls des Bezirks einzufangen, der als weltweites IT-Zentrum und als japanische Hauptstadt der Nachtclubs und Trends bekannt ist. Das Leben auf der Straße ist ein wilder und sich ständig verändernder Überlebenskampf. Mit einem Budget von nur 6.500 USD und in Schwarz-Weiß gedreht, ist Katsukis Film Noir eine Punk-Symphonie der Straße, gewidmet den Menschen in jeder Stadt.

Alma Viva, France 2022, Cristèle Alves Meira (Internationale Premiere)
Wie jeden Sommer kehrt die kleine Salomé in den Ferien für einen Sommer zu ihrer geliebten Großmutter nach Portugal in ihr Familiendorf zurück. Es ist das Portugal der Sonne, der Tänze, der Nachmittage beim Angeln im Fluss. Aber es ist auch das Portugal der Zaubersprüche, Geister und Toten. Die Ferien beginnen unbeschwert, als plötzlich ihre geliebte Großmutter stirbt. Während sich die Erwachsenen wegen der Beerdigung zerfleischen, entdeckt Salomé ein beunruhigendes Vermächtnis; Sie hat die übersinnlichen Fähigkeiten ihrer Großmutter geerbt, die im Dorf als Hexe galt. Alma Viva wurde 2022 beim Festival in Cannes uraufgeführt.

Subject 101, Germany 2022, Tom Bewilogua (Weltpremiere)
Im Spielfilmdebüt von Tom Bewilogua sucht ein obdachloser Migrant, der in einem von der Regierung finanzierten Wohnprojekt lebt, einen Neuanfang bei einer multinationalen Zeitarbeitsfirma – doch die hat ganz andere Pläne mit ihm. Ganz im Geiste von Klassikern wie „The Manchurian Candidate“ ist Subjekt 101 nur eine Marionette in einem Albtraum Orwellschen Ausmaßes. Verzweifelt versucht er zu verstehen, wie er Teil eines unmenschlichen Experiments wurde. Er taucht tief in den Kaninchenbau ein, um die Wahrheit aufzudecken und sein eigenes Leben zu retten.

The Prank, USA 2022, Maureen Bharoocha (Internationale Premiere)
Ben braucht gute Noten, um ein Stipendium zu bekommen. Seine verwitwete Mutter Julie ist nicht in der Lage, das Schulgeld für ihn zu bezahlen. In der Schule droht seine Physiklehrerin Mrs. Wheeler damit, die gesamte Klasse durchfallen zu lassen, nachdem sie herausgefunden hat, dass jemand bei der Zwischenprüfung geschummelt hat. Frustriert schmieden Ben und sein bester Freund Tanner den Plan, Mrs. Wheeler online zu diskreditieren, indem sie ihre Lehrerin des Mordes an einem vermissten Schüler bezichtigen.

Our Father, The Devil, USA 2022, Ellie Foumbi (Internationale Premiere)
Marie Cissé (Babetida Sadjo) arbeitet als Chefköchin in einem Altersheim in einer französischen Kleinstadt. Ihr einfacher Alltag, in dem sie sich um die Bewohner kümmert, mit ihrer Kollegin und besten Freundin Nadia (Jennifer Tchiakpe) abhängt und mit einer möglichen neuen Romanze liebäugelt, wird durch die Ankunft von Pater Patrick (Souléymane Sy Savané) gestört, einem afrikanischen Priester, den sie aus einer schrecklichen Episode in ihrem Heimatland wiedererkennt. Während er sich bei den Bewohnern und dem Personal immer mehr einschmeichelt, muss Marie entscheiden, wie sie am besten mit dieser Erinnerung an ihre schwierige Vergangenheit umgehen soll.

The Black Guelph, Irland 2022, John Connors (Weltpremiere)
Inspiriert von Dantes Inferno schöpft John Connors – Irlands einziger Filmemacher, der der ethnischen Minderheit der Traveller angehört (Minceir) – aus dem wirklichen Leben, um dem historischen Stillschweigen über die Unterdrückung und den systematischen klerikalen sexuellen Missbrauch von Generationen seiner Sippe eine Stimme zu geben. Graham Earley spielt die Hauptrolle des Canto: ein 30-Jähriger, der mit Drogen dealt, um seine Rechnungen zu bezahlen, und gleichzeitig entschlossen ist, sich als würdiger Familienvater zu beweisen.

Parsley, Dominikanische Republik 2022, José María Cabral (Europapremiere)
Die junge Haitianerin Marie lebt mit ihrem dominikanischen Ehemann Frank im Jahr 1937 nahe der Grenze der Dominikanischen Republik zu Haiti. In der Nacht nach der Beerdigung ihrer Mutter wird sie von Schreien aus dem Dorf geweckt. Die Regierung hat die sofortige Hinrichtung aller Haitianer auf dominikanischem Land angeordnet. Cabrals Film erzählt die Geschichte eines Völkermords aus der kleinstmöglichen Perspektive und erreicht darum eine selten erlebte Intensität.

Chaguo, Kenia 2022, Vincent Mbaya, Ravi Karmalker (Internationale Premiere)
Wendo und Mugeni stammen aus unterschiedlichen Stämmen in Kenia. Beide versuchen sich von der Politik ihrer Familien zu distanzieren, werden aber im Zuge eines immer hitziger werdenden Wahlkampfes in den politischen Strudel voller Standesdünkel und Intrigen hineingezogen. Eine kenianische Romeo und Julia Story vor dem Hintergrund des schwierigen Prozesses, demokratische Wahlen durchzusetzen in einem Land, das den Glauben an Vernunft und Gerechtigkeit in der Politik verloren hat.

We Don’t Dance for Nothing, USA/China 2022, Stefanos Tai (Europapremiere)
„La Jetée“ trifft auf „La La Land“ in dem Debütfilm des chinesisch-amerikanischen Filmemachers Stefanos Tai. Die Fotomontage ist ein Liebesbrief an die philippinischen Hausangestellten in Hongkong. Die visuelle Nachbildung wahrer Erinnerungen dieser Gemeinschaft von 400.000 Frauen folgt dem Plan einer Frau, wegzulaufen und der Unterdrückung zu entkommen. Inmitten der Proteste in Hongkong auf Super-16 aufgenommen, mischt Tai Standbilder mit Bewegungen, um die Gefangenschaft dieser marginalisierten Frauen zu unterstreichen und ihre leidenschaftliche Befreiung in die Freiheit hervorzuheben, wenn sie jeden Sonntag an ihrem freien Tag in einem Land weit weg von zu Hause Street Dance tanzen.

Zoo Lockdown, Österreich 2022, Andreas Horvath (Deutschlandpremiere)
Der österreichische Filmemacher Andreas Horvath hat den Lockdown im vergangenen Jahr zum Anlass genommen, die Tiere im Salzburger Zoo zu beobachten und in der Essenz dieses Films verliert sich die Frage, ob nun Zuschauer das Leben dieser Kreaturen begleiten oder nicht, in Bedeutungslosigkeit. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass ein Leben in Gefangenschaft, ein Leben ohne Freiheit immer der schwerwiegendste Eingriff in das Leben eines Individuums ist. Die Gemeinschaft, oder im Falle des Zoos die Spezies, die es zu schützen gilt, verliert sehr viel ihres theoretischen Gewichts, angesichts der Bilder, die Horvath findet. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie mutet der Blick in die Augen dieser Wesen für uns an wie ein Blick in den Spiegel.

Way Out Ahead of Us, USA 2022, Rob Rice (Deutschlandpremiere)
Rob Rice erforscht in seinem Spielfilmdebüt die persönlichen und politischen Ökonomien von Katastrophe und Gemeinschaft in Amerika. In einer verarmten Kleinstadt in der Wüste hält ein Mann seine unheilbare Krankheit vor seiner Tochter geheim, um ihre Pläne, in die Stadt der Träume – Los Angeles – zu ziehen, nicht zu vereiteln. Ausgehend von seinem eigenen Leben erzählt Rice vom Überlebenskampf einer marginalisierten Gemeinschaft von Menschen in der perversesten und gleichgültigsten politischen Ökonomie der Welt – Amerika.
Zoo Lockdown feierte seine Weltpremiere beim diesjährigen Filmfest Karlovy Vary.

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Blu-ray-Rezension: „Tote Zeugen singen nicht“

Comissario Belli (Franco Nero) ist es nach einer spektakulären Verfolgungsjagd durch Genua gelungen, einen Kurier der libanesische Drogenmafia festzunehmen. Doch als dieser ins Polizeipräsidium gebracht werden soll, wird er von der Mafia zusammen mit den ihn begleitenden Polizisten und unschuldigen Zivilisten in die Luft gesprengt. Belli selber überlebt diesen Anschlag nur durch einen Zufall. Rasend vor Wut und fassungslos über die Skrupellosigkeit der Gangster, setzt Belli alles daran, die Mafiosi ihrer gerechten Strafe zuzuführen…

Lange hat es gedauert, bis „Tote Zeugen singen nicht“ (auch bekannt als „Straße zum Jenseits“) eine adäquate Veröffentlichung in Deutschland bekommen hat. Der Film zählt zu den wichtigsten Poliziotteschi und stellt die erste Zusammenarbeit zwischen Regisseur Enzo G. Castellari und Franco Nero da. Diese sollte sich als ausgesprochen fruchtbar erweisen und Filme wie „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ (Review hier) oder den grandiosen „Keoma“ (der auch einmal eine schöne Veröffentlichung verdient hätte) hervorbringen. Und gerade das Genre des Poliziotteschi sollte Castellari den Ruf eines hervorragenden Action-Regisseurs einbringen, welchen er später durch seine Endzeitfilme (die den Höhepunkt dieser kurzlebigen Welle im Gefolge von „Mad Max“ und „Die Klapperschlange“ darstellten) noch untermauern sollte. Während seine Inszenierung der Action ab der italienischen „Ein Mann sieht rot“-Variante „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ stark von den stilisierten, intensiven Zeitlupen-Eruptionen eines Sam Peckinpah geprägt sind, so ist diese bei „Tote Zeugen singen nicht“ erst im Ansatz vorhanden. Vielmehr scheint sich Castellari hier noch am harten Realismus von William Friedkins Klassiker „Brennpunkt Brooklyn“ alias „The French Connection“ zu orientieren, wenn er seinen Film mit einer atemlosen Verfolgungsjagd beginnt, die in ihrer Rasanz und knackigen Bodenständigkeit an die berühmte Auto jagt U-Bahn-Sequenz aus Friedkins Film erinnert.

„Tote Zeugen singen nicht“ ist einer der wichtigsten Filme für das Genre, denn er liefert die Blaupause für zahllose Nachzügler und Nachahmer, die unsere heutige Wahrnehmung des Poliziotteschi stark prägten. Und er war auch ein sehr wichtiger Film für einen Schauspieler, der hier gar nicht in Erscheinung tritt, nämlich Maurizio Merli, der zwei Jahre nach „Tote Zeugen singen nicht“ aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Franco Nero als ebenfalls blonder, schnauzbärtiger Commissario „Betti“ (statt Belli) für Marino Girolamis „Gewalt rast durch die Stadt“ gecasted. Kurz zuvor hatte er übrigens bereits Neros Nachfolge als Hauptdarsteller im dritten Teil der „Wolfsblut“-Reihe übernommen. Als jener „Betti“ war er noch zwei Mal unterwegs und spielte ansonsten harte Cops mit losen Fäusten und schnellen Waffen, die am Besten mit dem Titel seines 1978 von Stelvi Massi (der einige Filme mit Merli drehte) inszenierten „Il commissario di ferro“ gut charakterisiert werden können. Vergleicht man „Betti“ mit „Belli“, dann erkennt man neben den offensichtlichen Gemeinsamkeiten (aufbrausend und wütend, schlägt zu bevor er Fragen stellt, verbissen und fast schon besessen von der Jagd auf Kriminelle) auch deutliche Unterschiede. Während Merlis Figuren zumeist reaktionäre Stereotype sind, denen nur selten eine komplexere Hintergrundgeschichte vergönnt ist, und die schier unverwundbar wie eine Sense durch die italienische Unterwelt pflügen, ist Franco Neros Belli eine vielschichtige, kompliziertere Figur.

Belli mag aufbrausend, cholerisch und voller Wut sein. Er mag immer mit voller Härte am Rande der Legalität agieren. Aber dank Neros Drahtseil-Darstellung zwischen beinahe parodistischer (wobei er hier das Original zur Parodie darstellt) Stereotype mit Hang zum Overacting und ernsthaftem Drama scheint an jeder Stelle auch das an der eigenen Ohnmacht bitter Verzweifelnde durch das Gewand des harten Mannes. Belli ist kein strahlender Held. Der Job und die Unmöglichkeit etwas am korrupten System der italienischen Politik zu ändern, hat ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben. Doch seine Halsstarrigkeit, die Weigerung seine Niederlage, seine Impotenz etwas ändern zu können, anzuerkennen, haben auch sein soziales Leben beschädigt. Die Freundin wird von ihm aus nichtigen Anlässen angebrüllt, das ihn liebende Kind hat er weggeschickt. Nicht nur, weil er – zu recht – um dessen Sicherheit fürchtet, sondern weil es auch nicht in sein Leben passt, welches sich ganz dem Kampf gegen die Windmühle Organisiertes Verbrechen und den Verstrickungen der Legislative und Judikative mit eben jenem verschrieben hat. Dass er scheinbar nebenbei eine Abhängigkeit von Nasenspray entwickelt hat, ist Ausdruck seiner Getriebenheit.

Francos Belli wird die Figur des alten Commissarios Scavino, großartig gespielt vom leider noch immer viel zu unbekannten James Whitmore (immerhin zweimal für den Oscar nominiert), gegenüber gestellt. Während Belli drängt und sofort Resultate sehen will, ist Scavino abwartender, überlegter – will an die Leute hinter den kleinen Fischen heran. Was ihn aber auch verdächtig macht, mit eben jenen Schattenleuten zusammenzuarbeiten und Beweise zurückzuhalten. Die Zusammenstöße zwischen Belli und Scavino kumulieren in einer hitzigen Diskussion auf einem Waldparkplatz außerhalb der Großstadt. Hier zitiert Castellari den großartigen Mafiafilm „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ (Review hier) von Großmeister Damiano Daimani. In diesem Film spielt ausgerechnet Franco Nero den eher besonnenen, abwartenden Staatsanwalt, der mit den handfesten, und die Grenze des Legalen häufiger überschreitenden Methoden seines frustrierten Kommissars (gespielt von einem anderen Hollywood-Veteranen: Martin Balsam) ganz und gar nicht einverstanden ist. Die Besetzung von Fernando Rey als altes Mafia-Oberhaupt lässt wiederum an „Brennpunkt Brooklyn“ denken, was sicherlich von den Produzenten gewünscht war. Wenn Rey seine Rolle auch gänzlich anders anlegt ist als den Bösewicht in Friedkins Film. Sein Cafiero erinnert eher an Don Vito Corleone aus „Der Pate“. Ein Patriarch, dessen Zeit vergangen ist und dessen Position von jüngeren, skrupelloseren Gangstern eingenommen wird. Ein Thema, welches man in späteren Poliziotteschi immer wieder neu aufnehmen wird.

Castellari erzählt seine Geschichte nicht durchgehend linear. Immer wieder setzt er eine ausgefeilte Rückblendenstruktur ein. Ereignisse werden wiederholt, in die aktuellen Geschehnisse hinein geschnitten, wodurch Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschwimmen, sich im Kopf Bellis förmlich auflösen und so für ihn die Vergangenheit nie abgeschlossen ist. Gerade das tragische Finale erhält dadurch eine emotionale Wucht, welche sonst vielleicht verpufft wäre (gerade auch, weil in der schockierensten Szene ganz offensichtlich eine Puppe statt einer Stuntperson verwendet wird). So gelingt es Castellari aber, dem Zuschauer einen dicken Kloß in den Hals zu pressen. Ein weiterer Baustein für diese emotionale Mitnahme des Zuschauers ist die kongeniale Musik der Brüder De Angelis, mit denen Castellari noch häufiger zusammenarbeiten sollte. Die Musik aus „Tote Zeugen“ sollte nicht nur häufiger in anderen Poliziotteschi zu hören sein, sondern auch jeden Poliziotteschi-CD-Sampler zieren und 2007 von Quentin Tarantino in „Death Proof“ verwendet werden.

Mit der Nummer 18 ihrer „Polizieschi Edition“ hat filmArt nach „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ eine weitere, heiß ersehnte, auf 1000 Stück limitierte Veröffentlichung auf den Markt gebracht. Der Film ist einer der einflussreichsten Vertreter des Genres, welches der Edition seinen Namen gab und daher erfreut die technisch wieder einmal höchst gelungene Umsetzung. Bild und Ton (Deutsch, Englisch und Italienisch) sind ausgezeichnet. Deutsche Untertitel sind ebenfalls vorhanden. Als Extras wurden ein englischer Trailer; eine Filmfassung mit alternativem Ende (in HD) – Spoiler: Das alternative Ende bricht vor dem offiziellen Ende ab, enthält also kein alternatives Material und wirkt wie das ursprünglich intendierte; eine Bildergalerie; diverse, internationale Vorspänne in unterschiedlichsten Qualitäten; sowie eine Trailer-Show. Das umfangreiche und informative 20-seitige Booklet wurde von Michael Cholewa geschrieben, der einst mit Karsten Thurau das deutschsprachige Standardwerk zum Poliziotteschi, „Der Terror führt Regie“, verfasst hat.

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Lamento: Ein Dinosaurier in Warschau oder Das Ende des Offline-Shoppings in Polen

Als ich 2006 anfing der Liebe wegen regelmäßig nach Warschau zu fahren, war ich begeistert von dem Angebot an Filmen hier. In den meisten Läden füllten DVDs mit polnischen Filmen viele Regalmeter, und die meisten hatten englische Untertitel. Für mich war damals der polnische Film noch „Terra incognita“. Doch hier fand ich wunderbare Zusammenstellungen an polnischen Dokumentarfilmen, Animationsfilme, gut kuratierte (in der Bildqualität heute leider nicht mehr so ansehnliche) Editionen mit den wichtigsten Filmen der „Polnischen Filmschule“ der späten 50er und frühen 60er. Und natürlich Wajda bis zum Abwinken, aber auch andere wichtige polnische Werke (die dann leider häufig, aber nicht immer ohne Untertitel). Aber auch die gerade aktuellen Filme nahm ich gerne mit und lernte so Regisseure wie den großartigen Wojciech Smarzowski kennen.

Zunächst „lebte“ ich von Tipps, die mir meine Freundin/Verlobte/Ehefrau gab. Später studierte ich intensiv das Programm der Polnischen Filmfestivals in Deutschland und vor allem von dem in Gdynia. Auch in die polnische Filmgeschichte grub ich mich immer tiefer ein. Jeder Besuch in Warschau war ein Quell der Freude, da es immer wieder etwas Neues zu entdecken gab. Und natürlich machte die Jagd nach einzelnen Titeln auch ungeheuren Spaß. In den Jahren wurde dies aber im frustrierender, denn die oben angesprochen Regalmeter schrumpften, die tollen Reihen mit Klassikern o.ä. wurden eingestellt und DVDs, die älter als ein Jahr waren, waren plötzlich nicht mehr erhältlich. „Traffic“, wo ich gerne mal schaute, machte zu. Im größten und bestsortierten „Empik“-Läden (so etwas wie unser Thalia, aber mit sehr viel größerem Sortiment  auch an Musik und Film) wurde die Auswahl an DVDs immer kleiner.

Dasselbe galt übrigens auch für CDs. Ich habe eine Leidenschaft für polnischen Jazz entwickelt. Und am Anfang war das toll. Da gab es im angesprochen „Empik“ einen eigenen Raum für Jazz und Klassik, wo man alles bekam. Und Abspielstationen, wo man die CDs probehören konnte. Da habe ich Stunden mit Stapeln von Jazz-CDs in der Hand verbracht und gehört und vor allem entdeckt. Diese Stationen waren das erste Opfer. Dann verschwand plötzlich der ganze Raum. Und die Auswahl immer von Jahr zu Jahr immer kleiner. Letztes Jahr war der große „Empik“-Headstore in der Marszałkowska plötzlich ebenfalls verschwunden. Drei Etagen… weg. Heute ist da ein Billig-Laden mit heruntergesetzter Textil-Ware drin. Aber auch anderswo verschwanden Ton- und Bildträger. Media Markt hat zum größten Teil gar keine DVDs und CDs mehr und wenn doch, dann in homöopathischen Mengen. Einen gut sortierten, kleineren „Empik“ in der Nowy Świat gab es noch – der ist dieses Jahr aber auch nicht mehr da. Andere „Empik“s verkaufen noch eine Handvoll CDs (meistens populäres Zeugs, Jazz ist auf ein absolutes Minimum reduziert), Filme aber gar nicht mehr. Als ich dort danach fragte, wurde ich auf den letzten größeren „Empik“ in der Innenstadt (im Einkaufszentrum Złote Tarasy) verwiesen.

Die Menge an CDs und nun auch Vinyl ging dort auch noch, auch wenn die Auswahl für Jazz leider sehr klein war. Was Filme angeht… ein schmales Regal (siehe Bild) stand dort noch und hier teilten sich nicht mal mehr eine Handvoll polnischer Filme den wenigen Platz mit Marvel- und Star-Wars- und anderen US-Filmen.

Ich vermute mal, die Entwicklung rollt auch auf uns zu. Saturn z.B. hat in Bremen ja das DVD/Blu-ray-Angebot auch schon deutlich reduziert. Ja, die Tendenz geht zum Streamen und da ist die kostbare Verkaufsfläche wohl unrentabel, wenn sie mit DVD/Blu-rays „verstopft“ wird. Ist nachzuvollziehen. Aber irgendwie bin ich da schon etwas traurig und vermisse das stundenlange Stöbern und Wühlen. Das Entdecken und die Freude, wenn man überraschenderweise eine lange gesuchte Scheibe aus dem Fach gezogen hat. Das ist jetzt eine vergangene Zeit. Zumindest in Polen.

Dieses Jahr habe ich dann – da ich gerade mal zwei Filme von meiner Liste gefunden habe – einen Online-Versand ausfindig gemacht, der auch nach Deutschland verschickt. Den probiere ich jetzt mal aus. Für polnische Jazz-Sachen habe ich schon letztes Jahr einen sehr guten Online-Händler (serpent.pl) gefunden. Das Leben spielt sich für den Freund polnischer Filme (und Jazzmusik) jetzt eben Online ab. Ohne das Kribbeln, wenn man einen Laden betritt und sich fragt, was man dort wohl findet. Alles ist jetzt mal eben per Klick erreichbar. Das ist einerseits schön, andererseits… nennt mich einen alten Dinosaurier, aber ich vermisse die alten, nun für immer verlorenen Zeiten wirklich sehr.

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„35 Millimeter“-Magazin: Sonderausgabe Nummer 7 erhältlich

Neben der „35 Millimeter“ und der „70 Millimeter“ gibt der 35-Millimeter-Verlag auch immer wieder Sonderhefte heraus. Zumeist zu konkreten Anlässen wie z.B. dem Internationalen Filmfest Braunschweig. Aber nun auch zu besonderen Themen. Nach der schön aufgemachten Sammlung der bereits im Mutter-Heft erschienenen „Western Noir“-Kolumne von Robert Zion, ist nun im selben Layout ein Sonderheft zum „Gangsterfilm“ erschienen.

Dies besteht aus einigen älteren Artikeln zum Thema, welche in bereits vergriffenen Heften erschienen waren, aber in der Mehrzahl aus brandneuen Texten. Dabei geht es chronologisch vom südamerikanischen Stummfilm über den berühmten Hollywood-Gangstern der 30er zu den europäischen Varianten der 50er und noch weiter. Ich durfte das Heft mit dem japanischen Gangsterfilm „Wolves, Pigs and Men“ (Ôkami to buta to ningen) von 1964 abschließen. Dieser hat mich dann auch so sehr begeistert, dass nun drei dicke Kinji-Fukasaku-Boxen bei mir Zuhause stehen und einer Sichtung harren.

Das 35-Millimeter-Sonderheft Nr. 7 „Gangster essential“ kann für 6,90 Euro zzgl. Versandkosten hier bestellt werden.

Es hat 52 Seiten und die ersten 100 Bestellungen erhalten ein exklusives und auf 100 Stück limitiertes Postkartenset mit 5 Motiven.

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Blu-ray-Rezension: “Der Mann mit der Stahlkette“

Des Opiumschmuggels angeklagt wird Teng Piao (Ti Lung) ins Gefängnis gesteckt. Dort gärt es in ihm, den jemand hat ihn betrogen. Irgendwann (dazu weiter unten im Text mehr) kann Teng Piao dem Gefängnis entkommen und hat nur ein Ziel: Den Betrüger zu finden. Dabei handelt es sich um jemanden, der sich Schwarzer Panther nennt und Anführer einer Bande von Mördern ist, die sich „Die sieben Unüberwindlichen“ nennt. Nur weiß Teng Piao nicht, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. So macht sich Teng Piao daran, die Identität des Geheimnisvollen zu lüften. Seine Waffe dabei: Die Stahlkette, mit der er einst an seine Zelle gefesselt war…

Willkommen in der Welt des Chu Yuan (oder Chor Yuen, wie er in der englischsprachigen Welt geschrieben wird). Neben Chang Cheh ist er einer der produktivsten Regisseure der Shaw Brothers. Wobei sein Stil sich radikal von dem Chang Chehs unterscheidet. Che ist bekannt für seinen groß angelegten Schlacht-Epen, seine todessehnsüchtigen Männerfreundschaften und schier endlosen Todesballetts (Dinge, die sich sein Assistent John Woo für seine Heroic-Bloodshed-Filme in den 80ern abgeschaut hat). Chu Yuans Filme hingegen gehören häufig zum Genre der „Wuxia“ und spielen in der sogenannten „Martial World“. Die Filme haben fast immer einen phantastischen Touch. Die Kämpfer besitzen durch das intensive Studium der Kampfkunst nahezu übermenschliche Kräfte, und es tauchen häufig auch Magier auf. Zudem ist diese Welt von legendären Kämpfern bevölkert, die häufig sehr exotische Fähigkeiten besitzen. Meistens geht es darum, dass ein mächtiger Kämpfer ausgeschaltet werden soll, damit ein anderer oder eine andere Gruppe mehr Macht erlangt. Man kann diese Filme beinah als Märchenfilme verstehen, denen oftmals eine traumgleiche Stimmung zugrunde liegt, was durch die irrealen Kulissen noch unterstrichen wird. Dies spiegelt sich teilweise auch in „Der Mann mit der Stahlkette“ wieder, auch wenn dieser im Gegensatz zu seinen „Wuxia“ im wahrsten Sinne des Wortes „geerdet“ ist.

Doch die Geschichte um die „Sieben Unüberwindlichen“, einer Bande von Mördern, die alle spezielle Fähigkeiten haben und deren Identität erst nach und nach enthüllt wird, erinnert an das Grundgerüst vieler anderer Chu-Yuan-Filme. Ebenso gelingt es Chu Yuan seinen typischen, artifiziellen Stil, was die Ausleuchtung und die Gestaltung der Räume angeht, hier mit einzubringen. Die Kamera nimmt die Handelnden gerne aus einer leichten Untersicht auf. Die Kulissen sind einerseits fantasie- und detailreich, andererseits deutlich als im Studio errichtet zu erkennen. So entsteht ein klaustrophobischer Eindruck, da hier der Himmel im wahrsten Sinne des Wortes nicht unendlich ist. In der Gestaltung seiner Bilder setzt Chu Yuan auf starke Primärfarben, was fast schon an Mario Bava erinnert, und auf prägnante Kontraste mit viel Schatten. Womit wir wieder bei der oben genannten unwirklich, traumgleichen Stimmung sind, die auch einem Horrorfilm gut zu Gesicht stehen könnte.

Der großartige Ti Lung präsentiert sich einmal mehr als wandlungsfähigster Schauspieler der klassischen Shaw-Brothers-Ära. Sehr häufig als elegante Autoritätsperson eingesetzt, ist er hier zunächst kaum wiederzuerkennen. Und das liegt nicht nur an seinem Dreitagebart und dem Schlapphut, der auf einer ungewohnt buschigen Frisur sitzt. Lung geht wieder ganz in der Rolle des eher abgerissen daherkommenden, von Rachegefühlen getriebenen „Mann mit der Stahlkette“ auf. Und eben jene Stahlkette weiß er auch perfekt in seine ohnehin tadellose Kampfkunst zu integrieren. Als Mitspieler wurde ihm Tony Liu zur Seite gestellt, der hier eine Rolle spielt, die eigentlich Ti Lungs langjährigem Partner David Chiang auf dem Leib geschrieben ist. Ein ständig gutgelaunter, modisch gekleideter, aber auch geheimnisvoller Mann, der Ti Lung im Kampf ebenbürtig ist. Nun bring Tony Liu sichtbar nicht die Fähigkeiten mit, es im Kampf mit Ti Lung aufzunehmen, weshalb ihm das Drehbuch eine schier magische Kunst des Messerwerfens unterstellt. Was wiederum an die Wuxia erinnert, wo die Figuren hauptsächlich durch ihre Kunstfertigkeit an ihren Waffen definiert werden. Wenn Liu Yung aber trotzdem mal zu den Handkanten greifen muss, merkt man, dass er dabei durch einen raffinierten Schnitt unterstützt wird.

Auf der Seiten der Bösen haben nicht alle der sieben Mörder die Chance, echte Persönlichkeit zu entwickeln. Dafür ist der schwer opiumabhängige, lokale Gangsterboss Zhou Bai eine sehr interessante Figur geworden, bei der man sich nie wirklich sicher ist, ob er nur ein skrupelloser Geschäftspartner des mysteriösen Schwarzen Leoparden ist, oder doch weit mehr Fäden im Hintergrund spinnt, als man auf den erste Blick denken mag. Jason Pai Piao spielt ihn mit viel sinisterem Charisma und Präsenz. Pai Piao kam erst Ende der 70ern zu den Shaw Brothers, nachdem er zuvor bei anderen Produktionsfirmen kleinere Rollen spielte. Bei den Shaw Brothers spielte er vor allem Autoritätspersonen, aber ein wirkliche bekannter Name wurde er hier leider auch nie. Was angesichts seines bemerkenswerten Auftritts in „Der Mann mit der Stahlkette“ ein wenig verwunderlich und auch schade ist.

Die deutsche Synchronfassung weicht etwas vom Original ab, was gleich bei der ersten Texteinblendung offensichtlich wird. Während Teng Piao in der deutschen Fassung wegen Mordes verurteilt wurde und nach nur fünf Jahren aus dem Straflager geflohen ist, wurde er im Original eigentlich wegen Opiumschmuggel verurteilt und nach fünfzehn (!) Jahren entlassen. Ti Lung hat zudem eine recht unpassende Synchronstimme. Zwar hat Ti Lung (leider) in jedem Film eine andere Stimme (er wurde u.a. von so unterschiedlichen Sprechern wie Sascha Hehn, Heiner Lauterbach, Thomas Danneberg oder Wolfgang Hess (!) gesprochen), aber Hartmut Reck wirkt für die Rolle einfach zu alt. Tony Liu wird von Elmar Wepper gesprochen, der sonst häufig David Chiang spricht, was aber sehr gut passt, da wie oben angesprochenen, Lius Rolle stark an Chiang erinnert. Norbert Gastell spricht nicht nur Schurken Jason Pai Piao, sondern auch mit verstellter Stimme (die dann mehr nach seiner Paradesprechrolle Homer Simpson klingt) den Wirtshausbesitzer. Was sehr verwirrt, da beide hintereinander auftreten. Ich meine seine Stimme sogar noch an anderen Stellen vernommen zu haben.

Mit der Nummer 11 der Shaw-Brothers-Collector’s-Edition hat filmArt wieder ein kleines Juwel der Gattung auf den deutschen Markt gebracht. Über die Bildqualität kann man wie gewohnt nicht meckern. Die deutsche und die Originaltonspur (obwohl überall von Kantonesisch geschrieben wird, handelt es sich um Mandarin) sind gut und angenehm zu hören. Hier gibt es deutsche sowie englische Untertitel. Das Booklet bietet den kompletten deutschen Aushangfotosatz des Films, die Extras eine Bildergalerie, eine Trailershow und den Originaltrailer. Auch die gekürzte deutsche Kinofassung kann in HD abgespielt werden. Und es gibt ein Wendecover mit dem deutschen Kinoplakat.

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 46 erhältlich

Hier ist es gerade sehr ruhig. Andere Prioritäten, Deadlines, Arbeit und Familie fressen das letzte bisschen Freizeit. Und wenn man dann erschöpft auf das Sofa fällt und mal eine Stunde für sich hat, steht der Blog eher weiter hinten an. Eine der oben angesprochen Prioritäten und Deadlines betreffen die wunderbare Filmzeitschrift 35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin, wo ich nach vielen Jahren noch immer mit Leidenschaft dabei bin.

Und jetzt gerade nähert sich die nächste Deadline für die Ausgabe #47. Und während ich noch den letzten Feinschliff ansetze, fällt mir auf, dass ich hier noch gar nicht die Nummer #46 vorgestellt habe. Dabei halte ich sie für eine unserer Besten. Das Titelthema ist diesmal „Pre-Code-Hollywood“. Ein sehr spannendes Gebiet in das ich mich mit großem Genuss für meinen Artikel „THEY LOVE, THEY HATE, THEY KILL – Paramounts Pre-Code-Horror-Quartett“ eingelesen habe. Und auch die Artikel der Kolleg*innen haben da meinen Horizont sehr erweitert.

Ferner habe ich etwas über Massimo Pupillos schönen „Das Folterhaus der Lady Morgan“ geschrieben.

Was Ihr noch so alles in der neuen 35-Millimeter-Wundertüte findet, lest ihr hier:

Heft #46 kann man HIER für € 6,40 zzgl. Versand beziehen.

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Das Bloggen der Anderen (13-06-22)

– Auf film-rezensionen.de hat Oliver Armknecht den französischen Regisseur Bruno Dumont zu seinem neuen Film „France“ interviewt.

– André Malberg schreibt auf Eskalierende Träume über Roger Fritz posthum erschienenes Buch „Boulevard der Eitelkeiten: Fotografien und Erinnerungen“.

– „Summertime Killer“ ist so ein seltsamer Fall, bei dem ich die Titelmelodie kenne und liebe, den dazugehörigen Film aber bis heute nicht gesehen habe. Zudem hätte ich jetzt auch gar nicht sagen können, worum es darin geht. Dieser Umstand wird jetzt durch eine ausführliche Review von Bluntwolf auf Nischenkino revidiert.

– Heiko von Allesglotzer widmet sich dem wunderbaren „Sexual-Terror der entfesselten Vampire“ von Jean Rollin, den wir vor nicht allzu langer Zeit auch hier in Bremen auf der großen Leinwand zeigen und genießen konnten.

– Bei Die Nacht der lebenden Texte gibt es zwei Besprechungen, die mich sehr an die gute, alte Videotheken-Zeit erinnert haben. Denn dort hatte ich einst sowohl den geschnittenen „Phantom der Oper“ mit dem guten alten Robert „Freddy“ Englund, als auch den damals noch stärker geschnittenen „The Demolitionist“ mit Baywatch-Beauty Nicole Eggert ausgeliehen. Volker Schönenbergers Meinung zu den beiden B-Filmen kann ich aus der Erinnerung unterschreiben.

Schlombies Filmbesprechungen erinnern daran, dass es auch tollen deutschsprachigen Creature-Horror gibt. Nämlich den empfehlenswerten „Blutgletscher“ von Marvin Kren, der ja auch danach noch einige tolle Sachen gemacht hat – ja, auch seine „Tatorte“ sind einen Blick wert und natürlich „4 Blocks“ und „Freud“.

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Blu-ray-Rezension: “Der schwarze Tag des Widders“

Auf einer sehr feuchten Silvesterparty betrinkt sich der Reporter Andrea (Franco Nero) fast bis zur Besinnungslosigkeit. Als er am nächsten Morgen erwacht, erfährt er, dass einer der Gäste auf dem Heimweg von einem Unbekannten brutal überfallen und schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Kurz darauf wird ein weiterer Partygast ermordet. Da Andrea beide Opfer kannte, vermutet er einen Zusammenhang zwischen den Verbrechen. Bald findet er Indizien, die seinen Verdacht erhärten. Und dann schlägt der Killer ein weiteres Mal zu. Wieder steht das Opfer im Zusammenhang mit Andrea und es wird nicht das letzte gewesen sein. Da Andrea weiterhin das einzige Bindeglied zwischen den Morden ist, wird nun auch der ermittelnde Kommissar ihm gegenüber misstrauisch…

Mit der Veröffentlichung von „Der schwarzer Tag des Widders“ (es wurde von filmArt der alte DDR-Titel und nicht der besser bekannte, spätere Titel „Ein schwarzer Tag für den Widder“ übernommen) schließt sich eine schmerzhafte Lücke. Denn Luigi Bazzonis Giallo-Meisterwerk gab es in Deutschland bisher in keiner Heimkino-Auswertung. Weder auf VHS, noch auf DVD. Immerhin im Fernsehen lief er mal. Wer sich aufgrund der vielen begeisterten Stimmen den Film in die Sammlung stellen wollte, der war bislang auf Importe angewiesen. Nun ist der Widder – nach langer Wartezeit – endlich auch in Deutschland angekommen. Leider aus lizenzrechtlichen Gründen nur mit deutscher Tonspur, aber da die 1987 in der DDR hergestellte Synchronisation sehr gut geworden ist, soll dies kein allzu großer Mangel sein. Auch wenn es ungewohnt ist, den großen Wolfgang Preiss mit einer völlig anderen Stimme (Werner Ehrlicher) zu hören.

Obwohl „Der schwarze Tag des Widders“ von der Geschichte her ein klassischer Giallo ist, macht Bazzoni dort etwas ganz anderes draus. Die Figuren sind allesamt kaputt, das alles scheint gar nicht in einer realen Welt zu spielen. Ein starkes Gefühl der „Seltsamkeit“ macht sich breit und sorgt dafür, dass man sich nie zu sicher fühlt. Dies spiegelt sich zuerst in dem von Franco Nero großartig gespielten Journalisten Andrea Bild. Eine höchst ambivalente Figur, der man bis zum Schluss nicht trauen kann. Zwar ist der alkoholkranke, gewalttätige und teilweise ziemlich arrogante Andrea unser Protagonist, doch allein aufgrund der eben erfolgten Aufzählung seiner sonstigen Eigenschaften nicht unbedingt ein Sympathieträger. In einer besonders unangenehmen Szene schlägt er ohne besonderen Grund auf seine Freundin ein. In einer anderen bedrängt er immer wieder seine Ex-Geliebte. Andrea stolpert förmlich durch die Geschichte. Doch so wie Franco anlegt, schimmert durch seinen kaputten Panzer auch immer etwas Melancholisches. Und wenn er sich der Wahrheit immer mehr nähert, spürt man seine Wut auf eine Welt, in der alle Werte völlig aus den Fugen geraten sind.

Diese Welt wird von Bazzoni düster gezeichnet und bevölkert von egozentrischen Menschen, die nur noch ihre eigenen Bedürfnisse sehen und die Zuneigung anderer gefühlskalt ausnutzen. Wie der Arzt, den seine gehbehinderte Frau sichtlich anekelt. Wie eben jene Frau, die darum von sich und ihrer Krankheit selber angewidert ist und dies alle anderen spüren lässt. Wie der Vater, der seine junge Tochter auf den Strich schickt. Deren junger Liebhaber, der sich als ihr Zuhälter aufspielt. Die geilen, alten Säcke, die sich an der Nacktheit junger Menschen aufgeilen und dafür bezahlen, diesen beim Liebesakt zuzusehen. Interessanterweise sind es gerade die beiden Frauenfiguren um Andrea Bild, die wie Felsen aus dieser Brandung der Niedertracht herausragen. Die starke, unabhängige Helene (Silvia Monti) und die freche und selbstbewusste Lu (Pamela Tiffin) . Beide scheinen den labilen Macho nur zum eigenen Amüsement um sich herum zu dulden. Helene lässt ihn betteln und dann nur zu sich, wenn es ihr passt. Dazu passt, dass sie in Scheidung von ihrem Ehemann lebt, und Andrea nur ein alter Ex-Geliebter ist, den sie sich noch immer gönnt. Lu ist ein Freigeist, der Andrea ebenfalls nicht braucht und sich nur solange mit ihm abgibt, wie es IHR Spaß macht.

Regisseur Bazzoni ist ein großer Stilist. Jeder seiner Filme ist großartig fotografiert und hat seinen ganz eigenen Stil. In „Der schwarze Tag des Widders“ erreicht dieser Stilwille aber seinen Höhepunkt. Die Bilder sind perfekt durchkomponiert und teilweise von einer Düsternis, wie in einem Film Noir oder gar einem Horrorfilm. Dann wieder von erlesener, bunter Schönheit, fast schon nicht mehr von dieser Welt, was das oben bereits angesprochene Gefühl der „Seltsamkeit“ noch einmal unterstreicht. Auffällig ist auch, wie meisterhaft Bazzoni Architektur und urbane Landschaften in seine Bilder einbaut und diese kommentieren lässt. Wenn sich beispielsweise Andrea und der Kommissar vor einer riesigen aus auf hunderten spiegelnden Glasfenstern bestehenden Fassade unterhalten und dies den Eindruck eines Gefängnisses erweckt, in welches der Kommissar Andrea sicherlich gerne stecken würde. Dafür hat Bazzoni in dem genialen Kameramann Vittorio Storaro einen kongenialen Partner gefunden. Storaro hatte im Vorjahr Dario Argentos wegweisenden Giallo „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ fotografiert und war mit Bernardo Bertoluccis „Der Konformist“ zu dessen Stammkameramann geworden. Später war er seit „Apocalpyse Now“ für Francis Ford Coppola erste Wahl für die Arbeit des Kameramannes, später ebenso für Carlos Saura und Woody Allen. Aber auch mit Bazzoni sollte er immer wieder zusammenarbeiten, u.a. bei dessen nächstem Meisterwerk, dem hochgradig merkwürdigen und wunderschönen „Spuren auf dem Mond“.

Neben einer hervorragenden Darstellerriege, zu der neben Franco auch Wolfgang Preis, Silvia Monti, Rossella Falk, Edmund Purdom, Ira von Fürstenberg, Pamela Tiffin und eine noch sehr junge Agostina Belli gehören, kann Bazzoni auch auf die Dienste eines der größten Filmkomponisten aller Zeiten zurückgreifen. Kein geringerer als Ennio Morricone erschuf den Soundtrack, der effektvoll zwischen eingängigen, wunderschönen Melodien und nervenzehrenden dissonanten Tönen oszilliert. Da wird das Drehbuch eher Nebensache. Dies soll auf dem Roman „The Fifth Cord“ (so auch der englischsprachige Titel des Films) des schottischen Autoren DM Devine beruhen, welches 1967 veröffentlicht wurde. Devine schrieb bis zu seinem Tod 1980 dreizehn Krimis und war ein Favorit von Agatha Christie. Seine Krimis erhielten durch die Bank gute Kritiken und galten als sehr gut konstruiert. In wie weit sich der Inhalt von „The Fifth Cord“ mit „Der schwarze Tag des Widders“ deckt ist mir nicht bekannt. Ich vermute aber mal eher weniger. Denn von „gut konstruiert“ kann beim „Widder“ nicht die Rede sein. Dass alle Figuren irgendwie eng miteinander zusammenhängen ist ebenso an den Haaren herbeigezogen, wie die finale, Giallo-typisch haarsträubende Entlarvung des Killers. Vieles bleibt im Dunkeln, vor allem das wer wann mit wem und warum. Aber dies tut nichts zur Sache, denn es ist einerseits im Giallo-Genre nichts ungewöhnliches, und zweitens kreierte Bazzoni hier ein Film, der auf ganz anderen Ebenen vorzüglich funktioniert und trotz des teilweise wirren Plots eine ganze Menge Spannung erzeugt.

Es ist wunderbar, dass filmArt den Film doch noch auf Blu-ray veröffentlicht hat, obwohl er ursprünglich als DVD angekündigt war. Denn ein stilistisch so wundervoller Film wie „Der schwarze Tag des Widders“ ist einfach für HD gemacht. Entsprechend ist das Bild auch sehr gut und vor allen Dingen nicht totgefiltert, sondern wundervoll „filmisch“. Leider konnte filmArt aus lizenztechnischen Gründen keine italienische oder englische Tonspur mit auf die Scheibe packen. So bleibt nur die deutsche Tonspur, die aber in unterschiedlichen Tonhöhen (24FPS/25FPS) vorliegt. An Extras gibt es nicht viel: Der italienische und der englische Trailer, die sich nur in der Sprache unterscheiden, eine gelöschte Szene (die sich nur beim Ende unterscheidet und nicht weiter wichtig ist). Eine Bildgalerie und als Easter Egg soll es noch den deutschen Vorspann geben (habe ich aber nicht überprüft). Hervorheben sollte man noch das 12-seitige Booklet mit einem Text von Heiko Hartmann.

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