Blu-ray-Rezension: “Die tödliche Kobra“

Zen Chong (Ti Lung) war einst Shaolin-Mönch. Doch nun hat er sich dem Mandschu-Gouverneur Pei Le (Michael Wai-Man Chan) angeschlossen und führt in dessen Namen ein Schreckensregime. Sein Ziel ist es die Shaolin auszulöschen. Zuerst geht der Tempel in Flammen auf, dann lässt er seine ehemaligen Freunde gefangen nehmen. Doch statt sie auf Geheiß des Mandschu-Herren hinrichten zu lassen, kann er ihn überreden, sie ins Gefängnis zu werfen und dort grausamer Folter zu unterziehen, damit sie den Aufenthaltsort ihrer geflohenen Kameraden preisgeben. Doch da die Folter vor allem darin besteht, von Zen Chong zusammengeschlagen zu werden, lernen die Gefangenen dabei viele neue Kung Fu Techniken hinzu und beginnen den Aufstand gegen Zen Chong und den Gouverneur zu planen…

Ti Lung war einer der größten Stars des legendären Shaw Brothers Studio. Seine Erfolge feierte er zunächst im Doppelpack mit David Chiang, bevor sich ihre Wege Ende der 70er Jahre trennten. Aber auch solo trat Ti Lung in vielen großartigen Produktionen der Shaw Brothers auf. Vor allem auch in einer Reihe von Filmen, die auf den Romanen von Gu Long beruhenden und von Chor Yuen inszeniert wurden. „Ti Lung – Die tödliche Kobra“ stellt eine der sehr wenigen Ausnahmen dar, bei denen Ti Lung einmal nicht für die Shaw Brothers vor der Kamera stand. Hier spielt er die Hauptrolle in einem für die taiwanesische Produktionsfirma Yen Shing Film Company hergestellten Film, der mit einem deutlich geringeren Budget als die durchschnittliche Shaw-Brothers-Produktion zurecht kommen muss.

Trotzdem gelang es, gleich drei Hongkong-Stars zu verpflichten. Wobei fairerweise gesagt werden muss, dass zwei von ihnen noch nicht auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes angekommen waren. Dies ist einmal Danny Lee, der 1989 neben Chow Yun-Fat in John Woos epochalem „The Killer“ die Hauptrolle spielte. Und Wu Ma, bekannt als alter Taoist in Siu-Tung Chings Erfolgsfilm „A Chinese Ghost Story“. Wu Ma übernahm bei „Die tödliche Korba“ auch den Regiestuhl, den er sich laut OFDb mit Pao Hsueh-Li teilte. Am Drehbuch schrieb Kuang Ni mit, der für zahlreiche Shaw-Brother-Klassiker wie „Das Schwert des gelben Tigers“, „Die 36 Kammern der Shaolin“ und unzählige Zusammenarbeiten mit Chang Cheh verantwortlich war. Dies erklärt vielleicht die hohe inhaltliche Qualität von „Die tödliche Kobra“, welche sich wohltuend von anderen günstigen Taiwan-Produkten dieser Zeit unterscheidet.

Da ist zunächst einmal die Figur des von Ti Lung gespielten Zen Chong, welche zunächst als kaltblütiger Schurke und Verräter eingeführt wird. Ein wenig erinnert dies an Ti Lungs Rolle in „Die Blutsbrüder des gelben Drachen“ (Rezension hier), wo er auch einen Abtrünnigen spielt, der seine ehemaligen Freunde ans Messer liefert. Doch bald wird klar, dass da aber mehr hinter steckt, als auf dem ersten Blick zu erkennen ist. Nur was das ist, das bleibt dem Zuschauer verborgen. Hier und da werden Hinweise gegeben, doch die eigentliche Agenda Zen Chongs erschließt sich erst im Finale. Dass hier nicht von vorn herein klar ist, wie die Figur tickt, macht sie ambivalent und damit auch interessant. Ti Lungs schauspielerische Fähigkeiten tragen dazu bei, dass die Figur glaubwürdig und nicht eindimensional erscheint, man an ihrem Schicksal interessiert ist.

Neben Ti Lung verblassen allerdings seine Mitspieler. Einen echten Gegenspieler hat er nicht. Bei den gefangenen Rebellen schält sich zwar der Koreaner Pao Hsueh-Li als Bruder Chao als Hauptfigur hervor, doch wirklich abheben kann er sich auch nicht. Auf der Seite der Bösen ist es Michael Wai-Man Chan, der den Antagonisten gibt. Doch allzu viel Zeit verbringt auch er nicht auf der Leinwand, als dass er sein Charisma ausspielen könnte. Ähnliches gilt für seinen Handlanger, der zwar im Hintergrund Intrigen spinnt, aber sich auch nicht wirklich als dämonische Gefahr etablieren kann.

Alle weiteren Figuren gehen in der Masse auf ohne besonders aufzufallen. Mit Ausnahme von Szu Shih als Frau des Bösewichts Madame Shui Liang, die eine ähnlich zweideutige und spannende Rolle einnimmt wie Zen Chong. Doch leider taucht auch Szu Shih nicht so häufig aus, dass sich eine wirkliche Chemie zwischen Madame Shui Liang und Zen Chong entwickeln könnte. Schade, denn von der Anlage der Rolle und Szu Shihs Präsenz wäre hier mehr drin gewesen.

Bei einem Martial-Arts-Film spielen die Kämpfe immer eine große Rolle und auch hier kann „Die tödliche Kobra“ punkten. Statt übertrieben durch die Luft zu wirbeln, hat man sich für ein realistischeres Konzept entschieden. Die körperlichen Auseinandersetzungen sind nicht so brutal und blutig wie bei den Shaw Brothers, sondern erinnern eher an eine ausgefeiltes Ballett. Dabei kann Ti Lung mehr als einmal beweisen, dass er zu den elegantesten Kämpfern auf der Leinwand zählte. Es ist ein ästhetisches Vergnügen ihm zuzuschauen. Auch seine Gegner verstehen ihr Handwerk.

Ein wenig wird einem der Filmgenuss von einem manchmal sehr verwirrenden Schnitt schwer gemacht. Gerade zu Beginn wird so abrupt und scheinbar willkürlich von Szene zu Szene gesprungen, dass man als Zuschauer völlig die Orientierung über Zeit und Raum verliert. Dass nicht viel Geld zur Verfügung stand merkt man auch an den Kulissen. So ist der Innenhof in dem die meisten Kämpfe stattfinden, als enge Studio-Kulisse zu erkennen, bei der einige Schlagschatten verraten, dass der „Himmel“ nur eine blau angemalte Wand ist. Und bis auf die Vernichtung des Shaolin-Tempels am Anfang, der den Verdacht erregt, er stamme er aus einem anderen Film, sind die weiteren an einer Hand ab zu zählenden Drehorte eher unspektakulär. Wobei aber immerhin festgehalten muss, dass das finstere Folterverlies von der Kamera sehr stimmungsvoll eingefangen wird.

Die neu Blu-ray von filmArt ist bereits ein Zweitauflage. Inwieweit sich diese von der Erstauflage unterscheidet ist mir nicht bekannt. Die Inhaltsbeschreibung auf der OFDb klingt erst einmal gleich. Enthalten sind vier Versionen: Deutsche Kinofassung (leicht gekürzt, restauriert), Deutsche Kinofassung (leicht gekürzt, unrestauriert), Erweiterte Filmfassung (ungeschnitten, restauriert), Erweiterte Filmfassung (ungeschnitten, unrestauriert). Auch beim Ton hat mal mehrere Auswahlmöglichkeiten: Deutsch, Englisch oder Mandarin (letzteres mangels deutscher Untertitel nicht wirklich brauchbar). Für diese Review schaute ich die Erweiterte Filmfassung (ungeschnitten, restauriert). Die in der deutschen Kinofassung fehlenden Bilder (es sind wirklich nur drei sehr kurze Szenen, welche nur zeigen, wie Menschen im Moment des Todes die Augen aufreißen und Blut spucken) wurden in schlechter VHS-Qualität als Vollbild eingefügt. Anders liegen sie scheinbar nicht vor. Das Bild der Blu-ray selber ist gut. Zugrunde lag augenscheinlich eine alte 35mm-Kopie. Das sieht man, stört aber nicht im Geringsten. Im Gegenteil.

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