Nachdem vier Schiffbrüchige von einer durch Atombombenversuche verseuchte, polynesische Insel gerettet werden, stellt man fest, dass sie unter keinerlei Strahlungsvergiftung leiden. Die Geretteten führen dies auf ein Getränk zurück, welches sie von Eingeborenen bekommen hätten. Die Regierung des Landes Roliscia – welches für die Tests verantwortlich war – und Japan stellen eine Expedition unter der Führung des zwielichtigen Roliscianer Clark Nelson (Jerry Ito) zusammen, zu der auch Dr. Shinichi Chūjō (Hiroshi Koizumi) und Journalist Zen’ichiro Fukuda (Frankie Sakai) gehören. Auf der Insel entdecken sie den Eingeborenenstamm, tödliche Riesenpflanzen und zwei winzige Feenwesen (The Peanuts). Nelson sieht die Chance für ein gutes Geschäft und entführt die Feen, um diese in einer sensationellen Show auszustellen. Keine gute Idee, denn die beiden stehen mit einer monströsen Macht auf ihrer Heimatinsel in telepathischen Kontakt. Dr. Chūjō und Fukuda erkennen die drohende Gefahr und versuchen die Feen aus Nelsons Klauen zu befreien. Währenddessen macht sich etwas auf den Weg nach Japan…
Anmerkung: Alle Screenshots stammen von der ebenfalls enthaltenen DVD, nicht der Blu-ray.
Während man hierzulande bei japanischen Monsterfilmen zuallererst an Godzilla denkt, so ist der sogenannte Kajiu-Kosmos doch um einiges reicher und bunter. Bunter trifft vor allem auf den ungewöhnlichsten Monster-“Helden“ zu. Die gigantische Motte Mothra, welche mit dem Schlagen ihrer hübsch gefärbten Flügeln ganze Städte dem Erdboden gleich machen kann. Und die im telepathischen Kontakt mit zwei winzigen Feenwesen steht. Im Gegensatz zu dem grimmigen Godzilla, der zumindest in den ersten Filmen eine echte, bösartige Gefahr für die Menschheit war, ist Mothra im Grunde ihres Motten-Herzens eine gute Seele. Auch in späteren Filmen ist sie immer Retterin in der Not und steht eindeutig auf der Seite des Guten. Dass sie in ihrem Debütfilm „Mothra bedroht die Welt“ einiges an Zerstörung anrichtet, ist dann auch gar nicht ihre Schuld, sondern die eines schleimigen, geldgierigen Schurken, der aus dem fiktiven Land Roliscia (eine Mischung der japanischen Wörter für Amerika und Russland, beides Erzfeinde der Japaner) stammt. Der Schauspieler Jerry Itō – mit japanisch-amerikanischen Wurzeln – spielt diesen Unsympath immer einen Fuß über der Grenze zum over-acting. Sein Nelson ist von solch verabscheuungswürdiger Gier, Skrupellosigkeit und Selbstverliebtheit, dass einem speiübel werden kann. In einer Szene mäht er mit dem Maschinengewehr unschuldige Eingeborene nieder und man sieht ihm zu jedem Moment an, wie er dies genießt.
Es dauert lange, bis Mothra in Aktion tritt. Die Hälfte des Filmes ist übergangen, bis sie sich zunächst in Raupenform auf den Weg nach Japan macht. Davor wird man mit den Helden des Filmes vertraut gemacht, die Nelson auf seiner Expedition auf die polynesische Insel begleiten, wo man trotz exzessiver Atombombenversuche durch Roliscia keine radioaktive Strahlung misst. Was genau Nelson dort zu finden hofft, bleibt im Dunkeln. Gefunden werden jedenfalls die beiden Feenwesen, welche von dem – auch in Deutschland relativ erfolgreichen – japanischen Pop-Duo The Peanuts (Yumi Itō und Emi Itō) gespielt werden. Ferner stößt man auf einen etwas unheimlich wirkenden Eingeborenenstamm und giftige Riesenpflanzen. Aus dieser Konstellation hätte man sicherlich noch mehr herausholen können, doch die Expedition ist nur der Aufhänger zur Story, nicht – wie bei „King Kong“, an den diese Episode entfernt erinnert – ein eigenständiges Plot-Element. Die Entführung der Elfen von der Insel setzt dann endlich die Ereignisse in Gang, die zur Erweckung Mothras und der Zerstörung durch die Riesenmotte führen. Wie immer, wenn Mothra in einem Film auftaucht wird es musikalisch. Denn ausführlich wird der Eingeborenenstamm bei seiner gesanglichen und tänzerischen Beschwörung Mothras gezeigt. Aber auch die Besetzung der Feen mit den Peanuts erfolgte nicht ohne Grund. Ihr Gesangstalent wird von Nelson schamlos in einer Bühnenshow ausgebeutet, was fast schon zu Musical-ähnlichen Szenen führt. Zu dumm (oder für den Kaiju-Fan zum Glück), dass zum Song-Repertoire auch das Beschwörungslied gehört, welches Mothra erweckt.
Obwohl man lange auf Mothras ersten Auftritt warten muss, ist der Film von Anfang an rasant, gradlinig und sehr unterhaltsam ausgefallen. Was neben dem schillernden Bösewicht auch an den sympathischen Helden liegt. Schön die erste Szene, in der Dr. Shinichi Chūjō eingeführt wird. Die ganze Zeit sieht man ihn (oder sieht ihn gerade nicht) hinter einer Zeitung, da er sehr pressescheu ist und verhindern will, dass Presse-Fotografin (Kyoko Kagawa, in diesem Film leider eher Beiwerk) ihn ablichtet. Als man ihn dann sieht, wirkt er unrasiert und mit wirrem Haar dann, als sei er gerade aus dem Bett aufgestanden. Neben dem guten Doktor gibt es noch einen kräftig gebauten Zeitungsreporter, der zunächst als lustige Nebenfigur eingeführt wird, dann sich dann aber mit zunehmender Handlung als überraschend kompetenter und schlagkräftiger Held erweist, der es auch mal mit einer ganzen Gruppe Schlägern aufnimmt. Vor allem stimmt die Chemie zwischen den Protagonisten, was sich auch auf den Zuschauer überträgt. Dort fügt sich sogar Dr. Chūjōs übergewichtiger, kleiner Sohn ein, der nicht als typischer nervend-aufgeregter Neunmalklug inszeniert wird, sondern wie die anderen dazu beiträgt, dass die Geschichte am Ende gut ausgeht.
Mit den menschlichen Darstellern hat „Mothra“ also schon mal ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Wie sieht es mit dem eigentlich Star des Films, der Riesenmotte Mothra aus? Mothra war schon immer eines der interessantesten Monsterwesen aus Japan. Was einerseits an der eher ungewöhnlichen Mythologie mit den Feen und dem polynesischen Inselbewohnern liegt, andererseits daran, dass Mothra eben eine Motte ist, und kein klassisches „gefährliches“ und „hässliches“ Wesen, wie seine Kollegen. Mothra hat immer etwas Elegantes und Knuddeliges. Mothra war nie wirklich böse und hatte ein ätherisches, nettes Wesen. Lediglich in seiner Inkarnation als Raupe – nicht besonders hübsch, aber auch nicht wirklich furchterregend – hat Mothra zumindest einen Hauch von „Monster“. Die Spur der Zerstörung, die Mothra durch Japan und Roliscia eine Mischung aus Notwehr (eigentlich will Mothra nur die Feen aus den schmierigen Klauen Nelsons retten) und Missverständnis (Mothra zerstört nicht mutwillig, sondern das Schlagen ihrer Flügel ist für die enormen Druckwellen verantwortlich). Die Zerstörung ist wie bei den frühen Godzilla-Filmen oder Rhodan wieder sehr liebevoll mit Modellen umgesetzt. Auch wenn hier manchmal etwas exzessiv dieselben Kulissen verwendet werden. Für die Tricksequenzen griff Regisseur Ishirô Honda auf das Team zurück, mit dem er schon bei „Godzilla“ und „Die fliegenden Monster von Osaka“ zusammengearbeitet hat. Vor allem dem großen Eiji Tsuburaya, der zeitweise mit Willis O’Brien und Ray Harryhausen in einem Atemzug genannt wird.
Schön, dass nach „Godzilla“ auch andere Kaiju-Monster eine solch schöne Auswertung in Deutschland erhalten. Mothra ist in dem Zusammenhang sicherlich eines der beliebtesten und mit seiner im eigenen Mythologie auch eines der bekanntesten kaiju. In ihrem Filmdebüt taucht die große Motte nicht besonders häufig auf und es dauert lange, bis sie in voller Pracht und in Aktion zu bewundern ist. Darum ist „Mothra bedroht die Welt“ weitaus mehr als anderen japanischen Monsterproduktion von seinen menschlichen Hauptdarstellern abhängig. Dies schien auch Regisseur Ishirô Honda bewusst, denn hier stimmt die Chemie der Helden untereinander und der eklige Schurke ist wunderbar hassenswert. So kommt auch ohne geballte Monster-Action keine Langeweile auf.
Erstmals enthält eine Erstveröffentlichung aus Anolis‘ wunderbaren und schnell vergriffenen Kaiju-Classics in der charakteristischen Metallhülle eine Blu-ray. Bisher waren das ja immer reine DVDs, wobei vor Kurzem einige Blu-ray-Versionen nachgereicht wurden. Die Bildqualität ist wie erwartet eine Wucht. Zwar besteht meiner Meinung nach gerade bei den kaiju-Filmen die Frage, ob das große Plus an Qualität der Bilder nicht zu viele Illusionen zerstören, wenn man alle Fäden und Spielzeigmodelle in größter Klarheit sieht. Doch spätestens, wenn man die wundervoll schimemrnde Mothr durch die Lüfte segeln sieht, sind diese Bedenken zerstreut. Man kann zwischen der gekürzten US-Fassung (auf der auch die deutsche, erstmalig 1994 auf Kabel Eins ausgestrahlten, Fassung beruht) und der japanischen Fassung wählen. Die deutsche (TV)-Synchro ist solides Mittelmaß. Der Ton der japanischen Fassung klingt etwas lebendiger. Die gekürzte Fassung hat zudem noch eine englische Tonspur. Dann wird wieder einiges an Audiokommentaren aufgefahren. Zunächst ein englischsprachiger Kommentar mit Steve Ryfle und Ed Godziszewski, den Autoren der Dokumentation „Bringing Godzilla Down to Size: The Art of Japanese Special Effects“. Dann einen deutschsprachigen vom bewährten Trio Jörg Buttgereit, Bodo Traber und Ingo Strecker. Und zuletzt noch ein Solo-Kommentar von Florian Bahr. Ansonsten hat man auf der Extras-Seite noch eine rund 4-minütige Super-8-Fassung im unrestaurierten Vollbild und Trailer. Nicht zu vergessen noch das 20-seitige Booklet von Ingo Strecker mit dem schönen Titel „Hier kommt Madame Butterfly“.
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