Blu-ray Rezension: „Hatchet for the Honeymoon“

Hatchet-for-the-HoneymoonJohn Harrington (Stephen Forsyth) ist der Besitzer eines Brautmodegeschäfts. Er ist mit Mildred (Laura Betti) verheiratet, deren Eifersucht und Besitzanspruch ihm das Leben zur Hölle macht. John führt ein Doppelleben, denn wenn immer sich die Gelegenheit ergibt, tötet er mit einem Beil junge Frauen, die Brautkleider tragen. Mit jedem Mord hofft er, ein Puzzlestück zu einer in seinem Kopf eingesperten Erinnerung zu erhalten: Wer tötete einst seine Mutter? Als Mildred ihn wieder einmal verhöhnt bringt er auch sie um. Allerdings kehrt sein Opfer umgehend als Geist zurück…

Endlich erblickt das Werk Mario Bavas auch in Deutschland das HD-Licht der Welt. „Hatchet for the Honeymoon“ war zwar schon in einer schon lange nicht mehr erhältlichen DVD-Edition aus dem Hause Koch Media erhältlich, doch die HD-Bearbeitung durch das junge Label Wicked Vision Media lässt einen mit der Zunge schnalzen und fügt dem Film aufgrund der kräftigen Farben und dem klaren Bild noch zusätzliche Reize hinzu. „Hatchet for the Honeymoon“ wurde viele Jahre von den Bava-Fans eher stiefmütterlich behandelt. Zu mächtig waren die großen Meisterwerke wie „Blutige Seide“, „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ oder „Drei Gesichter der Furcht“. „Hatchet for the Honeymoon“ erschien mehr als Nebenwerk. Sieht man den Film heute nochmals in all seiner visuellen Pracht, bleibt die Einschätzung rätselhaft. Vielleicht liegt es auch daran, dass die bisherigen Heimkino-Umsetzungen eher suboptimal waren. So zeichnete sich die die US-DVD von Image Entertainment – lange Zeit die einfachste Möglichkeit an den Film zu kommen – durch ein eher blasses Bild und einen fürchterlichen, englischen Ton aus. Vielleicht war es aber auch Bavas ungewöhnlicher Ansatz, einen wahnsinnigen Serienmörder zum Helden und Identifikationsfigur seines Filmes zu machen.

In Zeiten, in denen ein Hannibal Lector eine eigene TV-Serie hat und ein Patrick Bateman zu einer Ikone der 80er wurde, fällt dieser Kniff allerdings weniger schwer zu verdauen aus, wie noch 1970. Zumal der Killer John Harrington sehr charmant vom gutaussehenden Stephen Forsyth gespielt wird. Dieser durchbricht gleich in der ersten Szene die vierte Wand und stellt sich dem Publikum als wahnsinniger Mörder vor, der seinen Wahnsinn auch noch in vollen Zügen genießt. Immer wieder taucht Bava in den Kopf seines Protagonisten ein und zeigt die Welt durch seine Augen. Dies nutzt Bava, der als gelernter Kameramann hier auch wieder selber für die Fotografie zuständig war, um gehörig mit seiner Kamera zu experimentieren. Er lässt dramatische Details des Bildes bis fast zu Unkenntlichkeit verschwimmen, so dass man nie sicher sein kann, ob das, was man da glaubt zu sehen, real ist oder Johns fiebrigen Wahrnehmung entspringt. Bava sucht die besondere Einstellung, die ungewöhnliche Bildkomposition, das Spiel mit Vorder- und Hintergrund. Die extreme Farbkomposition, die seine vorangegangenen Werke auszeichnete, fährt Bava hier stark zurück. Er achtet jedoch darauf, dass ein kräftiges Rot zum rechten Augenblick einen packenden Effekt hervorzaubert.

Gewisse Abstriche müssen beim Drehbuch gemacht werden, welches sich zwar bemüht, den kranken John Harrington und seine gestörte Welt möglichst exakt zu porträtieren, dabei aber die Spannung vollkommen vernachlässigt. Das finstere Geheimnis, welches John durch seine Braut-Morde aus seinem Gedächtnis zu lösen versucht, dürfte jedem Zuschauer, der mehr als drei solcher Filme gesehen hat, schon nach der ersten Szene bekannt sein. Sträflich ist der Umgang Bavas mit einzelnen Szenen, die das Potential für nervenzerfetzende Spannung hätten, hier aber verpuffen. Ein Beispiel hierfür wäre jener Augenblick, in dem John versucht, die Polizei aus seinem Haus zu bekommen, während über ihm und seinen Häschern eine Leiche von der Treppe herunter blutet. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was Hitchcock aus dieser Ausgangssituation gemacht hätte. Bava – der auch für das Drehbuch mit verantwortlich war – scheint dies aber gar nicht zu interessieren. Ihm war scheinbar das psychologische Drama weitaus wichtiger als die Thriller-Elemente.

Auch die Morde des John Harrington sind weitaus unspektakulärer als in vergleichbaren Bava-Filmen ausgefallen. Ja, sie sind fast schon ein Anti-Klimax. Mehr Sorgfalt verwendet Bava darauf, eine generell merkwürdig-krankhafte Eigenwelt zu kreieren, in dem sein Hauptdarsteller frei agieren kann. Die Szenen in denen sich John Harrington in einen Raum mit unzähligen in Brautkleidern gewandten Kleiderpuppen zurückzieht, nimmt bereits William Lustigs berüchtigten „Maniac“ (und mehr noch dessen gelungenes Remake) vorweg, in dem es eine ganz ähnliche Sequenz gibt. Überhaupt erinnert vieles in „Hatchet for the Honeymoon“ an diesen 80er Jahre Klassiker des verstörenden Films. Die Konzentration auf die kranke Hauptfigur, seine Paranoia (hier repräsentiert die ständig auftauchende und anklagende tote Ehefrau), das Kindheitstrauma und die zärtliche Liebesbande zu einer jungen Frau. All dies findet sich 10 Jahre später auch in „Maniac“ wieder.

Sehr viel Wert legt Bava auch auf die Ausstattung. Das Haus Harringtons, in dem weite Strecken des Filme spielen, ist eine gewaltige Villa, voller merkwürdiger Bilder, erdrückender Architektur und geheimnisvollen Wegen. Wer hier lebt, muss zwangsläufig verrückt werden. Dazu passt es dann auch, dass die Villa einst dem spanischen Gerneralissimo Franco gehört haben soll. Ein ganz besonderer Hingucker sind auch die Kostüme. Nicht nur die Kleider der Damen, sondern vor allem auch das unglaubliche Outfit Stephen Forsyths lässt Fans des wilden Übergangs zwischen 1969 und 1970 die Herzen höher schlagen. Erwähnt werden muss aber auch die interessante Filmmusik, welche von Sante Maria Romitelli komponiert wurde und sich erst zuckersüß in den Gehörgang schmeichelt, um den unvorbereiteten Zuschauer dann mit experimentellen Tönen zu verstören.

Für Hauptdarsteller Stephen Forsyth war „Hatchet for the Honeymoon“ leider sein letzter Filmauftritt. Der Kanadier zog nach Beendigung der Dreharbeiten nach New York, wo er eine erfolgreiche Karriere als Komponist, Sänger, Fotograf und Videokünstler begann. In „Hatchet for the Honeymoon“ erinnert Forsyth stark an eine attraktivere Version des Italo-Westernhelden Anthony Steffen, der ja eine ganz ähnliche Rolle in „Grotte der vergessenen Leiche“ spielte. Beide vereint auch eine knarzige Hölzernheit. Überhaupt nicht hölzern, sonder sehr flexibel ist die wunderbare Dagmar Lassander, die hier allerdings keine große Aufgabe zu erfüllen hat. Diese kommt der großartigen Laura Betti, einer Stammschauspielerin Passolinis, zu, welche die bösartige Ehefrau und späteren Rachegeist spielt. Die Betti lässt den Zuschauer bei ihrer Interpretation der Mildred Harrington zwischen Abscheu, aber auch ein wenig Mitleid schwanken und ist als Geist tatsächlich gruselig.

Diese Geistergeschichte ist es dann auch, welche den Film aus dem Gleichgewicht bringt. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Geschichte um den Geist von Johns ermordeter Ehefrau ursprünglich ambivalenter geplant war und es dem Zuschauer überlassen bleiben sollte, ob der Spuk nun real oder nur eine Ausgeburt von Johns Wahnsinn ist. Im finalen Film jedenfalls fehlt diese Zweideutigkeit, und der Geist erscheint als eben solcher und nicht als paranoide Fantasie. Dadurch wird dem Psychogramm eines Serienkillers etwas die Spitze genommen, da der Film hier ins Fantastische abgleitet. Hätte Bava auf diese Geistergeschichte verzichtet, wäre es dem Film vielleicht zugute gekommen. Andererseits wäre die Filmwelt um die beängstigende Darstellung der famosen Laura Betti ärmer.

Die Blu-ray von Wicked Vision Meda lässt, wie eingangs bereits erwähnt, keine Wünsche offen. Der Film wurde vom 35mm-Kamera-Negativ neu abgetastet und restauriert. Sowohl die Farben, als auch das Schwarz kommen dadurch sehr kraftvoll zur Geltung. Im Gegensatz zu älteren Ausgaben (insbesondere der US-Version) ist der als dts-HD-Mono vorliegende Ton hier endlich makellos. Auch an interessanten Extras wurde nicht gespart. Es gibt einen Audiokommentar von Pelle Felsch Für ein Vorwort wurde Dagmar Lassander gewonnen, die den Zuschauer einmal auf deutsch und einmal auf englisch einlädt, sich den Film anzusehen. Mit „A Hatchet for Dagmar“ ist auch ein neues, von Uwe Huber geführtes Interview mit ihr dabei, indem sie in 25 Minuten auf ihre lange Karriere Bezug nimmt und sich dabei auch kritisch äußert. In „My Dying Bride“ sieht man Marcus Stiglegger, der in knapp zehn Minuten viele interessante Hintergründe des Filmes zusammenfasst. Ferner sind noch die deutschen und italienischen Titel- und Endsequenzen dabei, allerdings in schlechter Qualität. Nette Beigabe: Der spanischen Werberatschlag, der italienische Foto-Aushang, und eine Artwork-Galerie. Weiter so, Wicked Vision Media!

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