Filmbuch-Rezension: “Fritz Lang”

GrobFritzLangFritz Lang zählt zu den bekanntesten und angesehensten Regisseuren unseres Landes. Darüber hinaus ist er einer der ganz wenigen Filmemacher der Stummfilmzeit, deren Namen heute noch Nicht-Cineasten geläufig ist. Allerdings wird sein Werk fast immer nur auf die Zeit der Weimarer Republik reduziert. Und hier schwebt der Name „Metropolis“ über allem. Fast scheint es, als wäre sein berühmtestes Werk mittlerweile zum Synonym für seinen Namen geworden. Lang ist „der Metropolis-Regisseur“. Vielleicht kennt man noch sein Meisterwerk „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ oder seinen „Mabuse“. Mit etwas Glück noch „Die Nibelungen“ und „Der müde Tod“, doch damit hört es bei den Meisten schon auf. Dabei fällt ein gewichtiger Teil seines umfangreichen Werkes fast immer unter den Tisch: Die Filme, die in seiner Zeit in Hollywood entstanden. Immerhin 20 Jahre war er in den USA aktiv und arbeitete für große, später dann zunehmend kleine und unabhängige Produzenten. Viele seiner interessantesten Filme entstanden in dieser Zeit.

Norbert Grob legt nun im Propyläen Verlag-Verlag die erste umfassende Biographie des Mannes vor, der fast 50 Jahre lang Filmgeschichte schrieb und zu den Legenden des Kinos zählt. Und erfreulicherweise konzentriert sich Grob dabei nicht auf die Zeit bei der Ufa, sondern behandelt Langs weiteren Lebensweg gleichberechtigt. Ein „Metropolis“ nimmt bei ihm nicht viel mehr Platz ein, als beispielsweise Langs letzter Hollywood-Film „Beyond Reasonable Doubt“. Wer Details über die Dreharbeiten und technische Aspekte bei Grob erwartet, ist hier hier falsch. Grob liefert immer ausführlich Inhaltsangaben (auch von nicht realisierten Filmen), zeigt auf, wie die Filme von der zeitgenössischen Kritik aufgenommen wurden und ordnet sie in den größeren Kontext von Langs Leben, seinem Gesamtwerk und seinen großen Themen (der aussichtslose Kampf des Individuums gegen das Schicksal, die Existenz von Parallelwelten, ) ein. Immer steht dabei vor allem die Person Fritz Lang und seine nicht immer einfache Persönlichkeit im Vordergrund. Dabei nimmt Grob kein Blatt vor den Mund und schreibt hier keine Heldenverehrung, sondern stellt dem Leser einen Mann vor, der nicht immer sympathisch erscheint, aber seinen künstlerischen Überzeugungen ohne Wenn und Aber folgte. Der eine große Vision davon hatte, wie Film aussehen muss, der sein Leben mit Haut und Haar dem Kino verschrieben hatte und trotz seiner menschlichen Makel eine beeindruckende Persönlichkeit war.

Grob erzählt das Leben und Schaffen Langs tatsächlich als flüssig zu lesende Geschichte. Immer wieder begibt er sich ganz nah an seinen Protagonisten heran und schaut in dessen Kopf. Dies wirkt zunächst einmal befremdlich, denn Sätze wie „Lang dachte…“, „Lang freute sich auf…“ kann man doch zunächst als reine Spekulation abtun. Auch Dialoge, die wenn dann im Privaten geführt wurden, werden teilweise wiedergeben. Grob erwähnt aber später, dass Lang penibel Tagebuch führte und wahrscheinlich standen Grob Langs private Aufzeichnungen zur Verfügung, auch wenn dies nicht explizit erwähnt wird. Manchmal übertreibt es Grob aber auch mit dem Detailreichtum. So wird am Anfang beispielsweise ausführlich über einen Boxkampf geschrieben, den Lang sah, ohne dass ein direkter Einfluss auf Langs weiteren Werdegang deutlich wird. Später folgen immer wieder lange Aufzählungen von Filmen, die Lang im Kino sah. Dies ist zwar durchaus interessant und rundet das Bild, welches Grob von Lang zeichnet, ab, hemmt aber den Lesefluss und ist nicht unbedingt von zwingendem Interesse.

Vor diesem Hintergrund verwundert es dann, wenn einige weitaus interessantere Details komplett unter den Tisch fallen. So erwähnt Grob nicht, dass von „Das Testament des Dr. Mabuse“ zwei Sprachfassungen (Deutsch/Französisch) mit unterschiedlichen Schauspielern existieren. Vor allem fehlt aber auch der Hinweis, dass Langs Ehefrau Thea von Harbou zunächst mit Rudolf Klein-Rogge verheiratet war, dem Lang später wichtige Rollen in seinen Filmen anvertraute, wie zum Beispiel den berühmten Dr. Mabuse. Hier wäre es sicherlich interessant gewesen zu erfahren, wie die beiden Männer zueinander standen und wie sich die enge Zusammenarbeit gestaltete. Das Thema Fritz Lang und die Frauen ist ein Hauptthema nicht nur in diesem Buch, sondern auch Langs Lebens als solches. Langs Frauenverschleiß ist ebenso sagen- wie zwanghaft. Daher wirken die vielen hier erwähnten, wechselnden Damen und Abenteuer nicht sensationshaschend und boulevardesque, sondern sind durchaus wichtig, um den Menschen Fritz Lang, ebenso wie einige der Probleme, die ihn in seiner Laufbahn immer wieder behinderten, zu verstehen. Denn in seiner Jagdlust machte er auch vor den Frauen und Freundinnen seiner Freunde und Bekannten nicht halt. Dass diese in der Mehrzahl zu ihm hielten, ist ein Mysterium, welches auch Grobs Buch nicht vollständig erklären kann. Jedoch spürt man in dieser Biographie jederzeit die große Faszination und Autorität, die Lang auf seine Mitmenschen ausgestrahlt haben muss.

Norbert Grobs Buch liest sich stellenweise wie ein Roman. Und tatsächlich ist die Person Fritz Lang ein ausgesprochen dankbarer Protagonist, den wir hier durch die ersten 76 Jahre des letzten Jahrhunderts begleiten. Sein Leben beinhaltet alles, was einen interessanten Charakter ausmacht. Exzess, Sex und Drama.  Erfolg, Macht, Niederlage. Allein der geheimnisvolle Tod seiner ersten Ehefrau wäre Stoff für einen spannenden Krimi. Grob bringt einem aber auch den pedantischen Tyrannen Lang nahe. Führt aus, welche Ziele Lang mit seinem Filmen verfolgte. Wie er Film als Verlängerung seines frühen Schaffens als Maler verstand. Wie er seine Gemälde auf Zelluloid malte. Wie er das Auge (Lang bezeichnete sich nicht umsonst als „Augenmensch“) über alle Sinne erhob, wenn es um seine Vorstellung vom perfekten Film ging. Wie wichtig ihm seine filmischen Gemälde waren, zeigt Grob anhand von Langs Signatur auf. Denn diese signierte er wortwörtlich mit seiner Hand: Diese ist in fast all seinen Filmen zu sehen. Dass sie dabei oftmals dem Mörder gehört, mögen Psychologen bewerten.

Norbert Grob “ Fritz Lang – Ich bin ein Augenmensch, Propyläen Verlag, 448 Seiten, € 26,00

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