DVD-Rezension: „Die rote Schlinge“

Lieutenant Duke Halliday (Robert Mitchum) wurden von dem Betrüger Jim Fiske (Patric Knowles) 300.000 US-Dollar geraubt, die als Lohn für die Soldaten gedacht waren. Da Halliday von seinem Vorgesetzten Captain Blake (William Bendix) beschuldigt wird, sich das Geld selber unter den Nagel gerissen zu haben, reist Halliday nach Mexiko, um dort Fiske zu stellen und seinen Namen wieder reinzuwaschen. Dabei wird er von Blake verfolgt, der Halliday weiterhin für den Täter hält. In Vera Cruz begegnet er Joan Graham (Janet Greer), die auch noch ein Hühnchen mit Fiske zu rupfen hat…

Warum „The Big Steal“ in Deutschland den an Edgar Wallace gemahnenden Titel „Die rote Schlinge“ aufgedrückt bekam, will sich mir nicht partout erschließen. Eine Schlinge kommt hier jedenfalls nicht vor und eine rote erst recht nicht. Auch symbolisch wusste ich nicht, worauf eine „Rote Schlinge“ anspielen soll. Vielleicht fand der deutsche Titeltexter den Klang einfach toll. Der rasante Film ist auch kein Mystery-Krimi, sondern eine verwegene Mischung aus Action, Screwball-Elementen und Film Noir. Im Grunde erzählt „Die rote Schlinge“ in knackigen 71 Minuten von einer Verfolgungsjagd, die für gut die Hälfte der Laufzeit über in Autos ausgetragen wird. Regisseur Don Siegel nahm hier erst zum vierten Mal auf dem Regiestuhl Platz, aber sein Talent für straffe, punktgenaue Inszenierungen ist hier schon gut zu erkennen. Interessant ist auch sein gutes Gespür für Timing, was die Screwball-Elemente angeht. Die schnippischen und immer messerscharfen Bon Mots, die Janet Greer dem in von sich selbst seht überzeugten Robert Mitchum um die Ohren pfeffert, sitzen wie Boxhiebe, welche Mitchum immer wieder seine Deckung verlieren lassen. Das erinnert dann angenehm an solche Gespanne wie Hepburn/Tracy oder Gable/Colbert.

Mitchum und Greer harmonieren perfekt miteinander. Während Mitchum mit einer traumwandlerischen Coolness durch den Film flaniert, spielt Greer eine selbstsichere Frau, die jederzeit Herr über die Lage ist und weiß, dass sie auf keinen Mann angewiesen ist. Dass ihr Charakter dann am Ende doch romantisch veranlagt ist und sich nichts sehnlicher als ein (spieß)bürgerliches Leben mit ihrem Duke Halliday wünscht, ist ein kleiner, wieder dem Zeitgeist geschuldeter Verrat an der Rolle. Allerdings kann man mit etwas guten Willen das Schlussbild, bei dem eine mexikanische Familie mit unzähligen Kindern an dem frisch verliebten Paar vorbei prozessiert, auch als kleiner Triumph für Joan Graham verstanden werden. Da hat sie sich ihren Duke eingefangen und zwingt den Macho in eine Familienrolle, die dieser in seinem ursprünglichen Lebensentwurf sicherlich nicht für sich vorgesehen hat. Nur zwei Jahre zuvor stand das Dream-Team Greer/Mitchum schon einmal in dem brillanten „Über-Noir“ „Goldenes Gift“ als Paar vor der Kamera. Vergleicht man Greers Darstellung als Femme Fatale damals mit ihrer schlagfertigen „Kumpel“-Rolle in „Die rote Schlinge“, mag man kaum glauben, dass man hier dieselbe Schauspielerin vor sich hat. Und noch mehr wundert es einen, dass Greers trocken-komödiantisches Talent nicht in noch mehr Filmen genutzt wurde. Aber 1949 war die hohe Zeit der Screwball-Comedy ja leider auch schon wieder vorbei.

Bemerkenswerterweise konnte Don Siegel seinen Film tatsächlich vor Ort in Mexiko drehen, was der „Roten Schlinge“ eine sonnige Authentizität verleiht, die den finsteren, oftmals im Studio entstandenen Noir-Kollegen oftmals abgeht. Auch wenn die Szenen mit den Hauptdarstellern am Steuer mithilfe von Rückprojektion im Studio zustande kamen, so konnte Siegel für die wilde Jagd doch echte Wagen mit Hochgeschwindigkeit durch die staubige mexikanische Landschaft rasen lassen, was zu vielen „echten“ und damit aufregenden Szenen führt. Ferner behandelt Siegel die Mexikaner hier mit Respekt und denunziert sie nicht als lustige Dritte-Welt-Menschen. Die einzige Person, die in dem ganzen Durcheinander den Überblick behält und allen anderen Figuren immer einen Schritt voraus ist, ist der mexikanische Inspektor General Ortega, der sich sichtlich über die Gringos amüsiert, die ohne Sprachkenntnisse und mit einer gewissen Beherrscher-Mentalität in sein Land kommen, sich dort aufführen, wie die Axt im Wald und sich letztendlich doch nur immer wieder selber aufs Kreuz legen. Dieser ebenso charmante, wie clevere Ortega erinnert ein wenig an Peter Lorres Rolle in dem ein jahr zuvor entstandenen „Casbah – Verbotene Gassen“. Gespielt wird er von einem guten, alten Bekannten: Ramón Novarro, der einst als Ben-Hur in Fred Niblos spektakulären Erstverfilmung von Lewis Wallaces Roman die Herzen reihenweise brach und in den 20er Jahren ein bedeutender Stummfilm-Star und fantastisch aussehender (Leinwand-)Frauenheld war. Leider verlief seine Karriere nach dem Ende der Stummfilmzeit nicht besonders gut. Wozu nicht nur sein starker mexikanischer Akzent beitrug, sondern auch, dass sein Typ nicht mehr besonders gefragt war. Mit seiner Alkoholsucht ruinierte er sich seinen Ruf und sein gutes Aussehen. 1968 endete sein Leben tragisch, als er von jungen Brüderpaar, die sich unter dem Vorwand Novarro sexuelle Dienste anbieten zu wollen, brutal erschlagen wurde.

Don Siegel verbindet in seinem vierten Spielfilm auf rasante Weise Action mit Screwball-Comedy und Film Noir. Unterstützt wird er dabei von seinen hervorragenden Darstellern, die sichtlich Freude an ihren Rollen haben. Bei knackigen 71 Minuten kommt in der episodenhaften Geschichte keine Langweile auf.

„Die rote Schlinge“ ist die Jubiläumsnummer 25 der Film Noir-Reihe aus dem Hause Koch Media. Warum dieser und nicht der populärere „Die Narbenhand“ dafür gewählt wurde, erschließt sich mir nicht, aber wahrscheinlich wurde darüber auch gar nicht nachgedacht. Leider fällt die Qualität der DVD gegenüber anderen Scheiben leicht ab. Das Bild ist in Ordnung, mehr aber auch nicht. Passend zum Jubiläum ist der Extras-Segment diesmal weitaus üppiger als sonst. So gibt es neben einem Audiokommentar von Filmhistoriker B. Jewell noch eine kolorierte Fassung des Filmes als Bonus. Abgesehen von der allgemeinen Fragwürdigkeit der Kolorierung schwarz-weißer Filme, ist die Bildqualität dann aber auch im ganz unteren Bereich des gerade noch annehmbaren angesiedelt. Allerdings ist diese Fassung merkwürdigerweise fast drei Minuten länger als die Schwarz-Weiß-Version. Empfehlenswert ist jedoch das zwar nur viereinhalb-minütige, nichtsdestotrotz aber sehr interessante „Making of“. Da Koch Media nur nackte Check-DVDs für Rezensionen verschickt, kann ich leider wieder nichts zum Booklet von Frank Arnold schreiben.

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