Buch-Rezension: Terry Gilliam “Gilliameseque: Meine Prä-posthumen Memoiren“

gilliamesqueDass Terry Gilliam seine Karriere als Zeichner und Animator begann, spürt man auf jeder Seite dieses schön aufgemachten und reichlich bebilderten Buches. „Gilliameseque: Meine Prä-posthumen Memoiren“ ist ein wahres Füllhorn an Fotos, Illustrationen und Collagen. Ganz so, wie man es sich bei einem Buch von Terry Gilliam erhofft. Ausführlich geht Gilliam dann auch auf seine Anfänge, die ersten Jobs (u.a. für den legendären Harvey Kurtzmann, dem berühmten Chefredakteur des MAD-Magazin), die Reisen nach Europa und seine Ankunft in England ein. Alles in einem abgeklärten, manchmal schon etwas zynisch klingenden Tonfall. Man merkt, wie wichtig Gilliam diese Zeit in seinem Leben ist, über die die Meisten bisher noch sehr wenig bis nichts wissen. Wer allerdings mehr zu seiner Zusammenarbeit mit den Pythons oder seine Filme erfahren möchte, der muss sich zunächst einmal in Geduld üben.

Die Hälfte des Buches vergeht, bis Gilliam auf die restlichen Pythons trifft. Und auch dann bleibt er sehr zurückhaltend, verweist lieber auf die Bücher der Kollegen und beschränkt sich auf das Nötigste, was zum Verständnis seiner eigenen Biographie von Nöten ist. Die anderen Pythons bleiben einem fremd und werden von Gilliam auch nicht sonderlich sympathisch gezeichnet. Graham Chapman wird fast gar nicht erwähnt, John Cleese etwas mehr, aber nicht unbedingt im positiven Licht. Eric Idle wird als eitler Geck gezeichnet, mit dem neurotischen Hang unbedingt zur Prominenz gehören zu wollen. Lediglich Terry Jones und vor allem Michael Palin tauchen häufiger auf. Letzterem lässt Gilliam dann auch einige nette Worte zukommen. Möglicherweise handelt es sich bei Gilliams harschen Umgang mit den Ex-Kollegen um einen „Insiderwitz“, bei dem der wilde Amerikaner seine eitlen und gebildeten, englischen Mitstreitern immer feste eins drauf gibt. Ansonsten wirken Gilliams Sticheleien manchmal etwas befremdlich.

Auch wer sich mehr Hintergrundinformationen über Gilliams Filme wünscht, wird enttäuscht. Gilliam überfliegt seine 13 Spielfilme in der zweiten Hälfte des Buches mehr, als dass er näher auf sie eingeht. Lediglich „Jabbawocky“, seine erste Solo-Regiearbeit, und „Brazil“ bekommen etwas mehr Aufmerksamkeit. Allerdings erfährt man auch hier weniger, als man beispielsweise in den entsprechenden Wikipedia-Einträgen nachlesen könnte. Manche Filme, wie der ungewöhnliche und stark unterschätzte „Tideland“, werden mit ein-zwei Sätzen abgespeist. Bei „12 Monkeys“ und den abgebrochenen „Don Quichote“-Film verweist Gilliam auf die Dokumentarfilme des Duos Keith Fulton and Louis Pepe, welche in Spielfilmlänge von den Dreharbeiten berichten. Selbst dramatischer Momente, wie der Tod seines Hauptdarstellers Heath Ledger während des Drehs von „Das Imaginarium des Doctor Parnassus“, werden eher beiläufig erwähnt. Viel mehr konzentriert sich Gilliam auf seine Auseinandersetzungen mit diversen Produzenten, aber auch hier geht er nicht allzu sehr ins Detail. So hat man als Leser zwar das Gefühl, über die wichtigsten Stationen in Gilliams Leben informiert zu sein, aber es fehlt am Ende dann doch das Fleisch auf den Rippen. Man möchte mehr über die Filme und über die Arbeit mit den Pythons hören und ist enttäuscht, wenn nach wenigen Sätzen zum nächsten Thema gesprungen wird. Dabei macht das Buch allerdings keinen gehetzten Eindruck, es ist eher so, als wenn man dem gemütlichen Redefluss eines älteren Herrn zuhört, und dabei zu höflich ist, um ihn zu unterbrechen, obwohl man hier und dort gerne nochmal nachhaken würde. Möchte man mehr über Gilliams Filme und seine Filmarbeit erfahren, ist man besser beraten, sich ein Interview mit ihm zu suchen.

In „Gilliamesque“ erfährt man vor allem viel Neues über Gilliams frühen Jahre und seine Anfänge als Zeichner und Animator, über die Cartoon-Szene in den späten 50er und den 60er Jahren, als anarchistische Satirehefte wie „Help!“ oder „MAD“ noch Gewicht hatten. Auch die Atmosphäre im Amerika der 40er und frühen 50er fängt Gilliam gut ein, und man darf darüber staunen, dass der junge Terry damals nicht nur bei den Pfadfindern, sondern auch ein erfolgreicher Cheerleader war. Und natürlich sind da die vielen Illustrationen, die Terry Gilliam für dieses Buch-Projekt vom Dachboden geholt hat. Für seine Fans ein Muss. Aber gerade für diese dürfte die zweite Hälfte des Buches eine kleine Enttäuschung sein. Ist doch das Wenige, welches Gilliam von seinen Filmen berichtet, bekannt und fügt dem Allgemeinwissen des Fans keine neue Facetten hinzu.

Terry Gilliam „Gilliameseque: Meine Prä-posthumen Memoiren“, Heyne Hardcore, 308 Seiten, € 26,99

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