Filmbuch-Rezension: “Liebling, ich bin im Kino!“

althenkinoIm Zuge des Dokumentarfilms „Was heißt hier Ende?“, den Dominik Graf über seinen Freund, den Filmkritiker Michael Althen drehte und auf der diesjährigen Berlinale vorstellte, erscheint nun im Blessing-Verlag eine Sammlung mit Althens Schriften. Das Buch trägt den schönen Titel „Liebling, ich bin im Kino!“ und enthält nicht nur Filmkritiken aus den letzten drei Jahrzehnten, sondern auch gefühlvolle Portraits ikonischer Schauspieler und Schauspielerinnen.

Das ganze Buch durchzieht das Band der Liebe für den Film. Üble Verrisse oder ein kräftiges Draufhauen, wenn ihm ein Film nicht gefallen hat, sind Althens Sache nicht. Wenn er einen Film nicht mochte, spürt man keinen blanken Hass, sondern eher eine Traurigkeit und Enttäuschung, weil da hätte mehr sein können. Nein, sein sollen. Wie zum Beispiel bei seiner Kritik zum „Baader-Meinhoff-Komplex“, bei dem kein wirklich böses Wort fällt, man aber deutlich seine Frustration über den Film spürt. Oftmals entdeckt Althen aber auch in weniger gelungene Filmen genau die Szenen, die dann doch aus einem Werk heraus leuchten, welches diese Strahlkraft vielleicht gar nicht verdient hat.

Althens Texte wollen keine Konfrontation mit dem Leser, sondern diesen zum Nachdenken anregen. Sie machen ihren Punkt klar, ohne dabei ausfällig zu werden, oder sich über das Objekt der Besprechung hämisch zu erheben. Dabei beeindruckt die thematische Vielfalt, die Althen bespricht. Diese reicht vom Arthaus-Drama über den Hollywood-Blockbuster zu eher unbekannten Kleinoden und dem reinen Genrefilm. Da werden dann auch keine dummen Unterschiede zwischen U und E gemacht, und die Schubladen bleiben zu. Alles wird mit dem selben Respekt und der gleichen Liebe zum Kino behandelt.

Michael Althens größte Stärke liegt im Portrait. Wenn Althen zum Beispiel über Dean Martin schreibt, so kommt dieser in dem Text kaum vor, aber gerade dadurch wirkt „Dino“ so supercool wie nur irgendwas. Wunderbar auch der Nachruf zu einem anderen Mr. Cool des Kinos: Robert Mitchum, dessen unmögliches Leben Althen noch einmal Revue passieren lässt und es dabei überlebensgroß auf eine imaginäre Leinwand wirft. Oder seine so treffenden Worte zur Schönheit einer Jeanne Moreau. Interessant auch sein Nachruf auf Bernd Eichinger, bei dem man deutlich merkt, dass er nicht unbedingt ein Freund des Eichinger-Kinos war, aber dem Mann den größten Respekt entgegen bringt und in Eichingers Liebe zum Kino durchaus einen Seelenverwandten erkannt hat.

Einen Text über Wim Wenders Dokumentation „Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten“ nutzt Althen, um den Regisseur und dessen Einstellung zum Film eingehend zu charakterisieren. So, wie er eigentlich immer über die reine Filmkritik hinausgeht, ja dem Leser häufig eine schwarz-weiße Meinung, gut oder schlecht, verweigert und stattdessen auffordert, sich nicht nur mit diesem einen Film, sondern seiner persönlichen Idee von Kino zu beschäftigen. Zum Beispiel, dass Stanley Kubrik zwar ein brillanter Bildermacher ist, aber seinen Filmen die Seele fehlt. Und davon, dass dessen filmischer Ziehsohn Steven Spielberg unter dem selben Symptom leidet. Neben den reinen Filmtexten, findet sich hier auch ein interessantes Essay über den 11. September, welches einige Tage nach dem Anschlag in New York entstand. Und er zollt seinen beiden Lehrern Respekt: Den verstorbenen Filmkritikern Frieda Grafe und Peter Buchka.

Michael Althen schrieb zunächst für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, die Zeit, Tempo und andere Zeitschriften. 1998 wurde er verantwortlicher Filmredakteur der Süddeutschen Zeitung. 2001 wechselte er als Redakteur zum Feuilleton der FAZ. Zusammen mit Dominik Graf drehte er zwei Film-Essays: „Das Wispern im Berg der Dinge“ über Grafs Vater, den Schauspieler Robert Graf, und die filmische Liebeserklärung an seine Heimatstadt „München – Geheimnisse einer Stadt“. Hans Helmut Prinzler realisierte er die Dokumentation „Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte“ (Kritik hier) über die deutsche Filmgeschichte.

2011 verstarb Michael Althen im Alter von nur 48 Jahre. Liest man noch einmal seine Texte, erkennt man, dass das deutsche Feuilleton mit ihm eine einfühlsame und verführerische, wortgewandte und poetische Stimme verloren hat. Und einen großen Liebhaber des Kinos, der fähig war, andere mit seiner Leidenschaft anzustecken.

Michael Althen “ Liebling, ich bin im Kino!, Herausgeben von Claudius Seidl, Blessing Verlag, 352 Seiten, € 19,99

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