DVD-Rezension: „The Blackout“

theblackoutDer drogen- und alkoholabhängige Hollywood-Star Matty (Matthew Modine) reist nach Miami, um dort seine Geliebten Annie (Beatrice Dalle) zu treffen. Als diese ihm gesteht, ihr gemeinsames Kind abgetrieben zu haben, rastet Matty aus, obwohl er derjenige war, der Annie dazu getrieben hat. Als Annie ihn daraufhin verlässt, schmeißt er immer mehr Drogen ein, bis er schließlich im Beisein seines Freundes Mickey Wayne (Dennis Hopper) einen Blackout erlebt. 18 Monate später hat Matty einen Entzug hinter sich und lebt mit seiner neuen Freundin Susan (Claudia Schiffer) zusammen. Doch ihn quält der Verdacht, dass er während seines Blackouts eine fürchterliche Tat begangen hat. Als Susan für einige Tage beruflich verreist, macht sich Matty auf den Weg nach Miami, um Antworten und seine geliebte Annie zu finden…

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Nach zwei gefloppten Filmen für ein großes Hollywood-Studio kehrte Abel Ferrara 1995 zu seinen Wurzeln zurück und produzierte einige kleine Low-Budget-Produktionen. Mit „The Addiction“ und „The Funeral“ drehte er hintereinander weg zwei Kultfilme. Damit kehrte er in den Schoß jener unabhängigen Kult-Filmemacher zurück, bei denen die bekannten Hollywood-Namen beim Casting Schlange stehen, um für schmales Geld etwas für ihr Prestige zu tun. Bei „The Blackout“ sind es neben Dennis Hopper (der allerdings nie besonders anspruchsvoll in seiner Filmauswahl war, Hauptsache der Scheck stimmte) und Matthew Modine, der hier gegen sein Saubermann-Image anspielt, die Französin Beatrice Dalle und das deutsche Supermodel Claudia Schiffer. Die Dalle spielt die verführerisch kaputte Annie mit solch einer natürlich-lasziven Leck-mich-Attitüde, dass man meint, sie förmlich Alkohol und Koks ausschwitzen zu sehen. Sie spielt nicht, sie ist. Modine ist zwar ebenfalls sehr überzeugend als unsympathische Riesenarschloch, welches sehenden Auges sein eigenes Leben rücksichtslos auf die Reise ins Klo schickt. Doch Modine „spielt“. Das macht er gut, aber er spielt. Modine kokst, säuft, schreit, greint, starrt mit einer gewissen Penetranz. Hautnah wird jede Sucht am Beispiel Mattys durch dekliniert: Drogen, Alkohol, Sex, Narzissmus. Einem wird schon beim Zuschauen schwindelig und man möchte dem wehleidig-egomanischen Popanz ebenso ins Gesicht schlagen, wie es die Dalle tut, als Matty ihr die vehement die Abtreibung ihres Kindes vorwirft, zu der er sie selber gezwungen hat.

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Neben der drogenverkleisterten Promiwelt Miamis, porträtiert Ferrera auch seine eigene Branche, die einem hier wie ein Höllenschlund voller egozentrischer Psychopathen vorkommt. Alle sind im Drogenrausch, hemmungslos Ich-fixiert und im besten Falle nur vollkommen verrückt. Möglicherweise hat Ferrara die von Dennis Hopper gespielte Figur des Mickey Wayne als eine Art Selbstportrait angelegt. Erlebt man Ferrara in Interviews und weiß um seine eigene „wilde“ Zeit, ist dies zwar nicht unbedingt schmeichelhaft, aber sehr wahrscheinlich. Mickey Wayne ist ein Puppenspieler in allen Bedeutungen des Wortes. Der Nachtclub-Besitzer wäre gerne Filmemacher, inszeniert eine wilde Videoproduktion, mit der er Émile Zola Romans „Nana“ in seinem Nachtclub mit viel nackter Haut und dampfenden Sex verfilmt. Irgendwann sitzt er dann mit dem vollkommen abgewrackten Matty in einem Hotelzimmer und nimmt mit seiner allgegenwärtigen Videokamera zwei silikonverstärkte „Eskortdamen“ bei lesbischen Liebesspielen auf. Ganz im Sucher seiner kleinen Videokamera gefangen, beobachtend, inszenierend, ohne selber wirklich aktiv zu werden. Ein voyeuristischer Kontrollfreak. Leider spielt Hopper ihn in jenem stereotypen „Frank-Booth“-Stil, den er in den 90ern kultiviert hatte, und der mittlerweile wie ein Parodie auf seine Paraderolle wirkt.

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Die Einbindung der Dreharbeiten zu Mickey Waynes merkwürdigen „Nana“-Verfilmung nutzt Ferrea zu allerlei technischen Spielereien. Er mischt Film und Digitalook, kreiert damit visuell zwei Ebenen, um dann Film und Film-im-Film zu verwischen. Er spielt mit Überblendungen, kräftigen Farben und körnigem, ausgebleicht wirkendem Material, um die verschiedenen Stimmungen, dramatischen Ereignisse und vor allem das Innere seines zwischen Rausch und Kater, aufgekratzter Euphorie und depressiver Verzweiflung, plakativ dargestellter Selbstsicherheit und vor Selbstmitleid triefender Weinerlichkeit schwankenden Protagonisten zu illustrieren. Zusammen mit dem kongenialen Soundtrack beweist Ferrara hier seine technische und kreative Meisterschaft. Die Figuren bleiben einem dabei aber weiter fremd und zutiefst zuwider. Nur die klinisch reine Claudia Schiffer in ihrem Spielfilmdebüt, und natürlich die wunderbare Sarah Lassez können etwas Wärme und Menschlichkeit einbringen. Der Rest lässt sich ständig um sich selbst kreisend durch den Rausch der Partynächte in Miami treiben.

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Abel Ferrara verarbeitet in „The Blackout“ Themen, die ihn seine ganze Karriere begleiten. Die Korruption der Seele, die Leere eines oberflächlichen Lebens und der verzweifelte Versuch, diese mit Drogen, Sex und Selbstquälerei zu füllen. Matty ist darin dem „Bad Lieutenant“ nicht unähnlich, ohne allerdings dessen seelische Zerrissenheit zu transportieren. Bei Matty hat man eher das Gefühl, dass ihn allein seine grenzenlose Egozentrik in seine Lage gebracht hat. Technisch und stilistisch wie immer brillant von Ferrara inszeniert, krankt der Film als ernst gemeintes Psycho-Drama dann auch an seiner hohlen Hauptfigur. Wenn man ihn allerdings als bitterböse, sarkastische Abrechnung mit den aufgeblasenen Egos einiger Hollywood-Stars versteht, funktioniert er wiederum recht gut.

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Der Film ist als Nummer 4 in der CineSelection des Labels filmArt erschienen. Das Bild – soweit man dies anhand der vielen unterschiedlichen Materialien und Techniken beurteilen kann, ist sehr gut geworden. Auch der Stereo-Ton ist sowohl in der Original-, wie auch in der Synchron-Fassung sehr sauber und gut zu verstehen. Das Bonusmaterial besteht aus einer 4:3 Open Matte-Fassung und einem 12seitigen Booklet von Marcus Stiglegger, der weniger auf „The Blackout“ als solches eingeht, sondern vielmehr interessante Aspekte über die zentralen Motive im Werk Abel Ferraras hervorhebt. Sehr interessant.

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