Bericht vom 4. Mondo-Bizarr-Weekender in Düsseldorf – Tag 3

Kaum zu glauben, aber wahr. Der letzte Tag des Ausflugs nach Düsseldorf war angebrochen. Es hieß die Sachen zusammenpacken und Abschied nehmen. Nach einem guten Frühstück (am Sonntag wurde sich scheinbar besondere Mühe gegeben), checkten wir aus und suchten uns in der Nähe des Kinos einen Parkplatz, um später so schnell wie möglich zur Autobahn zu gelangen. Schließlich mussten wir in Osnabrück pünktlich einen Zug bekommen und nach dem Stau während der Hinreise, wollten wir kein Risiko eingehen. Um 13:30 ging es auch schon los. Ich hätte erwartet, dass um diese Uhrzeit eher weniger Filmbegeisterte den weg aus dem Bett finden würden – aber die Black Box war so gut gefüllt, wie am ersten Tag. Wow.

So ein Windhund – Welch zauberhafte Überraschung! Von „So ein Windhund“ hatte ich vor der Ankündigung für das Mondo Bizarr noch nie etwas gehört. Zwar war mir der Film „Slalom“ ein Begriff, aber lediglich in Form seines wundervoll-catchy Titelsongs, der sich auf diversen meiner Ennio-Morricone-Samplern befindet. Und ja, ich dachte in der Tat immer, dabei würde es sich um einen reinen Skifahrer-Film handeln. Dass „Slalom“ eine Komödie im Eurospy-Gewand ist, die zum größten Teil in Ägypten spielt, war mir nicht bewusst. Auch nicht, dass „Slalom“ hierzulande als eben „So ein Windhund“ einen Kinostart hatte und – wie ich aus berufenem Munde erfuhr – als VHS im falschen Bildformat und mit grauenhaften Cover als „Das Geheimnis am Nil“ in deutschen Videotheken landete. Beim Mondo Bizarr sahen wir den Film im vollen Breitwandformat und in einer wundervollen, farbenfrohen 35mm-Kopie, die aussah, wie frisch gezogen und mitnichten so, als wäre sie über 50 Jahre alt.

Der Film beginnt tatsächlich in einem Ski-Gebiet und als locker-flockige Komödie um zwei Ehemänner mit großen Freiheitsdrang (Flirten, Flirten, Flirten), die immer wieder Mittel und Wege finden, sich von der vermeintlichen Knute des Ehejochs zu befreien. Gespielt werden die beiden Schwerenöter von Vittorio Gassman und – Überraschung – Schurken-Darsteller Adolfo Celi, der selben Jahr als Emilio Largo James Bond in „Feuerball“ das Leben schwer machte. Hier offenbart er eine herrliche komödiantische Ader. Gassman und er ergänzen sich vorzüglich und man fragt sich, warum die beiden nicht öfter zusammen gecastet wurden. Leider verschwindet Celi recht bald aus dem Film – beziehungsweise verschwindet Gassman aus dem Skigebiet und wird nach Ägypten entführt, wo der Film dann seine bondesque Wendung nimmt. Aus den Bond-Filmen kennt man auch die wunderschöne Daniela Bianchi, die hier eine wichtige, wenn auch leider eher kleine Rolle als zwielichtige Agentin inne hat.

Der gutaussehende Gassman ist wahnsinnig gut ins einer Rolle des notorischen Hallodris. Immer ein wenig großkotzig, selbstverliebt und unverschämt manövriert er sich spielend in aus den unmöglichsten Situationen, wobei er aber immer absolut sympathisch bleibt. Zeitweilig erinnert er da an Jean Dujardin in seiner Paraderolle als OSS 117. Unterstützt wird Gassmans perfekt getimtes Spiel von einer sehr guten und flotte deutschen Synchronisation durch die Hermes Studios, die gerade nicht auf brandtsche Kalauer setzt, sondern den Humor des Filmes übersetzt, ohne dabei im Klamauk zu enden. Wie generell gesagt werden muss, dass „So ein Windhund“ es mit spielerischer Leichtigkeit schafft, die Balance zwischen Komödie, Agententhriller und Action zu halten. Eine große Kunst, die häufig nicht gelingt.

Das größte „Geheimnis am Nil“ ist eigentlich, wieso dieser tolle und unglaublich unterhaltsame Film so ein Schattendasein führt, ja selbst Italofreunden fast gänzlich unbekannt ist. Hier sollte mal eines der einschlägigen Labels Abhilfe schaffen. Ich für meinen Teile habe mir jetzt erst einmal vorgenommen, mehr Vittorio-Gasman-Filme zu schauen. „Verliebt in scharfe Kurven“ liegt schon bereit.

Der Hongkong Cop – Wenn man schon fast vergessen hat, warum man vor 20 Jahren diese Actionfilme, die aus Hongkong in die deutschen Videotheken schwappten, so sehr geliebt hat, dann lohnt sich eine Auffrischung. Auch wenn sie einen ein wenig traurig stimmt, angesichts dessen, was heute so an Actionfilmen – auch aus Hongkong – zu uns kommt. Der Hongkong-Actionfilm hat sich immer mehr den amerikanischen Standards angepasst. Schnelle, verwirrende Schnitte, viel CGI und ein geleckter Look.

Zu der Zeit, als „Der Hongkong Cop“ entstand, waren die Zeiten rauer. Wenn hier gekämpft wird, hat man nicht das Gefühl, das Tempo und die Künste der Schauspieler würden nur im Schnitt entstehen, sondern, dass man the real deal vor sich hat. Die Actionsequenzen sind gerade deshalb so atemberaubend, weil sie richtig weh tun. Und der Schnitt (der hier ebenfalls ein hohes Tempo hat, aber nicht das Auge verwirrt) ist so perfekt gesetzt, dass er einen infernalischen Takt vorgibt, man aber jederzeit den Überblick behält und den Kampfkünsten der Kontrahenten mit offenem Mund folgt. Und natürlich ist da auch dieses übergroße Pathos und der naive Humor, was man sich heute gar nicht  mehr trauen würde.

„Hongkong Cop“ und Konsorten sind totales Bewegungskino. Die legitimen Nachfolger der frühen Action-Komiker, besonders eines Buster Keatons. Da ist man dann dankbar, dass dieser Dampfzug ab und zu anhält, um einem mit niedlichen Szenen wie die, in der Michael Wong (heißt im Film genauso, wie im richtigen Leben) der großartigen Michelle (auch hier sparte man sich einen Rollennamen und bekannte die Figur nach der atemberaubenden, hier noch sehr jungen Michelle Yeoh) auf nervig-plumper Weise den Hof macht, Raum zum Atmen zu geben. Dann setzt er sich wieder mit Vollkraft wieder in Bewegung und stürzt sich in die nächste überwältigende Schlacht. Und wenn einen dann die letzte Explosion aus dem Film geblasen hat, sitzt man dann mit einem seligen Lächeln im Saal und weiß, was Kino ist.

Endgame – „Endgame“ war bereits der zweite Joe-D’Amato-Film des Wochenendes, was mich ganz besonders freute. Auch hier zeigte sich, dass D’Amatos Filme im Kino eine ganz andere Wirkung entwickeln als Zuhause vor der Glotze. Man wird ihnen mehr ausgeliefert. Man lässt sich nicht ablenken, fummelt im Internet rum oder geht zwischendurch raus. Weshalb man sich auch mehr auf sie einlässt. Ich kann mir vorstellen, dass „Endgame“ – den ich hier das erste Mal sah – auf dem Bildschirm – oder noch schlimmer Laptop – von vielen als langweilig empfunden wird. Ja, D’Amato ist kein großer Action-Zauberer. Sein Kino ist nicht kinetisch, sondern beobachtend. Und so beobachtet D’Amato auch hier seine Figuren, wie sie durch eine Welt gehen, die nicht überall spektakulär ist, sondern zum größten Teil tatsächlich aus den immer gleichen Gängen und Kiesgruben besteht. Aber bei D’Amato hat dies einen besonderen Flow, auf den man sich einlassen muss. Tut man dies, wird man reichlich belohnt.

Hier sehen wir Al Cliver als schlechtgelaunten (Anti)Held Ron Shannon dabei zu, wie er sich von Punkt A nach Punkt B bewegt. Wobei wir sicher sein können, dass sich D’Amato für Punkt B wieder etwas besonderes ausgedacht hat. Eine Gruppe Mutanten mit Hundenasen; ein Fischmensch, der bei einer Vergewaltigung förmlich aus dem Mund laicht; verweste Leichen an den Ratten knabbern und vieles mehr. Mittendrin D’Amatos bevorzugten Schauspieler. Natürlich Laura Gemser (hier unter dem Pseudonym Moira Chen), der riesige George Eastman und ein schlafwandelnder Al Cliver, der sich bei fast jeder Szene, die etwas Bewegung erfordert, doublen lässt. Die Geschichte, die Elemente von „Das Millionenspiel“, „Mad Max 2“ und „Rollerball“ vereint, kann eine gewisse sozialkritische Intention zugute gehalten werden. Letztendlich ist sie aber nur der Motor, um D’Amatos morbide Wunderwelt zu durchqueren, die auf absurde Weise in sich vollkommen stimmig ist. Wenn man dann nach knackigen 80 Minuten wieder in die reale Welt entlassen wird, bereut man es fast. Aber mit dem Gedanken an den oben genannten Fischmenschen auch nur fast.

Und damit war der Mondo Bizarr Weekender nach drei Tagen und acht Filmen vorbei. Zeit für ein Resümee. Die Veranstaltung hat mir ausgesprochen gut gefallen, was nicht nur an meiner tollen Reisegruppe lag, sondern am Publikum und Veranstalter insgesamt. Es war wunderbar zu sehen, wie viele Leute sich für diese Art von Festivals begeistern können. Es herrschte eine freundlich-positive Stimmung. Gerade bei solchen Sachen besteht ja immer die Gefahr, dass Schlefaz-Jünger angelockt werden, die erbarmungslos Quatschen, wie besoffen Gröhlen und das Ganze als „Trash“ abfeiern. Das war hier überhaupt nicht der Fall. Zwar wurde auch hier herzhaft gelacht. Aber immer MIT dem Film, nicht über ihn. Man fühlte sich also wie Zuhause und inmitten einer großen Familie. Auch sehr schön: Die sehr sympathischen und interessanten Einführungen von Oliver Nöding und Marc Ewerts, der den – wie ich finde sehr schönen und passenden – Begriff des „Atmosphärefilms“ schuf, den ich gerne übernehme. Und auch mein Kompliment an alle Leute hinter den Kulissen, die für einen perfekten Ablauf sorgten. Danke dafür, und ich sage einfach mal: Bis zum nächsten Jahr!

Unsere Reisegruppe sprang nach dem letzten Film schnell ins Auto und unser Helldriver brachte uns in Rekordgeschwindigkeit nach Osnabrück, wo wir noch genug Zeit für eine kleine Stärkung hatten, bevor wir in den Regionalzug nach Bremen stiegen. Dort kamen wir auch pünktlich an, so dass ich nahtlos in die Nachtlinie umsteigen konnte und um 0:15 Uhr erschöpft, aber glücklich die Haustür hinter mir schloss.

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