26. Internationales Filmfest Oldenburg: Weitere Filme und Tribute

Der nächste Schwung Filme wurde vom Internationalen Filmfest Oldenburg angekündigt und lässt das Herz schneller schlagen. Wenn nur die Hälfte der Filme die Versprechen, welche die Beschreibungen machen, einlöst, dann wird es ein ausgezeichnetes Festival.

Wie gehabt: Text aus der Pressemitteilung, Anmerkung in kursiv von mir.

Adamstown, Deutschland 2019, von Patrick Merz & Henning Wötzel-Herber
Adamstown ist Musik, Adamstown ist Comic. Adamstown ist die Verdammnis, Adamstown ist unsere Hoffnung. Und jetzt ist Adamstown auch ein Film. Patrick Merz und Henning Wötzel-Herber haben die gleichnamige Graphic Novel von der Hamburger Künstlerin Verena Braun für die Leinwand adaptiert und ein Cinemascope-Westernmusical im norddeutschen Flachland inszeniert. Das besondere daran: Der Film ist komplett ohne klassische Filmförderung entstanden. Produziert wurde der Film vom ABC Bildungs- und Tagungszentrum, der Hüller Medienwerkstatt und Directors-Cut. Beteiligt am Projekt waren Menschen mit und ohne Behinderung, Fluchtgeschichte ebenso wie Menschen verschiedener geschlechtlicher Identitäten, kulturellen und religiösen Hintergründen. Das Internationale Filmfest Oldenburg freut sich neben den Regisseuren nahezu das gesamte Ensemble zur Weltpremiere in Oldenburg willkommen zu heißen. – Ein interessanter Ansatz. Die zugrundeliegende Graphic Novel kenne ich leider bisher nicht, kann also auch nichts im Inhalt des Filmes sagen. Bei solchen Produktionen – so löblich sie auch sind – besteht ja aber auch immer die Gefahr des „zu viel gewollt“, was ich hier auch befürchten würde, wenn all die Themen, die in der Besetzung anklingen, auch in dem Film untergebracht werden sollen. Aber mal abwarten.

The Projectionist, Dominikanische Republik 2019, von José María Cabral
Eliseo ist ein mürrischer, hoffnungsloser Nostalgiker. Er lebt allein, und in der Erinnerung an eine vergangene, cineastische Welt. Mit seinem fahrenden Projektor reist er von Stadt zu Stadt, um das Kino zu den Menschen zu bringen. Seine größte Liebe gilt einer Frau – doch sie existiert nur auf körnigen, knisternden Filmrollen, die er nachts auf ein Bettlaken projiziert. Tausende Male hat er der schönen Fremden schon zugeschaut, mit ihr gegessen, mit ihr geschlafen. Als die alten Filmrollen durch einen Unfall zerstört werden, macht Eliseo sich auf die Suche nach der Unbekannten. EUROPAPREMIERE – Das klingt doch schon mal super. Ich meine aus der Dominikanischen Republik bisher auch noch keinen Film gesehen zu haben. Ist vorgemerkt.

Greener Grass, USA 2019, von Jocelyn DeBoer & Dawn Luebbe
In einer skurril-schrillen Vorstadthölle sind nicht nur die Pflanzen aus Plastik, auch die Bewohner versuchen sich mit viel Makeup und grellen Outfits zu optimieren. In ihrem blinden Bemühen um Geltung und Akzeptanz geschehen die absurdesten Dinge. Als eine der roboterhaften Nachbarinnen aus diesem Plastiktraum erwacht, entwickelt sich »Greener Grass« zu einer tiefschwarzen Komödie. DeBoer und Luebbe haben »Greener Grass« nicht nur produziert, sie sind auch in den Hauptrollen zu sehen, haben das Buch geschrieben und Regie geführt. Der Film ist eine der Festivalsensationen des Jahres, nach der Premiere beim Sundance Festival bringen die beiden ihr Werk nun nach weiteren Stationen in Locarno und Deauville nach Oldenburg. DEUTSCHLANDPREMIERE – Ich fühle mich bei der Beschreibung ja einerseits an „Stepford Wifes“ erinnert, andererseits an Tim Burtons Vorstadt-Alpträume seiner frühen Filme. Der Trailer geht allerdings in eine ganz andere Richtung und kommt recht absurd, aber auch überladen daher. Kann trotzdem spannend werden.

Patrick, Belgien 2018, von Tim Mielants
Patrick lebt mit seinen Eltern auf deren Nudisten-Campingplatz mitten in der belgischen Pampa. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt er dessen Geschäfte. Seine erste Amtshandlung: die Suche nach dessen kurz zuvor verschwundenen Lieblingshammer. Das kuriose Detektivspiel mit reichlich Situationskomik entwickelt sich schon bald zu einer Metapher der Trauer um seinen Vater und einer Sinnsuche im eigenen Leben. Als Patricks Hammer Werkzeug eines Verbrechens wird, überschlagen sich die Ereignisse. Tim Mielant gelingt eine Gradwanderung zwischen Slapstick, tiefgehenden Lebensfragen und sensiblen Beobachtungen. »Patrick« wurde beim Filmfest Karlovy Vary für die Beste Regie ausgezeichnet. DEUTSCHLANDPREMIERE – Wie ich beim letzten Mal schon schrieb, haben mich die belgischen Filme in Oldenburg immer wieder positiv überrascht. Auch dieser hier klingt sehr vielversprechend. Und der Regiepreis in Karlovy Vary ist ja auch nicht die schlechteste Empfehlung. Der Trailer verbreitet eine dunkel-melancholische Stimmung. Ich hoffe, ich bekomme den Film in meiner Planung unter.

Sequin in a Blue Room, Australien 2019, von Samuel van Grinsven
»Sepuin« ist der Künstlername eines 16-Jähirgen, der zur ersten Generation erwachsenwerdender Homosexueller gehört und im Zeitalter der Sozialen Medien und Netzwerke herausfinden will, wer er ist. Seine Eltern sind fürsorglich und sein Schulalltag ist unauffällig. In der digitalen Welt jedoch, in der sich diverse Möglichkeiten auftun, versinkt Sequin in Chat-Apps und wird schneller erwachsen, als es normal wäre: Immer eingeloggt – aber niemals emotional gebunden. Er fälscht sein Alter und ignoriert Bekanntschaften, sobald der Reiz verflogen ist. Er scrollt weiter. Als er auf einen geheimnisvollen Mann trifft, ändert sich das: Er ist entschlossen, den Fremden aufzuspüren und begibt sich in ein gefährliches Labyrinth. Samuel Van Grinsven gewann bei seiner Premiere im Juli beim Sydney International Film Festival den Publikumspreis. INTERNATIONALE PREMIERE – Ein Thema, welches mich sehr interessiert und beschäftigt. Die Frage ist, ob der Film jetzt mehr in die Thriller-Richtung, Coming-of-Age oder (wie ich hoffe) doch einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Verlust der Realität in den sozialen Netzwerken geht. Bin gespannt.

The Science of Fiction, Indonesien 2019, von Yosep Anggi Noen
Indonesien in den 60ern: Inmitten eines Staatsstreichs und einem von der Welt verborgenen Genozid, stolpert Siman in ein im Wald verstecktes Filmset. Die verborgenen Dreharbeiten: die vorgetäuschte Mondlandung. Er wird gezwungen, sich die Zunge abzuschneiden, um seiner Verschwiegenheit gewiss zu sein. Traumatisiert baut er in seinem Garten eine Rakete nach und beginnt sich zu bewegen wie ein schwereloser Astronaut auf dem Mond. Ein Leben in Zeitlupe als Ausweg in eine bessere Welt. Zum 50ten Jahrestag der Mondlandung, in Zeiten, die mehr denn je mit „Fake News“ überflutet sind, kommt dieser wilde und intelligente Film des indonesischen Shooting Stars Yosep Anggi Noen gerade rechtzeitig. In Locarno erhielt Noen besondere Erwähnung der Jury. DEUTSCHLANDPREMIERE – Das klingt in der Tat wild. Auch den würde ich mir gerne ansehen. Wie ich überhaupt an dieser Stelle erwähnen möchte, dass mich bisher noch nie so viele Filme beim Internationalen Filmfest in Oldenburg im Vorfeld so stark angesprochen haben. Das kann ein ganz starker Jahrgang werden. Ich hoffe mal, damit schraube ich jetzt meine eigenen Erwartungen nicht zu hoch.

The Gasoline Thieves, Mexiko 2019, von Edgar Nito
Die mexikanische Provinz, in der Lalo aufwächst, ist alles andere als sicher. Die unbeschwerte Jugend des Jungen endet abrupt, als ihn die Suche nach der Gunst seiner Schulhofliebe in eine lokale Untergrundbande katapultiert. Während der Ölkrise lässt er sich von den „Huachicoleros“ in gefährliche nächtliche Raubzüge verwickeln, auf denen in den umliegenden Raffinierien das wertvolle Öl abgepumpt wird, um es auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. In seinem Spielfilmdebut verfolgt Regisseur Edgar Nito den verhängnisvollen Weg Lalos und zeichnet das Bild eines armen, gottverlassenen Landes. Beim New Yorker Tribeca Film Festival wurde Nito mit dem Best New Narrative Director Award ausgezeichnet. EUROPAPREMIERE – Klingt spannend. Wie schon anlässlich eines anderen Films bei den letzten Film-Vorstellung geschrieben, besteht immer die Gefahr der Glamourisierung der Armut. Aber in der Regel betrifft dies ja immer nur den Blick von außen und weniger Filme aus den betroffenen Ländern.

Bis die Welt einen Rand bekommt, Deutschland 2019, Daniel Bertram
Flos Vater liegt im Koma. Sie berührt seine Finger, flüstert ihm ins Ohr – doch: nie erlebt sie eine Reaktion. Ihre Mutter Julia muss sich derweil mit der schlimmsten aller Fragen auseinandersetzen, wann die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt werden. In ihrer Ohnmacht öffnet sie ihrem Kind den einzigen Ausweg aus der Situation, sie gewährt Flo die Schaffung einer Fantasie, die zunehmend zu einer Parallelwelt heranwächst: Ihr Vater ist ein Astronaut auf der Reise zum Mond. Mit spektakulären Sci-Fi-Bildern und tollen Darstellern bringt Daniel Bertram seine Geschichte ebenso bildgewaltig wie sensibel in fantastischer Farbpalette auf die Leinwand. WELTPREMIERE – Von diesem Film würde ich mir sehr viel versprechen. Höchstwahrscheinlich werde ich ihn mir aber aus persönlichen Gründen nicht anschauen, da das Thema Tod eines Elternteils und die Trauer der Kinder mich zu sehr berührt, und ich mich dem nicht unbedingt aussetzen möchte.

Des weiteren gibt es noch ein Tribute für den kürzlich verstorbenen und dem Filmfest Oldenburg in Freundschaft verbundenen Seymour Cassel („Minnie und Moskowitz“ von John Cassavetes, „In the Soup“ von Alexandre Rockwell und LeVar Burtons „Reach for Me“). Ebenfalls mit einem Tribute wird Autor, Filmemacher und Schauspieler Burkhard Driest gewürdigt (gezeigt werden „Die Verrohung des Franz Blum“, „Querelle“ und „Annas Mutter“.

Jetzt fehlt nur die Info, wem die diesjährige Retrospektive gewidmet ist. Da in der vergangenen Jahren immer wieder Filmemacher geehrt wurde, die man zwar irgendwo kannte, so nicht auf dem Schirm hatte , hoffe ich ich auch dieses Jahr mit einer spannenden Wiederentdeckung. Sobald raus ist, ob und wer es wird, werde ich hier davon berichten.

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2 Antworten zu 26. Internationales Filmfest Oldenburg: Weitere Filme und Tribute

  1. Henning sagt:

    Hi… 
    Und: hattest du Gelegenheit, Adamstown zu sehen? Wir freuen uns immer über Feedback. 🙂

  2. Marco Koch sagt:

    Hallo Henning, leider nein 🙁 Der passte leider bei beiden Aufführungen nicht in mein mühevoll ausgeknobelten „Guck-Plan“. Ein Schicksal, welches „Adamstown“ leider mit „Lillian“ (weil ausverkauft), „The Science of Fiction“, „Cat Sticks“, „The Projectionist“ und „Magnetick Pathways“ teilt, die ich auch sehr gerne gesehen hätte – aber dieses Jahr überschnitt sich das entweder alles oder von meinen Wunschfilmen lief nichts in den Zeitschienen, wo ich noch Platz hatte. War dieses Jahr echt schwer. Ciao, Marco

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