Blu-ray-Rezension: „Tote Zeugen singen nicht“

Comissario Belli (Franco Nero) ist es nach einer spektakulären Verfolgungsjagd durch Genua gelungen, einen Kurier der libanesische Drogenmafia festzunehmen. Doch als dieser ins Polizeipräsidium gebracht werden soll, wird er von der Mafia zusammen mit den ihn begleitenden Polizisten und unschuldigen Zivilisten in die Luft gesprengt. Belli selber überlebt diesen Anschlag nur durch einen Zufall. Rasend vor Wut und fassungslos über die Skrupellosigkeit der Gangster, setzt Belli alles daran, die Mafiosi ihrer gerechten Strafe zuzuführen…

Lange hat es gedauert, bis „Tote Zeugen singen nicht“ (auch bekannt als „Straße zum Jenseits“) eine adäquate Veröffentlichung in Deutschland bekommen hat. Der Film zählt zu den wichtigsten Poliziotteschi und stellt die erste Zusammenarbeit zwischen Regisseur Enzo G. Castellari und Franco Nero da. Diese sollte sich als ausgesprochen fruchtbar erweisen und Filme wie „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ (Review hier) oder den grandiosen „Keoma“ (der auch einmal eine schöne Veröffentlichung verdient hätte) hervorbringen. Und gerade das Genre des Poliziotteschi sollte Castellari den Ruf eines hervorragenden Action-Regisseurs einbringen, welchen er später durch seine Endzeitfilme (die den Höhepunkt dieser kurzlebigen Welle im Gefolge von „Mad Max“ und „Die Klapperschlange“ darstellten) noch untermauern sollte. Während seine Inszenierung der Action ab der italienischen „Ein Mann sieht rot“-Variante „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ stark von den stilisierten, intensiven Zeitlupen-Eruptionen eines Sam Peckinpah geprägt sind, so ist diese bei „Tote Zeugen singen nicht“ erst im Ansatz vorhanden. Vielmehr scheint sich Castellari hier noch am harten Realismus von William Friedkins Klassiker „Brennpunkt Brooklyn“ alias „The French Connection“ zu orientieren, wenn er seinen Film mit einer atemlosen Verfolgungsjagd beginnt, die in ihrer Rasanz und knackigen Bodenständigkeit an die berühmte Auto jagt U-Bahn-Sequenz aus Friedkins Film erinnert.

„Tote Zeugen singen nicht“ ist einer der wichtigsten Filme für das Genre, denn er liefert die Blaupause für zahllose Nachzügler und Nachahmer, die unsere heutige Wahrnehmung des Poliziotteschi stark prägten. Und er war auch ein sehr wichtiger Film für einen Schauspieler, der hier gar nicht in Erscheinung tritt, nämlich Maurizio Merli, der zwei Jahre nach „Tote Zeugen singen nicht“ aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Franco Nero als ebenfalls blonder, schnauzbärtiger Commissario „Betti“ (statt Belli) für Marino Girolamis „Gewalt rast durch die Stadt“ gecasted. Kurz zuvor hatte er übrigens bereits Neros Nachfolge als Hauptdarsteller im dritten Teil der „Wolfsblut“-Reihe übernommen. Als jener „Betti“ war er noch zwei Mal unterwegs und spielte ansonsten harte Cops mit losen Fäusten und schnellen Waffen, die am Besten mit dem Titel seines 1978 von Stelvi Massi (der einige Filme mit Merli drehte) inszenierten „Il commissario di ferro“ gut charakterisiert werden können. Vergleicht man „Betti“ mit „Belli“, dann erkennt man neben den offensichtlichen Gemeinsamkeiten (aufbrausend und wütend, schlägt zu bevor er Fragen stellt, verbissen und fast schon besessen von der Jagd auf Kriminelle) auch deutliche Unterschiede. Während Merlis Figuren zumeist reaktionäre Stereotype sind, denen nur selten eine komplexere Hintergrundgeschichte vergönnt ist, und die schier unverwundbar wie eine Sense durch die italienische Unterwelt pflügen, ist Franco Neros Belli eine vielschichtige, kompliziertere Figur.

Belli mag aufbrausend, cholerisch und voller Wut sein. Er mag immer mit voller Härte am Rande der Legalität agieren. Aber dank Neros Drahtseil-Darstellung zwischen beinahe parodistischer (wobei er hier das Original zur Parodie darstellt) Stereotype mit Hang zum Overacting und ernsthaftem Drama scheint an jeder Stelle auch das an der eigenen Ohnmacht bitter Verzweifelnde durch das Gewand des harten Mannes. Belli ist kein strahlender Held. Der Job und die Unmöglichkeit etwas am korrupten System der italienischen Politik zu ändern, hat ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben. Doch seine Halsstarrigkeit, die Weigerung seine Niederlage, seine Impotenz etwas ändern zu können, anzuerkennen, haben auch sein soziales Leben beschädigt. Die Freundin wird von ihm aus nichtigen Anlässen angebrüllt, das ihn liebende Kind hat er weggeschickt. Nicht nur, weil er – zu recht – um dessen Sicherheit fürchtet, sondern weil es auch nicht in sein Leben passt, welches sich ganz dem Kampf gegen die Windmühle Organisiertes Verbrechen und den Verstrickungen der Legislative und Judikative mit eben jenem verschrieben hat. Dass er scheinbar nebenbei eine Abhängigkeit von Nasenspray entwickelt hat, ist Ausdruck seiner Getriebenheit.

Francos Belli wird die Figur des alten Commissarios Scavino, großartig gespielt vom leider noch immer viel zu unbekannten James Whitmore (immerhin zweimal für den Oscar nominiert), gegenüber gestellt. Während Belli drängt und sofort Resultate sehen will, ist Scavino abwartender, überlegter – will an die Leute hinter den kleinen Fischen heran. Was ihn aber auch verdächtig macht, mit eben jenen Schattenleuten zusammenzuarbeiten und Beweise zurückzuhalten. Die Zusammenstöße zwischen Belli und Scavino kumulieren in einer hitzigen Diskussion auf einem Waldparkplatz außerhalb der Großstadt. Hier zitiert Castellari den großartigen Mafiafilm „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ (Review hier) von Großmeister Damiano Daimani. In diesem Film spielt ausgerechnet Franco Nero den eher besonnenen, abwartenden Staatsanwalt, der mit den handfesten, und die Grenze des Legalen häufiger überschreitenden Methoden seines frustrierten Kommissars (gespielt von einem anderen Hollywood-Veteranen: Martin Balsam) ganz und gar nicht einverstanden ist. Die Besetzung von Fernando Rey als altes Mafia-Oberhaupt lässt wiederum an „Brennpunkt Brooklyn“ denken, was sicherlich von den Produzenten gewünscht war. Wenn Rey seine Rolle auch gänzlich anders anlegt ist als den Bösewicht in Friedkins Film. Sein Cafiero erinnert eher an Don Vito Corleone aus „Der Pate“. Ein Patriarch, dessen Zeit vergangen ist und dessen Position von jüngeren, skrupelloseren Gangstern eingenommen wird. Ein Thema, welches man in späteren Poliziotteschi immer wieder neu aufnehmen wird.

Castellari erzählt seine Geschichte nicht durchgehend linear. Immer wieder setzt er eine ausgefeilte Rückblendenstruktur ein. Ereignisse werden wiederholt, in die aktuellen Geschehnisse hinein geschnitten, wodurch Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschwimmen, sich im Kopf Bellis förmlich auflösen und so für ihn die Vergangenheit nie abgeschlossen ist. Gerade das tragische Finale erhält dadurch eine emotionale Wucht, welche sonst vielleicht verpufft wäre (gerade auch, weil in der schockierensten Szene ganz offensichtlich eine Puppe statt einer Stuntperson verwendet wird). So gelingt es Castellari aber, dem Zuschauer einen dicken Kloß in den Hals zu pressen. Ein weiterer Baustein für diese emotionale Mitnahme des Zuschauers ist die kongeniale Musik der Brüder De Angelis, mit denen Castellari noch häufiger zusammenarbeiten sollte. Die Musik aus „Tote Zeugen“ sollte nicht nur häufiger in anderen Poliziotteschi zu hören sein, sondern auch jeden Poliziotteschi-CD-Sampler zieren und 2007 von Quentin Tarantino in „Death Proof“ verwendet werden.

Mit der Nummer 18 ihrer „Polizieschi Edition“ hat filmArt nach „Ein Bürger setzt sich zur Wehr“ eine weitere, heiß ersehnte, auf 1000 Stück limitierte Veröffentlichung auf den Markt gebracht. Der Film ist einer der einflussreichsten Vertreter des Genres, welches der Edition seinen Namen gab und daher erfreut die technisch wieder einmal höchst gelungene Umsetzung. Bild und Ton (Deutsch, Englisch und Italienisch) sind ausgezeichnet. Deutsche Untertitel sind ebenfalls vorhanden. Als Extras wurden ein englischer Trailer; eine Filmfassung mit alternativem Ende (in HD) – Spoiler: Das alternative Ende bricht vor dem offiziellen Ende ab, enthält also kein alternatives Material und wirkt wie das ursprünglich intendierte; eine Bildergalerie; diverse, internationale Vorspänne in unterschiedlichsten Qualitäten; sowie eine Trailer-Show. Das umfangreiche und informative 20-seitige Booklet wurde von Michael Cholewa geschrieben, der einst mit Karsten Thurau das deutschsprachige Standardwerk zum Poliziotteschi, „Der Terror führt Regie“, verfasst hat.

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Lamento: Ein Dinosaurier in Warschau oder Das Ende des Offline-Shoppings in Polen

Als ich 2006 anfing der Liebe wegen regelmäßig nach Warschau zu fahren, war ich begeistert von dem Angebot an Filmen hier. In den meisten Läden füllten DVDs mit polnischen Filmen viele Regalmeter, und die meisten hatten englische Untertitel. Für mich war damals der polnische Film noch „Terra incognita“. Doch hier fand ich wunderbare Zusammenstellungen an polnischen Dokumentarfilmen, Animationsfilme, gut kuratierte (in der Bildqualität heute leider nicht mehr so ansehnliche) Editionen mit den wichtigsten Filmen der „Polnischen Filmschule“ der späten 50er und frühen 60er. Und natürlich Wajda bis zum Abwinken, aber auch andere wichtige polnische Werke (die dann leider häufig, aber nicht immer ohne Untertitel). Aber auch die gerade aktuellen Filme nahm ich gerne mit und lernte so Regisseure wie den großartigen Wojciech Smarzowski kennen.

Zunächst „lebte“ ich von Tipps, die mir meine Freundin/Verlobte/Ehefrau gab. Später studierte ich intensiv das Programm der Polnischen Filmfestivals in Deutschland und vor allem von dem in Gdynia. Auch in die polnische Filmgeschichte grub ich mich immer tiefer ein. Jeder Besuch in Warschau war ein Quell der Freude, da es immer wieder etwas Neues zu entdecken gab. Und natürlich machte die Jagd nach einzelnen Titeln auch ungeheuren Spaß. In den Jahren wurde dies aber im frustrierender, denn die oben angesprochen Regalmeter schrumpften, die tollen Reihen mit Klassikern o.ä. wurden eingestellt und DVDs, die älter als ein Jahr waren, waren plötzlich nicht mehr erhältlich. „Traffic“, wo ich gerne mal schaute, machte zu. Im größten und bestsortierten „Empik“-Läden (so etwas wie unser Thalia, aber mit sehr viel größerem Sortiment  auch an Musik und Film) wurde die Auswahl an DVDs immer kleiner.

Dasselbe galt übrigens auch für CDs. Ich habe eine Leidenschaft für polnischen Jazz entwickelt. Und am Anfang war das toll. Da gab es im angesprochen „Empik“ einen eigenen Raum für Jazz und Klassik, wo man alles bekam. Und Abspielstationen, wo man die CDs probehören konnte. Da habe ich Stunden mit Stapeln von Jazz-CDs in der Hand verbracht und gehört und vor allem entdeckt. Diese Stationen waren das erste Opfer. Dann verschwand plötzlich der ganze Raum. Und die Auswahl immer von Jahr zu Jahr immer kleiner. Letztes Jahr war der große „Empik“-Headstore in der Marszałkowska plötzlich ebenfalls verschwunden. Drei Etagen… weg. Heute ist da ein Billig-Laden mit heruntergesetzter Textil-Ware drin. Aber auch anderswo verschwanden Ton- und Bildträger. Media Markt hat zum größten Teil gar keine DVDs und CDs mehr und wenn doch, dann in homöopathischen Mengen. Einen gut sortierten, kleineren „Empik“ in der Nowy Świat gab es noch – der ist dieses Jahr aber auch nicht mehr da. Andere „Empik“s verkaufen noch eine Handvoll CDs (meistens populäres Zeugs, Jazz ist auf ein absolutes Minimum reduziert), Filme aber gar nicht mehr. Als ich dort danach fragte, wurde ich auf den letzten größeren „Empik“ in der Innenstadt (im Einkaufszentrum Złote Tarasy) verwiesen.

Die Menge an CDs und nun auch Vinyl ging dort auch noch, auch wenn die Auswahl für Jazz leider sehr klein war. Was Filme angeht… ein schmales Regal (siehe Bild) stand dort noch und hier teilten sich nicht mal mehr eine Handvoll polnischer Filme den wenigen Platz mit Marvel- und Star-Wars- und anderen US-Filmen.

Ich vermute mal, die Entwicklung rollt auch auf uns zu. Saturn z.B. hat in Bremen ja das DVD/Blu-ray-Angebot auch schon deutlich reduziert. Ja, die Tendenz geht zum Streamen und da ist die kostbare Verkaufsfläche wohl unrentabel, wenn sie mit DVD/Blu-rays „verstopft“ wird. Ist nachzuvollziehen. Aber irgendwie bin ich da schon etwas traurig und vermisse das stundenlange Stöbern und Wühlen. Das Entdecken und die Freude, wenn man überraschenderweise eine lange gesuchte Scheibe aus dem Fach gezogen hat. Das ist jetzt eine vergangene Zeit. Zumindest in Polen.

Dieses Jahr habe ich dann – da ich gerade mal zwei Filme von meiner Liste gefunden habe – einen Online-Versand ausfindig gemacht, der auch nach Deutschland verschickt. Den probiere ich jetzt mal aus. Für polnische Jazz-Sachen habe ich schon letztes Jahr einen sehr guten Online-Händler (serpent.pl) gefunden. Das Leben spielt sich für den Freund polnischer Filme (und Jazzmusik) jetzt eben Online ab. Ohne das Kribbeln, wenn man einen Laden betritt und sich fragt, was man dort wohl findet. Alles ist jetzt mal eben per Klick erreichbar. Das ist einerseits schön, andererseits… nennt mich einen alten Dinosaurier, aber ich vermisse die alten, nun für immer verlorenen Zeiten wirklich sehr.

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„35 Millimeter“-Magazin: Sonderausgabe Nummer 7 erhältlich

Neben der „35 Millimeter“ und der „70 Millimeter“ gibt der 35-Millimeter-Verlag auch immer wieder Sonderhefte heraus. Zumeist zu konkreten Anlässen wie z.B. dem Internationalen Filmfest Braunschweig. Aber nun auch zu besonderen Themen. Nach der schön aufgemachten Sammlung der bereits im Mutter-Heft erschienenen „Western Noir“-Kolumne von Robert Zion, ist nun im selben Layout ein Sonderheft zum „Gangsterfilm“ erschienen.

Dies besteht aus einigen älteren Artikeln zum Thema, welche in bereits vergriffenen Heften erschienen waren, aber in der Mehrzahl aus brandneuen Texten. Dabei geht es chronologisch vom südamerikanischen Stummfilm über den berühmten Hollywood-Gangstern der 30er zu den europäischen Varianten der 50er und noch weiter. Ich durfte das Heft mit dem japanischen Gangsterfilm „Wolves, Pigs and Men“ (Ôkami to buta to ningen) von 1964 abschließen. Dieser hat mich dann auch so sehr begeistert, dass nun drei dicke Kinji-Fukasaku-Boxen bei mir Zuhause stehen und einer Sichtung harren.

Das 35-Millimeter-Sonderheft Nr. 7 „Gangster essential“ kann für 6,90 Euro zzgl. Versandkosten hier bestellt werden.

Es hat 52 Seiten und die ersten 100 Bestellungen erhalten ein exklusives und auf 100 Stück limitiertes Postkartenset mit 5 Motiven.

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Blu-ray-Rezension: “Der Mann mit der Stahlkette“

Des Opiumschmuggels angeklagt wird Teng Piao (Ti Lung) ins Gefängnis gesteckt. Dort gärt es in ihm, den jemand hat ihn betrogen. Irgendwann (dazu weiter unten im Text mehr) kann Teng Piao dem Gefängnis entkommen und hat nur ein Ziel: Den Betrüger zu finden. Dabei handelt es sich um jemanden, der sich Schwarzer Panther nennt und Anführer einer Bande von Mördern ist, die sich „Die sieben Unüberwindlichen“ nennt. Nur weiß Teng Piao nicht, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. So macht sich Teng Piao daran, die Identität des Geheimnisvollen zu lüften. Seine Waffe dabei: Die Stahlkette, mit der er einst an seine Zelle gefesselt war…

Willkommen in der Welt des Chu Yuan (oder Chor Yuen, wie er in der englischsprachigen Welt geschrieben wird). Neben Chang Cheh ist er einer der produktivsten Regisseure der Shaw Brothers. Wobei sein Stil sich radikal von dem Chang Chehs unterscheidet. Che ist bekannt für seinen groß angelegten Schlacht-Epen, seine todessehnsüchtigen Männerfreundschaften und schier endlosen Todesballetts (Dinge, die sich sein Assistent John Woo für seine Heroic-Bloodshed-Filme in den 80ern abgeschaut hat). Chu Yuans Filme hingegen gehören häufig zum Genre der „Wuxia“ und spielen in der sogenannten „Martial World“. Die Filme haben fast immer einen phantastischen Touch. Die Kämpfer besitzen durch das intensive Studium der Kampfkunst nahezu übermenschliche Kräfte, und es tauchen häufig auch Magier auf. Zudem ist diese Welt von legendären Kämpfern bevölkert, die häufig sehr exotische Fähigkeiten besitzen. Meistens geht es darum, dass ein mächtiger Kämpfer ausgeschaltet werden soll, damit ein anderer oder eine andere Gruppe mehr Macht erlangt. Man kann diese Filme beinah als Märchenfilme verstehen, denen oftmals eine traumgleiche Stimmung zugrunde liegt, was durch die irrealen Kulissen noch unterstrichen wird. Dies spiegelt sich teilweise auch in „Der Mann mit der Stahlkette“ wieder, auch wenn dieser im Gegensatz zu seinen „Wuxia“ im wahrsten Sinne des Wortes „geerdet“ ist.

Doch die Geschichte um die „Sieben Unüberwindlichen“, einer Bande von Mördern, die alle spezielle Fähigkeiten haben und deren Identität erst nach und nach enthüllt wird, erinnert an das Grundgerüst vieler anderer Chu-Yuan-Filme. Ebenso gelingt es Chu Yuan seinen typischen, artifiziellen Stil, was die Ausleuchtung und die Gestaltung der Räume angeht, hier mit einzubringen. Die Kamera nimmt die Handelnden gerne aus einer leichten Untersicht auf. Die Kulissen sind einerseits fantasie- und detailreich, andererseits deutlich als im Studio errichtet zu erkennen. So entsteht ein klaustrophobischer Eindruck, da hier der Himmel im wahrsten Sinne des Wortes nicht unendlich ist. In der Gestaltung seiner Bilder setzt Chu Yuan auf starke Primärfarben, was fast schon an Mario Bava erinnert, und auf prägnante Kontraste mit viel Schatten. Womit wir wieder bei der oben genannten unwirklich, traumgleichen Stimmung sind, die auch einem Horrorfilm gut zu Gesicht stehen könnte.

Der großartige Ti Lung präsentiert sich einmal mehr als wandlungsfähigster Schauspieler der klassischen Shaw-Brothers-Ära. Sehr häufig als elegante Autoritätsperson eingesetzt, ist er hier zunächst kaum wiederzuerkennen. Und das liegt nicht nur an seinem Dreitagebart und dem Schlapphut, der auf einer ungewohnt buschigen Frisur sitzt. Lung geht wieder ganz in der Rolle des eher abgerissen daherkommenden, von Rachegefühlen getriebenen „Mann mit der Stahlkette“ auf. Und eben jene Stahlkette weiß er auch perfekt in seine ohnehin tadellose Kampfkunst zu integrieren. Als Mitspieler wurde ihm Tony Liu zur Seite gestellt, der hier eine Rolle spielt, die eigentlich Ti Lungs langjährigem Partner David Chiang auf dem Leib geschrieben ist. Ein ständig gutgelaunter, modisch gekleideter, aber auch geheimnisvoller Mann, der Ti Lung im Kampf ebenbürtig ist. Nun bring Tony Liu sichtbar nicht die Fähigkeiten mit, es im Kampf mit Ti Lung aufzunehmen, weshalb ihm das Drehbuch eine schier magische Kunst des Messerwerfens unterstellt. Was wiederum an die Wuxia erinnert, wo die Figuren hauptsächlich durch ihre Kunstfertigkeit an ihren Waffen definiert werden. Wenn Liu Yung aber trotzdem mal zu den Handkanten greifen muss, merkt man, dass er dabei durch einen raffinierten Schnitt unterstützt wird.

Auf der Seiten der Bösen haben nicht alle der sieben Mörder die Chance, echte Persönlichkeit zu entwickeln. Dafür ist der schwer opiumabhängige, lokale Gangsterboss Zhou Bai eine sehr interessante Figur geworden, bei der man sich nie wirklich sicher ist, ob er nur ein skrupelloser Geschäftspartner des mysteriösen Schwarzen Leoparden ist, oder doch weit mehr Fäden im Hintergrund spinnt, als man auf den erste Blick denken mag. Jason Pai Piao spielt ihn mit viel sinisterem Charisma und Präsenz. Pai Piao kam erst Ende der 70ern zu den Shaw Brothers, nachdem er zuvor bei anderen Produktionsfirmen kleinere Rollen spielte. Bei den Shaw Brothers spielte er vor allem Autoritätspersonen, aber ein wirkliche bekannter Name wurde er hier leider auch nie. Was angesichts seines bemerkenswerten Auftritts in „Der Mann mit der Stahlkette“ ein wenig verwunderlich und auch schade ist.

Die deutsche Synchronfassung weicht etwas vom Original ab, was gleich bei der ersten Texteinblendung offensichtlich wird. Während Teng Piao in der deutschen Fassung wegen Mordes verurteilt wurde und nach nur fünf Jahren aus dem Straflager geflohen ist, wurde er im Original eigentlich wegen Opiumschmuggel verurteilt und nach fünfzehn (!) Jahren entlassen. Ti Lung hat zudem eine recht unpassende Synchronstimme. Zwar hat Ti Lung (leider) in jedem Film eine andere Stimme (er wurde u.a. von so unterschiedlichen Sprechern wie Sascha Hehn, Heiner Lauterbach, Thomas Danneberg oder Wolfgang Hess (!) gesprochen), aber Hartmut Reck wirkt für die Rolle einfach zu alt. Tony Liu wird von Elmar Wepper gesprochen, der sonst häufig David Chiang spricht, was aber sehr gut passt, da wie oben angesprochenen, Lius Rolle stark an Chiang erinnert. Norbert Gastell spricht nicht nur Schurken Jason Pai Piao, sondern auch mit verstellter Stimme (die dann mehr nach seiner Paradesprechrolle Homer Simpson klingt) den Wirtshausbesitzer. Was sehr verwirrt, da beide hintereinander auftreten. Ich meine seine Stimme sogar noch an anderen Stellen vernommen zu haben.

Mit der Nummer 11 der Shaw-Brothers-Collector’s-Edition hat filmArt wieder ein kleines Juwel der Gattung auf den deutschen Markt gebracht. Über die Bildqualität kann man wie gewohnt nicht meckern. Die deutsche und die Originaltonspur (obwohl überall von Kantonesisch geschrieben wird, handelt es sich um Mandarin) sind gut und angenehm zu hören. Hier gibt es deutsche sowie englische Untertitel. Das Booklet bietet den kompletten deutschen Aushangfotosatz des Films, die Extras eine Bildergalerie, eine Trailershow und den Originaltrailer. Auch die gekürzte deutsche Kinofassung kann in HD abgespielt werden. Und es gibt ein Wendecover mit dem deutschen Kinoplakat.

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„35 Millimeter“-Magazin: Ausgabe 46 erhältlich

Hier ist es gerade sehr ruhig. Andere Prioritäten, Deadlines, Arbeit und Familie fressen das letzte bisschen Freizeit. Und wenn man dann erschöpft auf das Sofa fällt und mal eine Stunde für sich hat, steht der Blog eher weiter hinten an. Eine der oben angesprochen Prioritäten und Deadlines betreffen die wunderbare Filmzeitschrift 35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin, wo ich nach vielen Jahren noch immer mit Leidenschaft dabei bin.

Und jetzt gerade nähert sich die nächste Deadline für die Ausgabe #47. Und während ich noch den letzten Feinschliff ansetze, fällt mir auf, dass ich hier noch gar nicht die Nummer #46 vorgestellt habe. Dabei halte ich sie für eine unserer Besten. Das Titelthema ist diesmal „Pre-Code-Hollywood“. Ein sehr spannendes Gebiet in das ich mich mit großem Genuss für meinen Artikel „THEY LOVE, THEY HATE, THEY KILL – Paramounts Pre-Code-Horror-Quartett“ eingelesen habe. Und auch die Artikel der Kolleg*innen haben da meinen Horizont sehr erweitert.

Ferner habe ich etwas über Massimo Pupillos schönen „Das Folterhaus der Lady Morgan“ geschrieben.

Was Ihr noch so alles in der neuen 35-Millimeter-Wundertüte findet, lest ihr hier:

Heft #46 kann man HIER für € 6,40 zzgl. Versand beziehen.

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Das Bloggen der Anderen (13-06-22)

– Auf film-rezensionen.de hat Oliver Armknecht den französischen Regisseur Bruno Dumont zu seinem neuen Film „France“ interviewt.

– André Malberg schreibt auf Eskalierende Träume über Roger Fritz posthum erschienenes Buch „Boulevard der Eitelkeiten: Fotografien und Erinnerungen“.

– „Summertime Killer“ ist so ein seltsamer Fall, bei dem ich die Titelmelodie kenne und liebe, den dazugehörigen Film aber bis heute nicht gesehen habe. Zudem hätte ich jetzt auch gar nicht sagen können, worum es darin geht. Dieser Umstand wird jetzt durch eine ausführliche Review von Bluntwolf auf Nischenkino revidiert.

– Heiko von Allesglotzer widmet sich dem wunderbaren „Sexual-Terror der entfesselten Vampire“ von Jean Rollin, den wir vor nicht allzu langer Zeit auch hier in Bremen auf der großen Leinwand zeigen und genießen konnten.

– Bei Die Nacht der lebenden Texte gibt es zwei Besprechungen, die mich sehr an die gute, alte Videotheken-Zeit erinnert haben. Denn dort hatte ich einst sowohl den geschnittenen „Phantom der Oper“ mit dem guten alten Robert „Freddy“ Englund, als auch den damals noch stärker geschnittenen „The Demolitionist“ mit Baywatch-Beauty Nicole Eggert ausgeliehen. Volker Schönenbergers Meinung zu den beiden B-Filmen kann ich aus der Erinnerung unterschreiben.

Schlombies Filmbesprechungen erinnern daran, dass es auch tollen deutschsprachigen Creature-Horror gibt. Nämlich den empfehlenswerten „Blutgletscher“ von Marvin Kren, der ja auch danach noch einige tolle Sachen gemacht hat – ja, auch seine „Tatorte“ sind einen Blick wert und natürlich „4 Blocks“ und „Freud“.

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Blu-ray-Rezension: “Der schwarze Tag des Widders“

Auf einer sehr feuchten Silvesterparty betrinkt sich der Reporter Andrea (Franco Nero) fast bis zur Besinnungslosigkeit. Als er am nächsten Morgen erwacht, erfährt er, dass einer der Gäste auf dem Heimweg von einem Unbekannten brutal überfallen und schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Kurz darauf wird ein weiterer Partygast ermordet. Da Andrea beide Opfer kannte, vermutet er einen Zusammenhang zwischen den Verbrechen. Bald findet er Indizien, die seinen Verdacht erhärten. Und dann schlägt der Killer ein weiteres Mal zu. Wieder steht das Opfer im Zusammenhang mit Andrea und es wird nicht das letzte gewesen sein. Da Andrea weiterhin das einzige Bindeglied zwischen den Morden ist, wird nun auch der ermittelnde Kommissar ihm gegenüber misstrauisch…

Mit der Veröffentlichung von „Der schwarzer Tag des Widders“ (es wurde von filmArt der alte DDR-Titel und nicht der besser bekannte, spätere Titel „Ein schwarzer Tag für den Widder“ übernommen) schließt sich eine schmerzhafte Lücke. Denn Luigi Bazzonis Giallo-Meisterwerk gab es in Deutschland bisher in keiner Heimkino-Auswertung. Weder auf VHS, noch auf DVD. Immerhin im Fernsehen lief er mal. Wer sich aufgrund der vielen begeisterten Stimmen den Film in die Sammlung stellen wollte, der war bislang auf Importe angewiesen. Nun ist der Widder – nach langer Wartezeit – endlich auch in Deutschland angekommen. Leider aus lizenzrechtlichen Gründen nur mit deutscher Tonspur, aber da die 1987 in der DDR hergestellte Synchronisation sehr gut geworden ist, soll dies kein allzu großer Mangel sein. Auch wenn es ungewohnt ist, den großen Wolfgang Preiss mit einer völlig anderen Stimme (Werner Ehrlicher) zu hören.

Obwohl „Der schwarze Tag des Widders“ von der Geschichte her ein klassischer Giallo ist, macht Bazzoni dort etwas ganz anderes draus. Die Figuren sind allesamt kaputt, das alles scheint gar nicht in einer realen Welt zu spielen. Ein starkes Gefühl der „Seltsamkeit“ macht sich breit und sorgt dafür, dass man sich nie zu sicher fühlt. Dies spiegelt sich zuerst in dem von Franco Nero großartig gespielten Journalisten Andrea Bild. Eine höchst ambivalente Figur, der man bis zum Schluss nicht trauen kann. Zwar ist der alkoholkranke, gewalttätige und teilweise ziemlich arrogante Andrea unser Protagonist, doch allein aufgrund der eben erfolgten Aufzählung seiner sonstigen Eigenschaften nicht unbedingt ein Sympathieträger. In einer besonders unangenehmen Szene schlägt er ohne besonderen Grund auf seine Freundin ein. In einer anderen bedrängt er immer wieder seine Ex-Geliebte. Andrea stolpert förmlich durch die Geschichte. Doch so wie Franco anlegt, schimmert durch seinen kaputten Panzer auch immer etwas Melancholisches. Und wenn er sich der Wahrheit immer mehr nähert, spürt man seine Wut auf eine Welt, in der alle Werte völlig aus den Fugen geraten sind.

Diese Welt wird von Bazzoni düster gezeichnet und bevölkert von egozentrischen Menschen, die nur noch ihre eigenen Bedürfnisse sehen und die Zuneigung anderer gefühlskalt ausnutzen. Wie der Arzt, den seine gehbehinderte Frau sichtlich anekelt. Wie eben jene Frau, die darum von sich und ihrer Krankheit selber angewidert ist und dies alle anderen spüren lässt. Wie der Vater, der seine junge Tochter auf den Strich schickt. Deren junger Liebhaber, der sich als ihr Zuhälter aufspielt. Die geilen, alten Säcke, die sich an der Nacktheit junger Menschen aufgeilen und dafür bezahlen, diesen beim Liebesakt zuzusehen. Interessanterweise sind es gerade die beiden Frauenfiguren um Andrea Bild, die wie Felsen aus dieser Brandung der Niedertracht herausragen. Die starke, unabhängige Helene (Silvia Monti) und die freche und selbstbewusste Lu (Pamela Tiffin) . Beide scheinen den labilen Macho nur zum eigenen Amüsement um sich herum zu dulden. Helene lässt ihn betteln und dann nur zu sich, wenn es ihr passt. Dazu passt, dass sie in Scheidung von ihrem Ehemann lebt, und Andrea nur ein alter Ex-Geliebter ist, den sie sich noch immer gönnt. Lu ist ein Freigeist, der Andrea ebenfalls nicht braucht und sich nur solange mit ihm abgibt, wie es IHR Spaß macht.

Regisseur Bazzoni ist ein großer Stilist. Jeder seiner Filme ist großartig fotografiert und hat seinen ganz eigenen Stil. In „Der schwarze Tag des Widders“ erreicht dieser Stilwille aber seinen Höhepunkt. Die Bilder sind perfekt durchkomponiert und teilweise von einer Düsternis, wie in einem Film Noir oder gar einem Horrorfilm. Dann wieder von erlesener, bunter Schönheit, fast schon nicht mehr von dieser Welt, was das oben bereits angesprochene Gefühl der „Seltsamkeit“ noch einmal unterstreicht. Auffällig ist auch, wie meisterhaft Bazzoni Architektur und urbane Landschaften in seine Bilder einbaut und diese kommentieren lässt. Wenn sich beispielsweise Andrea und der Kommissar vor einer riesigen aus auf hunderten spiegelnden Glasfenstern bestehenden Fassade unterhalten und dies den Eindruck eines Gefängnisses erweckt, in welches der Kommissar Andrea sicherlich gerne stecken würde. Dafür hat Bazzoni in dem genialen Kameramann Vittorio Storaro einen kongenialen Partner gefunden. Storaro hatte im Vorjahr Dario Argentos wegweisenden Giallo „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ fotografiert und war mit Bernardo Bertoluccis „Der Konformist“ zu dessen Stammkameramann geworden. Später war er seit „Apocalpyse Now“ für Francis Ford Coppola erste Wahl für die Arbeit des Kameramannes, später ebenso für Carlos Saura und Woody Allen. Aber auch mit Bazzoni sollte er immer wieder zusammenarbeiten, u.a. bei dessen nächstem Meisterwerk, dem hochgradig merkwürdigen und wunderschönen „Spuren auf dem Mond“.

Neben einer hervorragenden Darstellerriege, zu der neben Franco auch Wolfgang Preis, Silvia Monti, Rossella Falk, Edmund Purdom, Ira von Fürstenberg, Pamela Tiffin und eine noch sehr junge Agostina Belli gehören, kann Bazzoni auch auf die Dienste eines der größten Filmkomponisten aller Zeiten zurückgreifen. Kein geringerer als Ennio Morricone erschuf den Soundtrack, der effektvoll zwischen eingängigen, wunderschönen Melodien und nervenzehrenden dissonanten Tönen oszilliert. Da wird das Drehbuch eher Nebensache. Dies soll auf dem Roman „The Fifth Cord“ (so auch der englischsprachige Titel des Films) des schottischen Autoren DM Devine beruhen, welches 1967 veröffentlicht wurde. Devine schrieb bis zu seinem Tod 1980 dreizehn Krimis und war ein Favorit von Agatha Christie. Seine Krimis erhielten durch die Bank gute Kritiken und galten als sehr gut konstruiert. In wie weit sich der Inhalt von „The Fifth Cord“ mit „Der schwarze Tag des Widders“ deckt ist mir nicht bekannt. Ich vermute aber mal eher weniger. Denn von „gut konstruiert“ kann beim „Widder“ nicht die Rede sein. Dass alle Figuren irgendwie eng miteinander zusammenhängen ist ebenso an den Haaren herbeigezogen, wie die finale, Giallo-typisch haarsträubende Entlarvung des Killers. Vieles bleibt im Dunkeln, vor allem das wer wann mit wem und warum. Aber dies tut nichts zur Sache, denn es ist einerseits im Giallo-Genre nichts ungewöhnliches, und zweitens kreierte Bazzoni hier ein Film, der auf ganz anderen Ebenen vorzüglich funktioniert und trotz des teilweise wirren Plots eine ganze Menge Spannung erzeugt.

Es ist wunderbar, dass filmArt den Film doch noch auf Blu-ray veröffentlicht hat, obwohl er ursprünglich als DVD angekündigt war. Denn ein stilistisch so wundervoller Film wie „Der schwarze Tag des Widders“ ist einfach für HD gemacht. Entsprechend ist das Bild auch sehr gut und vor allen Dingen nicht totgefiltert, sondern wundervoll „filmisch“. Leider konnte filmArt aus lizenztechnischen Gründen keine italienische oder englische Tonspur mit auf die Scheibe packen. So bleibt nur die deutsche Tonspur, die aber in unterschiedlichen Tonhöhen (24FPS/25FPS) vorliegt. An Extras gibt es nicht viel: Der italienische und der englische Trailer, die sich nur in der Sprache unterscheiden, eine gelöschte Szene (die sich nur beim Ende unterscheidet und nicht weiter wichtig ist). Eine Bildgalerie und als Easter Egg soll es noch den deutschen Vorspann geben (habe ich aber nicht überprüft). Hervorheben sollte man noch das 12-seitige Booklet mit einem Text von Heiko Hartmann.

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Blu-ray-Rezension: “Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“

Nach einem blutigen Überfall hat das flüchtige Bankräuber-Trio Aldo, Walter (in der deutschen Fassung in Mario umbenannt) und Nino eine Autopanne und sucht Zuflucht in einem einer luxuriösen Strandvilla. In diese haben sich Schwester Cristina und ihre jungen Schützlingen aus einem katholischen Internat zurückgezogen, um für ein Theaterstück proben und sich auf das Abitur vorzubereiten. Als die drei Gewaltverbrecher in die Villa eindringen, sind die Mädchen diesen vollkommen ausgeliefert.

Dass filmArt beschlossen hat, den Film „La Settima Donna“ unter seinem reißerischen Kinotitel „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ mit einem an Sadiconazista-ähnlichen Cover zu veröffentlichen, mag eine kalkulierte Marketing-Entscheidung sein. Im Jahre 2022 schlägt einem diese allerdings etwas auf den Magen. Wobei natürlich klar ist, dass der Film bei seiner deutschen Kinoveröffentlichung vor 38 Jahren ebenfalls genauso beworben wurde. Vor vielen Jahren durfte ich diese (gekürzte) Fassung sogar von 35mm auf der großen Leinwand bewundern und erinnere mich noch, dass ich aufgrund des Titels auf das Schlimmste gefasst war. Am Ende fand ich ihn aber eher harmlos – was damals sicherlich an den gekappten Gewaltspitzen und der falschen Erwartungshaltung gelegen haben könnte. Und was ich heute auch nicht mehr nachvollziehen kann. Mehr dazu weiter unter.

Spannenderweise scheint die Kinofassung aber gar nicht die Erste gewesen zu sein, die in Deutschland zu sehen war. Glaubt man den Angaben in der OFDb erschien 1983 (also fünf Jahre nach Herstellung des Filmes) auf VHS eine ungekürzte Fassung bei Action Video unter dem Titel „Verflucht zum Töten“ mit eben jenem Cover, welches nun die neu erschienene Blu-ray ziert. Die gekürzte Kinofassung kam unter dem neuen Titel „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ ein Jahr später auf die Leinwand. Ohne Plakat, bzw. einem Plakat welches marktschreierisch verkündete „Da für diesen sehr harten Film das Filmplakat verboten wurde, kann der Verleih nur dieses Schriftplakat zur Verfügung stellen“. Ferner wird behauptet, der Film beruhe auf „dem gleichnamigen Bestsellerroman von Ettore Sanzo“. Was natürlich beides ein wenig geschummelt ist. Immerhin ist Sanzo aber eine reale Person, nämlich der Drehbuchautor. Und „verboten“ war nichts, aber sehr wohl indiziert. Und zwar das Video „Verflucht zum Töten“ und das schon seit Dezember 1983. Wahrscheinlich stammt daher der Einfall, den Film unter neuem Titel und völlig ohne Bildwerbematerial am 30. November 1984 in die Kinos zu bringen. Genützt hat es nichts. Als er dann später in dieser gekürzten Form mit dem neuen Titel nochmals bei einem anderen Anbieter auf VHS erschien, wurde diese Fassung ebenfalls indiziert.

Doch zurück zum Film selber. Dieser segelt natürlich im Fahrwasser von Vorgängern wie „Last House on the Left“ (dt. „Mondo Brutale“) oder den ebenfalls von Ettore Sanzo geschrieben „L’ultimo treno della notte“ (dt. „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“), der in den USA als „The New House on the Left“ vermarktet. Folgerichtig besitzt „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ auch den englischen Alternativtitel „The Last House on the Beach“. Wer nun ein billigen, sich rein auf spekulative Gewalt konzentrierenden Rip-Off erwartet liegt falsch. „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ entpuppt sich als intelligenter und spannender Home-Invasion-Thriller, der nebenbei auch einige Fragen nach Glauben und männlicher Niedertracht behandelt. Regisseur Francesco Prosperi (weder verwandt noch verschwägert mit dem sehr ähnlich klingenden Mondo-Regisseur Franco Prosperi) ist ein alter Veteran, der bereits bei Mario Bava als Regieassistent dabei war. Er versteht sein Handwerk und das sieht man „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“ auch an, der preisgünstig, aber nicht billig daher kommt.

Interessant ist zuerst einmal die Zusammensetzung des Bankräuber-Trios. Nino (Stefano Cedrati) und Walter (Flavio Andreini) sind schon aufgrund der Besetzung gleich als dümmlicher Triebtäter und sadistischer Psychopath zu erkennen. Ihr bedrohliches Auftreten ruft keinerlei Überraschung hervor. Demgegenüber ist der engelsgleiche Blondling Ray Lovelock als Aldo scheinbar fehlbesetzt (er spielt zwar in „Eiskalte Typen auf heißen Öfen“ (Rezension hier) eine ähnlich „schwierige“ Rolle, ist sonst aber auf Frauen- und sonstige Helden abonniert). Er scheint „der Gute“ in der Bande zu sein. Der nette Junge, der einfach in schlechte Gesellschaft geraten ist. Und so benimmt er sich gegenüber den bedrohten Frauen in diesem Film auch. Er heuchelt Verständnis, verlässt sich ganz auf sein gutes Aussehen und darauf, dass die Frauen ihm sowieso irgendwann verfallen sind, wenn er sie ein wenig in diese Richtung manipuliert. Prosperi spielt das Spiel mit der Erwartung zunächst mit, dann hinterlässt er immer mehr kleine Hinweise, dass die Sache etwas komplexer ist als gedacht. In einer wunderbaren Szene legt er dann ganz die Karten auf den Tisch. Während Aldo Mitleid erheischend davon berichtet, wie er unschuldig in den fatalen Bankraub verwickelt wurde, wird jener noch einmal gezeigt. Waren die Gesichter der Bankräuber in der Eröffnungsszene noch verborgen, sieht man nur ganz deutlich, wer was beim Überfall zu verantworten hat. Und die Bild-Ton-Schere geht hier doch gewaltig auseinander. Der Verdienst Prosperis liegt darin, dass die Frauen nicht klischeemäßig auf Aldos sonnige Art hereinfallen und sich ihm an den Hals werfen, sondern im grandiosen Finale im wahrsten Sinne zurückschlagen und den von sich selbst überzeugten Macho zurechtstutzen. Eine Szene, die vielleicht Quentin Tarantino zum Ende von „Death Proof“ inspiriert hat.

Die zweite spannende Figur ist die der Nonne Schwester Cristina (überzeugend gespielt von der großartigen Florinda Bolkan) deren Beruf(ung) erst nach der Hälfte des Filmes aufgedeckt wird. Vorher scheint scheint sie einfach die erwachsene Begleiterin der minderjährigen (naja) Mädchen zu sein. Interessant ist vor allem die Art und Weise wie Cristina gezeigt wird. Als eine Nonne, die eben nicht ihren Habit trägt, und sich mit ihren Schützlingen auf einer Ebene und nicht von oben herab verhält. Eher wie die ältere Freundin, nicht die klerikale Respektsperson. Ich kenne mich in der katholischen Kirche nicht besonders aus, doch ist mir bisher nicht bekannt gewesen, dass sich Nonnen so verhalten, bzw. auf das Habit verzichten. Ist Cristina besonders progressiv? Setzt sie sich über die Weisungen der Kirche hinweg? Einmal erwähnt sie, dass sie vor ihrer Zeit als Nonne durchaus körperliche Freuden genossen hätte. Was ist ihre Geschichte? Als sie einen der Eindringlinge förmlich hinrichtet, nimmt sie vorher ihr Kreuz ab und verwahrt es in einem Schrank. Bricht sie hier endgültig mit der Kirche? Und wenn sie am Ende voller Zorn fast schon hysterisch versucht sich den Ring vom Finger zu ziehen – tut sie dies aus Enttäuschung gegenüber eines Gottes, der zulässt, dass so viel Grausames geschieht? Oder verwandelt sie sich hier wie ihre Schützlinge in eine rasende Bestie, die gleiches mit gleichem vergelten will – was ihr Glaube aber nicht zulässt? Viele Fragen, viel spannender Interpretationsspielraum.

Ein weiterer interessanter und sehr effektiver Ansatz Francesco Prosperis ist es, vieles nicht bis zum Letzten auszuspielen und mit der Kamera drauf zu halten. Bei den schlimmsten Gewalttaten konzentriert sich die Kamera ganz auf die schmerzverzerrten, angsterfüllten Gesichter und vor Schrecken weit ausgerissenen Augen, statt die Grausamkeiten in allen Details auszuwalzen. Was die Identifikation mit den Opfern fördert und diese Szenen ganz besonders unangenehm machen. So spielt sich das meiste dann im Kopf des Betrachters ab. Und Prosperi findet genau die Balance zwischen Zeigen und Imagination, die einem einen Knoten in den Magen dreht. Dazu kommt noch eine gute Besetzung, die aus den jungen Mädchen nicht austauschbares Schlachtvieh macht (wie es in den US-Slashern der 80er Jahre häufig der Fall war), sondern ihnen eigenständige Charaktere gibt. Hier sei vor allem die Amerikanerin Sherry Buchanan lobend erwähnt.

Unterstützt wird dies alle durch einen sehr gelungen Soundtrack von Roberto Pregadio, der auch einen sehr passenden, ziemlich an Bryan Ferrys „Let’s Stick Together“ erinnernden Song beisteuert, der von Ray Lovelock persönlich eingesungen wurde. Außerdem sollte hier die sehr gute Kameraarbeit durch Cristiano Pogany, dessen vierte Arbeit dies erst war, hervorgehoben werden. Für Francesco Prosperi sollte dies leider die letzte bedeutende Arbeit bleiben. Sein Karriere endete fünf Jahre später mit zwei eher durchschnittlichen Barbaren-Filmen. Wer kann, sollte sich allerdings einmal seinen tollen Action-Thriller „Ich heiße John Harris“ von 1966 ansehen, der kürzlich bei Cineploit in Österreich erschien.

Die filmArt-Bluray hat ein sehr gutes Bild. Es gibt eine vom Negativ und Interpositiv restaurierte Fassung und eine unrestaurierte Fassung, die nur vom Interpositiv gezogen wurde. Deutscher und Italienischer Ton liegt einmal gefiltert und einmal ungefiltert vor. Untertitel sind in Deutsch und Englisch dabei. Ein Audiokommentar von Prof. Dr. Stiglegger und ein informatives und ausführliches 16-seitiges Booklet von Heiko Hartmann stellen den Hauptbonus dar. Diverse Trailer und eine sogenannte Flashframe-Montage (8 Minuten), runden die Extras ab.

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Das Bloggen der Anderen (30-05-22)

Sennhausers Filmblog berichtet weiter aus Cannes und stellt einige Filme vor, die ich gerne auf der großen Leinwand sehen würde. So wie Cronenbergs neuen Film „Crimes of the Future“, „Decision to Leave” von Park Chan-Wook, “Holy Spider” von Ali Abbasi, der den tollen „Border“ gemacht hat oder „Stars at Noon“ von Claire Denis, weil ich Margaret Qualley gerne mal wiedersehen würde.

– Eine ebenso spannende, wie traurige Geschichte. Christian Neffe berichtet auf kino-zeit.de über Rudolf Breslauer und seinen Westerbork-Film.

– Was läuft nächsten Monat im Kino? Eine schöne Übersicht gibt es bei Der Kinogänger.

– Howard-Ziehm-Experte Christian Genzel schreibt auf Wilsons Dachboden über Ziehms „Seeds of Lust“ von 1971.

– Anlässlich des 100. Geburtstages von Christopher Lee stellt Volker Schönenberger auf die Nacht der lebenden TexteBlut für Dracula“ vor (den Lee selber gar nicht mochte).

– Apropos Dracula. Der kommt auch in „Die Nacht der offenen Särge“ vor (wenn auch nicht in der deutschen Synchro, wo er Graf Sartana (!) heißt), der ja im Original dann auch „Drácula contra Frankenstein“ heißt. Bluntwolf äußert sich auf Nischenkino eher kritisch über Jess Francos Monster-Film.

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DVD-Rezension: „Schöner Gigolo, armer Gigolo“

Paul Ambrosius von Przygodski (David Bowie) kehrt nach dem 1. Weltkrieg zurück nach Berlin. Dort hat seine Mutter das elterliche Haus in eine Pension verwandelt und geht in einem Türkischen Bad arbeiten, um über die Runden zu kommen. Paul selber versucht es auch in einigen Berufen, scheitert allerdings immer wieder. Erst als Gigolo findet er seine Bestimmung…

David Bowie mag diesen Film überhaupt nicht und sagte über ihn „Oh well, we’ve all got to do one [bad movie] and hopefully I’ve done mine now.“. Dabei macht er eine durchaus gute Figur als Sohn einer preußischen Militärfamilie. Das Problem ist nur, dass seine Figur Paul Ambrosius von Przygodski vom Drehbuch und Regisseur David Hemmings ziemlich allein gelassen wird. Eine echte Entwicklung ist nicht zu erkennen, auch wenn die Handlung sich über mehrere Jahre zieht. Paul ist das Produkt einer Erziehung, die Wert auf preußische Tugenden legt. Darum ist er auch glücklich beim Militär, wo er aufgrund seiner Abstammung und seines Rangs ein gewisses Ansehen genießt, und wo er Befehle ausführen kann. Gut aussehen und keine Initiative entwickeln, das ist das Leben, welches wie für Paul gemacht ist. Nach dem Krieg ist er dementsprechend entwurzelt und treibt durch das wilde Berlin, welches von der ersten Depression nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg zu einem brodelnden Nachtleben und wilden Ausschweifungen findet. Dabei kommt auch Pauls eher kindlicher Charakter immer mehr zum Vorschein. Zu Beginn versucht er sich in mehreren Jobs, schaut mit großen erstaunten Augen auf eine Welt, die er nicht so recht versteht. Klappen tut es nirgendwo, was auch an seinem generellen Desinteresse liegt. Erst als Gigolo findet er sich zurecht. Wieder muss er nur gut aussehen und keine eigene Initiative zeigen, um Ansehen (bei den älteren Damen und seinen Kollegen, aber immerhin) zu gewinnen. In vielen Kritiken zum Film wird hervorgehoben, dass Bowies Schauspiel hier noch nicht ausgereift, ja amateurhaft wirken würde. Was nicht unbedingt stimmt. Bowie passt schon in die Rolle des schönen Gigolos und gibt sich Mühe die schauspielerischen Hürden zu überwinden. Allerdings muss man zugeben, dass man Bowie, durch und durch Engländer, nicht unbedingt den preußischen Offizier abnimmt. Oder den Berliner Jungen.

Zudem wirkt der Film uneinheitlich und an manchen Stellen überhastet. Letzteres mag daran liegen, dass er ursprünglich 142 Minuten lief, dann aber von Hemmings auf 101 Minuten hinunter geschnitten wurde. Die deutsche Fassung unterscheidet sich gerade beim Beginn von der englischsprachigen Fassung und läuft sogar nur 95 Minuten. Die Kürzungen merkt man immer wieder, denn der Film fühlt sich an wie der Zusammenschnitt einer Serie. Immer wieder wird zum Winter des jeweiligen Jahres die Jahreszahl eingeblendet. Doch zwischen zwei Wintern liegen im Film manchmal nur wenige Minuten. Zwischen den Jahren verschwinden ganze Handlungsstränge und Figuren. Zum Beispiel in einer Szene in der mehr als nur angedeutet wird, dass Hauptmann Kraft und Paul eine homosexuelle Beziehung eingehen. Doch im nächsten Schnitt ist wieder ein Jahr vergangen und Kraft zunächst aus der Handlung verschwunden. Man erfährt jedoch beiläufig, dass die Beiden scheinbar dieses Jahr miteinander verbracht haben. Was vorgefallen ist, wie sie es verbracht haben und warum Paul nun wieder allein ist, dies wird der Fantasie des Zuschauers überlassen. Manchmal vergehen laut Einblendung mehrere Jahre bis sich zwei Personen wiedersehen, was dann aber auch nicht wirklich thematisiert wird. Das verwirrt erst einmal und lässt den Film unvollständig wirken.

Die oben angesprochene Uneinheitlichkeit mag man auch Hemmings Inszenierung ankreiden. Manchmal verliert er sich in absurdem Slapstick, der den Film eindeutig in der Farce verortet. Dann wieder inszeniert er sehr ernsthaft und mit Hang zum großen Drama. Manchmal gelingen großartige Szenen (zum Beispiel, wenn Curd Jürgens den nackten Bowie in der Badewanne überrascht), dann wird es wieder albern (leider fast alle Szene mit Kim Nowak) oder schlicht belanglos. Hätte sich Hemmings dazu durchgerungen, den Film von Anfang an als absurde Komödie anzulegen, wäre das Ergebnis runder und vielleicht sehr viel interessanter geworden. Immerhin verleiht Hemmings seinem Film eine bittere und kompromisslose Pointe, die man so nicht kommen sieht. Und die einer schwarzen Komödie durchaus gut zu Gesicht gestanden und dort eine noch größere Wirkung hätte entfalten können.

Das Aufgebot an Schauspieler ist schlicht überwältigend. Neben Bowie und Hemmings (noch solch ein typischer Brite, der hier allerdings einen deutschen Nazi spielt), haben wir wie gesagt Kim Nowak, Curd Jürgens, Sidney Rome, Maria Schell, Werner Pochath und Erika Pluhar. Bis auf Sydne Rome leider alle in teilweise so kleinen Rollen, dass man mehr von einem Cameo sprechen kann. Dies gilt insbesondere für den größten Star des Filmes: Die legendäre Marlene Dietrich, welche mit 77 Jahren noch einmal aus dem Ruhestand kam, um hier mitzuspielen. Sie hat nur zwei Szenen und wenn man darauf achtet, merkt man deutlich, dass diese separat gefilmt wurden und sie keinerlei Kontakt zu ihrem Mitspieler David Bowie hatte. Tatsächlich nahm man ihre Szenen in einem Studio in Paris auf, während die mit Bowie in Berlin gedreht wurden. Die Dietrich versteckt ihr Gesicht hinter einem Schleier und viel Make-Up. Sie wirkt dadurch auf eine merkwürdige Weise jung, aber auch sehr fremd. Ja sogar unnatürlich, bzw. man das Gefühl nicht loswird, dass hier eine Schönheitschirurg Hand angelegt hat. Trotzdem versprüht sie noch eine ziemliche Präsenz und wenn sie am Ende das Titellied „Just a Gigolo“ singt, ist man doch froh sie hier noch ein letztes Mal erleben zu dürfen.

Die Pidax-Veröffentlichung hat zwei Versionen des Filmes an Bord. Einmal die etwas kürzere deutsche Kinofassung (95 Minuten) und einmal die längere englische Fassung (101 Minuten). Erstere nur mit deutschem Ton, letztere nur auf Englisch. Neben inhaltlichen Unterschieden (in der englischen Fassung ist der Beginn in Sepia gehalten, in der deutschen Fassung in Farbe, der Schnitt ist auch anders) fällt vor allem der qualitative Unterschied des Bildes auf. Die deutsche Fassung hat ein befriedigendes Bild, während die englische Fassung deutlich schlechter ist. Als einziges Extras gibt es einen sehr kurzen Ausschnitt eines Interviews mit Kameramann Charly Steinberger, in dem er erzählt wie die Dreharbeiten mit Marlene Dietrich waren.

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