Filmbuch-Rezension: Christian Keßler “Gelb wie die Nacht – Das italienische Thrillerkino von 1963 bis heute“

Mittlerweile ist es zu einem wundervollen Ritual geworden. In regelmäßigen Abständen erscheint ein neues Filmbuch des Bremer Filmgelehrten Christian Keßler. Und wer ihm auf Facebook folgt, der ist von Anfang an dabei. Von der ersten Idee, über den teilweise mühsamen Entstehungsprozess, zu den letzten Korrekturlesungen – und dann ist es da. Was wie ein cleverer Marketingtrick klingt, ist genau das Gegenteil. Wer Christian Keßler kennt weiß, dass ihm nichts ferner liegt. Christian Keßlers Leser sind nicht nur Fans seiner Veröffentlichungen, sondern sie mögen ihn und seine Art auf ganz besondere Weise. Im Gegensatz zu den Kommentarspalten anderer Autoren und bekannter (und unbekannter) Film- und Medienwissenschaftlern herrscht auf seiner Facebook-Seite eine angenehme Harmonie ohne böse Worte, Häme und Streit.

Und genau dies zeichnet auch seine Bücher aus. Hier wird mit den Objekten seiner Texte gelacht, nicht über sie. Man spürt Christian Keßlers Liebe zum Thema, seine Anmerkungen sind häufig humorig, aber nie zynisch. Eine willkommene Abwechslung zu dem, womit man sonst so konfrontiert wird. Und Christian Keßler stellt auch nie sich selber narzisstisch in den Vordergrund oder bügelt jemanden seine Meinung über, sondern es geht immer und in erster Linie um das Thema seines Buches. Das liest sich angenehm und so, als ob ein alter Freund mal eben bei einem leckeren Bier oder guten Wein über sein Lieblingsthema plaudern. Wobei dies nicht falsch verstanden werden darf: Es ist nicht luftleeres Geplapper, sondern hochspannende, interessante und oftmals mit Anekdoten und Informationen über die Filmemacher und Schauspieler angereicherte Gespräche.

Das neue Buch „Gelb wie die Nacht“ behandelt die speziell italienische Form des Thrillers: Den sogenannten „Giallo“. Ich wage mal zu behaupten, es war das von Christian Keßlers Lesern am meisten erwartete Buch. Wurde Christian Keßler doch gerade durch seine Artikel zu allen möglichen Italo-Genres in der legendären „Splatting Image“ bekannt, beeinflusste hiermit den Geschmack vieler Filmfreunde und „züchte“ eine ganze Generation Italo-Fans heran. Sein erstes Buch „Das wilde Auge“, welches allgemein das italienische Genrekino behandelte, wird mittlerweile für 249,- Euro (gebraucht!) auf Amazon gehandelt. Und der Giallo ist bis heute eine der beliebtesten Spielarten des Italo-Genrekinos. Kein Wunder also, dass gerade „Gelb wie die Nacht“ von vielen mit großer Spannung und Freude erwartet wurde.

Für „Gelb wie die Nacht“ wählte Christian Keßler wie bereits in seinem 2002 erscheinen Buch „Willkommen in der Hölle“ über den Italo-Western, die Form des Nachschlagewerks. Über 250 Gialli von 1963 bis 2013 werden ausführlich besprochen und – dies ist ein kleines Novum – mit farbigen Filmplakaten illustriert. Allein dafür würde sich schon die Anschaffung lohnen. Die Reihenfolge der Titel richtet sich diesmal nicht nach dem Titel, sondern der Erstveröffentlichung. Als erster Giallo gilt bei Christian Keßler Mario Bavas „La Ragazza Che Sapeva Troppo“ aka „The Girl Who Knew Too Much“, abgeschlossen wird das Buch mit einem „Kuckucksei“, nämlich der argentinischen Giallo-Hommage „Sonno Profondo“ aka „Deep Sleep“ von Luciano Onetti.

Christian Keßler nimmt sich dabei bewusst die Freiheit den Begriff Giallo teilweise weit auszudehnen (insgesamt drei Nicht-Italienische Produktionen finden hier Eingang) und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Was mir gleich zu Beginn auffiel, als ich nach Pupi Avatis Giallo-Komödie „Neun Leichen hat die Woche“ suchte, aber nicht fündig wurde. Das macht aber auch gar nichts, denn als Überblick über das Genre, reichen die von Christian Keßler ausgewählten Filme auch völlig aus. Und die „Lücken“ sind an einer Hand abzuzählen. Dieser Hinweis soll auch nicht als Kritik, sondern eher als Management der Erwartungshaltung verstanden werden.

Mir hat das Buch sehr viel Freude bereitet und zum stundenlangen Stöbern verleitet. Durch seine Struktur lädt es ja auch dazu ein, mal hier, mal dort reinzuschauen, bekannte Filme zu suchen, unbekannte zu entdecken und sich in der gelben Welt des Giallo zu verlieren. Oder wie ein Freund von mir meinte: „Das Keßler Buch ist echt fies, jede Seite macht Lust auf mindestens zwei Filme“.

Christian Keßler “Gelb wie die Nacht – Das italienische Thrillerkino von 1963 bis heute“, Martin Schmitz Verlag, 352 Seiten, gebunden, farbige Abbildungen, € 35,00

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