Die tiefgläubige Elisabeth (Astrid Whettnall) ist Moderatorin einer religiösen Ratgebersendung und führt ein glückliches Leben mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen. Ihr Leben gerät aus den Fugen als sich erst ihr man versehentlich erschießt, dann ihr Vertrauter, der Priester Achilles (Achille Ridolfi), sich als pädophil entpuppt und eine Liaison mit ihrem 13-jährigen Sohn Jean-Charles (Zacharie Chasseriaud) eingeht. Als dieser seiner Mutter seine Homosexualität gestehen will und dabei auf harsche Ablehnung triff, bringt er sich vor den Augen Elisabeths um. Elisabeth ersucht um eine Audienz beim Bischof, um für das Seelenheil des Selbstmörders zu sorgen, muss aber feststellen, das die katholische Kirche nicht nur die Pädophilie ihrer Mitglieder unter den Tisch kehrt, sondern auch den Opfern die Schuld zuschiebt. Voller Wut und Schmerz zieht Elisabeth tödliche Konsequenzen…
Wieder einmal wird der potentielle Käufer eines Filmes auf eine vollkommen falsche Fährte gelockt, wenn er einen Blick auf das Cover der DVD des Filmes „In the Name of the Son“ wirft. Das beginnt mit der Schriftart, die an Filme wie „Burn After Reading“ oder diverse „cool-abgefahrene“ Gangsterfilme erinnert. Dann geht es weiter über den dämlichen Untertitel „Sprich Dein Gebet“, der Cover-Gestatung, die an einen an übertrieben-irrwitzigen Alex-de-la-Igleasias-Komödien denken läßt und endet schließlich beim bewusst flapsig formulierten Covertext. So wir dem Käufer suggeriert, bei „In the Name of the Son“ würde es sich um einen durchgeknallten Schenkelklopfer voller skurriler Typen mit großen Wummen handeln. Wer mit dieser Erwartungshaltung an den Film herangeht, wird zwangsläufig ein langes Gesicht machen und den Film möglicherweise als langweilig brandmarken. Was dem Film gegenüber mehr als unfair ist, denn „In the Name of the Son“ entpuppt sich als leise, tiefschwarze Komödie, die sehr ernste Themen anpackt und diese respektvoll behandelt. Natürlich in einer Form der Überspitzung, doch im Grundtenor bleibt es eine melancholisch grundierte, intelligente und provokative Auseinandersetzung mit religiösem Fanatismus, Heuchelei und Pädophilie, was trotz einiger Übertreibungen nicht ins Lächerliche gezogen wird – nimmt man einmal die paramilitärische Einheit eines radikalen Priesters aus. Aber auch bei dieser, bleibt einem das Grinsen im Halse stecken.
Nach der Hälfte der Spielzeit bekommen die Zuschauer, die von den falschen Versprechungen der Werbemaschinerie angelockt wurden, das, worauf sie gewartet haben. Nach einer überraschend brutalen und grafischen Szenen, in der einer Figur aus heiterem Himmel der Schädel zermatscht wird, folgt ein schön choreographierter und absurder Abschnitt, in dem die Mutter Jagd auf einen Priester macht. Doch diese vermeintlich „coolen“ oder „abgedrehten“Szenen werden spätestens dann gebrochen, wenn die Mutter sich nach dem letzten Mord voller Verzweiflung und Trauer die Pistole an die Schläfe hält. Denn dies ist keine Geschichte, in der die Rache eine Form von Erlösung bringt. Mit den Morden versucht Elisabeth, die Mutter, ihr zerstörtes Weltbild wieder ein wenig zu kitten. Sie glaubt daran, irgendwie Gottes Willen zu erfüllen, obwohl ihr Glauben schon lange bis ins Mark erschüttert ist. Es ist keine Rache, die Elisabeth da übt, es ist der verzweifelte Versuch, die eigene Schuld auszulöschen und in einem wirr, religiösen Wahn, die Seele ihres Sohnes zu retten. Um die Tragik ihres Charakters zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, wie tief ihr Weltbild und Selbstverständnis zerstört wurde. Der Ehemann und der Sohn geben vor, gemeinsam Campen zu gehen, dabei sind sie Mitglieder eine paramilitärischen Organisation. Der Priester, dem sie zutiefst vertraut und verehrt, entpuppt sich als pädophil, der Sohn gesteht ihr seine Homosexualität und bringt sich um, als sie ihn schroff zurechtweist. Die Kirche, die ihr großer Rückhalt ist, entpuppt sich als heuchlerisch und menschenfeindlich. Das Bedürfnis, diese aus den Fugen geratene Welt wieder zurecht zu rücken, entspringt einem tiefen Trauma, keinem schnöden Rachegelüsten. Und so kann die Erlösung für Elisabeth am Ende dann auch nur in einer Rückbesinnung auf Nächstenliebe und Versöhnung bestehen, ohne das Diktat einer verlogenen Organisation, sondern ganz aus der eigenen Person heraus. Erst als Elisabeth die Fesseln der Kirche abwirft und sich ganz auf den Kern der Religion konzentriert, findet sie Frieden.. und vielleicht sogar Gott.
Es ist überraschend, wie sensibel der Film mit dem delikaten Thema, des pädophilen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche, umgeht. Denn er wird nie plakativ, sondern stellt auch unbequeme Fragen. Besonders überrascht, wie der Missbrauch des 13-jährigen Jean-Charles durch den Priester Achilles (der seine verwundbare Verse schon im Namen trägt) inszeniert wird. Die schwierige Frage ist hier, ob man auch von einem Missbrauch reden kann, denn zwischen den beiden existiert eindeutig eine beidseitige, tief empfundene Liebe. Nicht nur wird Achille bis dahin als positive Erscheinung in einer verknöcherten Kirche präsentiert, er ist auch der Sympathieträger des Filmes. Und die Szenen, in denen sich Achilles und Jean-Charles nahe sind, werden sehr zärtlich ins Bild gesetzt. Auch ist Jean-Charles‘ Selbstmord nicht Folge des Missbrauchs, sondern des Umgangs der Kirche mit dem von ihm geliebten Menschen, der große Verlust und schließlich die feindselige Reaktion seiner Mutter, als er ihr seine Homosexualität offenbart. In einem anderen Zusammenhang verfolgte ich kürzlich eine Diskussion zu Louis Malles Inzest-Film „Herzflimmern“ (Kritik hier), in der die legitime und nachdenkenswerte Frage gestellt wurde, wie das Publikum heute reagieren würde, wenn es nicht um einen 13-jährigen Jungen gehen würde, der von seiner Mutter verführt wird, sondern um ein gleichaltriges Mädchen und ihren Vater. Natürlich war Achilles Verhalten falsch, aber die eigentliche Katastrophe wird von der Mutter ausgelöst, die ihrem Sohn nicht zuhört und seine Sexualität nicht akzeptiert. Und von einer Kirche, die ihre Skandale unter den Teppich kehrt und in einer perversen Logik die Opfer für ihr Schicksal verantwortlich macht.
Regisseur Vincent Lannoo stehen wundervolle Schauspieler zur Verfügung, allen voran Astrid Whettnall in der Rolle der Elisabeth, die sich zunächst tiefgläubig ihre Welt so macht, wie es ihr gefällt. Ihre erschreckend naiven und weltfremden Ratschläge, die sie in ihrer christlichen Radiosendung gibt, zeigen, wie sehr sie ins Korsett eines blind machenden und die normale Logik ad absurdum führenden Glaubens eingeschnürt ist. Wie Astrid Whettnall den langsamen Zusammenbruch dieses Menschen spielt, ist beeindruckend. Auch Jungmime Zacharie Chasseriaud in der Rolle des Sohnes Jean-Charles zeigt eine beeindruckende Bandbreite an schauspielerischen Möglichkeiten. Achille Ridolfi gelingt es als Pater Achilles, eine liebenswürdige Melancholie, aber auch eine tiefempfundene Liebe zu Jean-Charles zu vermitteln. Die Szene, in der er allein in seiner Kammer auf dem Bett sitzt und leise vor sich her singt ist ebenso wunderschön, wie tief traurig. Auch Philippe Nahon macht seine Sache als väterlicher, aber auch machtbewusster Père Taon sehr gut. Hinter seiner liebenswürdig-schrulligen Art blitzt immer wieder der alte „Menschenfeind“ aus Gaspar Noes gleichnamigen Film auf. Der Rest des Ensembles ist ebenfalls gut besetzt und mit Ausnahme des bösartigen Bischofs und des durchgeknallten Militär-Priesters, sind alle Figuren sehr ambivalent und lebendig gezeichnet.
„In the Name of the Son“ ist trotz des vom Verleih erweckten, gegenteiligen Eindrucks keine durchgeknallte Komödie, sondern eine größtenteils leise Tragödie, die mit schwarz-absurden Humor leicht gewürzt wurde. Unterstützt von hervorragenden Schauspielern wählt Regisseur Vincent Lannoo einen ebenso intelligenten, wie ambivalenten Ansatz, um sich mit solch schwierigen Themen wie Pädophilie, religiöser Blindheit, einer verlogene Kirche und den menschliche Unzulänglichkeiten auseinander zu setzten. Ein sehenswerter Film, dem man eine bessere Bewerbung gegönnt hätte.
Neben der oben bereits erwähnten, irreführenden Aufmachung des Filmes, muss man Donau Film, die den Film veröffentlicht haben, auch vorwerfen bis auf einige Trailer keinerlei Extras mit auf die DVD gepackt zu haben. Gerade bei diesem Film wären einige Statements des Filmemachers interessant gewesen. Dafür kann man bei Bild- und Tonqualität nicht meckern. Das Bild ist gut und scharf, kommt einem allerdings auch ein Tick zu hell vor. Aber dafür gibt es ja eine Fernbedienung. Der Ton ist gut verständlich und kommt als gute deutsche Synchronfassung oder in der französischen Fassung mit abschaltbaren deutschen Untertiteln daher.