DVD-Rezension: „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“

Teufelsmonster
Die Küste vor Tokio ist vollkommen durch Müll und Industrieabfälle verdreckt. Aus dieser Suppe entsteigt ein gigantisches Ungeheuer namens „Hydrox“ (im Original Hedora), welches sich von der Umweltverschmutzung ernährt und eine tödliche Gefahr für die Menschen darstellt. Der Wissenschaftler Dr. Yano ist der erste, der mit dem Monster direkten Kontakt hat. Obwohl er bei der Begegnung schwere Verbrennungen erleidet, macht er sich fieberhaft dran, ein Mittel gegen das stetig wachsende Monster zu entwickeln. Sein kleiner Sohn wiederum scheint eine telepathische Verbindung zu einem anderen Monster zu besitzt: Godzilla. Als Godzilla plötzlich auf der Bildfläche erscheint, um Hydrox zu bekämpfen, wird offenbar, dass Hydrox sogar dem mächtigen Godzilla überlegen ist. Wird es Dr. Yano trotzdem gelingen, die Menschheit vor Hydrox zu retten?

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Ende der 60er Jahre hatten sich die Godzilla-Filme in eine Sackgasse manövriert. Sie hatten den ernsthaften Grundton des Erstlings aufgegeben und sich zu harmloser Kinderunterhaltung entwickelt, die zu allem Übel noch mit reichlich Archiv-Material aufgemöbelt wurde. Als Tiefpunkt gilt „Attack all Monsters“ aus dem Jahre 1969, der als Traum eines kleinen Jungen, vor allem aus Szenen älterer Filme zusammengestellt wurde. Danach machte die Serie erst einmal Pause, um 1971 mit „Frankenstein im Kampf gegen die Teufelsmonster“ zurück zu kehren. Der deutsche Titel ist natürlich ziemlicher Quatsch. Ein Frankenstein taucht hier selbstverständlich nicht auf, und die „Teufelsmonster“ sind in Wirklichkeit nur eins. Wobei, zugeben, noch ein paar Ableger zu sehen sind und in den Raum gestellt wird, dass es noch ein zweites Monster gäbe. Im Original heißt das Monster Hedorah, was vom japanischen Wort von Schlamm oder Schlick abgeleitet wird. In Deutschland hieß es Hydrox und in den USA „the Smog-Monster“. Hedorah wirkt auf den ersten Blick ganz lustig, ist aber für Godzilla ein schier unbesiegbarer und gefährlicher Gegner. Zudem ist Hedorah auch die Materie gewordene Umweltverschmutzung und somit Godzilla nicht unähnlich, der ja einst ebenfalls eine Inkarnation einer von Menschen geschaffenen Gefahr darstellte: Der Atombombe.

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Das Thema Umweltverschmutzung wird dann auch sehr massiv in „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“ angegangen. Es wird geradezu mit dem Zaunpfahl auf das Publikum eingeprügelt. Hedorah ist keine leise Metapher, sondern ein auf Krawall gebürstet Demonstrant mit Megaphon. Dies führt immer wieder dazu, dass der Film bei den Fans nicht besonders gut gelitten ist. Tatsächlich spaltet er das Publikum enorm. Wobei die negativen Argumente nicht von der Hand zu weisen sind. Der Kinderhauptdarsteller, der Bruch etablierter Franchise-Regeln und natürlich die Botschaft, die mit dem Holzhammer daher kommt. Doch löst man sich davon, einen konventionellen Godzilla-Film sehen zu wollen, offenbart sich eine schier wahnsinnige Kraft, die einen mit all ihrem Irrsinn und den beinahe avantgardistischen Einfällen mitreißen kann. Es stimmt, als Godzilla-Film funktioniert „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“ eher weniger. So wird Godzilla auch irgendwie in den Film hineingepresst. Warum er überhaupt auftaucht, wird nicht wirklich erklärt. Er ist einfach plötzlich da und prügelt auf Hedorah ein. An einer Stelle wird dies beiläufig und arg fadenscheinig mit einer telepathischen Verbindung des Jungen mit dem grünen Monster erklärt, aber letztendlich ist dies doch nur reine Willkür der Autoren und kein zwingendes Motiv.

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Verabschiedet man sich also von traditioneller Kaiju-Konvention, explodiert einem die Experimentierfreude förmlich vor den Augen. Da wird der Film mit einer beinahe nach James Bond schmeckender Titelsequenz eingeläutet, in der die Sängerin Keiko Mari einen Ohrwurm über die Gefahren der Umweltverschmutzung schmettert, der fast vollständig aus der Aufzählung diverser Giftstoffe besteht. Immer wieder auch werden auf dem Meer treibende Mülllandschaften gezeigt, deren Zentrum eine zerstörte Kleiderpuppe einnimmt. Später führt der Film in eine psychedelisch ausgeleuchteten Discothek, wo ebenfalls eine Version des Liedes zum Besten gegeben wird und einer der Darsteller auf die anderen Besucher Fischköpfe halluziniert. Zwischendurch werden Zeichentricksequenzen wie aus der „Sendung mit der Maus“ eingeblendet, Dia-Vorträge über das Weltall abgehalten und wenn Hedorah über die Stadt fliegt fallen links und rechts skelettierte Körper zu Boden (ein no-go im Godzilla-Franchise, wo sonst nie Tote gezeigt wurden). In einer der schönsten Szenen, gerät eine Protagonist am Fuße des Fuji zu einem spontanen Happening junger Leute mit Musik und Tanz, während die Alten wie Geister hinter den Büschen hocken und das Treiben mit toten Augen beobachten. Und wenn Hedorah wieder Schlamm auf seine Gegner spritzt, erinnert dies an eine heftige Ejakulation.

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Für Regisseur Yoshimitsu Banno, der zuvor als Regie-Assistent bei Ishiro Honda und drehte den Film „Birth of the Japanese Islands“ für die Weltausstellung in Osaka 1970. Dabei lernte er Tomoyuki Tanaka kennen, der den jungen Regisseur mit dem neuen Godzilla-Film beauftragte. Was er bekam gefiel ihm allerdings gar nicht. Am heftigsten missfiel ihm die Szene, in der sich Godzilla plötzlich mit Hilfe seines Atomatmens in die Lüfte erhob. Für Banno sollte es dann auch sein erster und letzter Spielfilm bleiben. Was sehr schade ist, denn die übersprudelnde Fantasie und naive Kreativität hätte man gerne noch in einem weiteren Kontext gesehen. Immerhin taucht Bannos Name 43 Jahre später unter den Produzenten des amerikanischen „Godzilla“-Films von Garth Edwards auf. Doch dieser ist vom enthemmten Irrsinn eines „Teufelsmonster“ denkbar weit entfernt. So aber blieb „Frankenstein in Kampf gegen die Teufelsmonster“ der einzige Blick auf Bannos Fähigkeiten als Regisseur und gleichzeitig der polarisierenste Godzilla-Film der ganzen Reihe, der von der einen Fraktion ebenso vehement abgelehnt, wie von einer kleineren hemmungslos geliebt wird. Trotz und gerade wegen seiner Fehler und der Weigerung nach den Regeln zu spielen.

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Als konventioneller „Godzilla“-Film funktioniert „Frankenstein im Kampf gegen die Teufelsmonster“ nur sehr bedingt, aber als wagemutiges Experiment am Rande des Irrsinns, ohne Rücksicht auf irgendwelche Regeln oder den Geschmack des Publikums, ist er für ein dafür empfängliches Publikum eine sehenswerte, stellenweise fast avantgardistische, Entdeckung. Allerdings sollte man darauf gefasst sein, dass Yoshimitsu Banno einem seine ökologische Botschaft mit dem Dreschflegel einprügeln möchte.

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Mit seiner nunmehr 10. „Kaijun Classics“-Ausgabe hat Anolis wieder einmal einen sehr hohen Standard gesetzt. Von außen nicht ersichtlich, enthält das edle Steelcase nicht nur eine, sondern gleich zwei DVDs, die jeweils mit hochinformativen Extras aufgewertet wurden. Disc 1 enthält die Japanische Fassung des Filmes in einer hervorragenden Bildqualität. Neben der deutschen Synchronisation (fehlende Stellen werden im Original mit Untertiteln belassen), kann der geneigte Zuschauer noch wahlweise einen Audiokommentar mit den renommierten Experten Jörg Buttgereit und Bodo Traber oder Florian Bahr zuschalten. Des weiteren an Bord, ein 11-minütiges Interview mit Yoshimitsu Banno, welches Jörg Buttgereit 2002 geführt hatte. Der japanische und us-amerikanische Trailer sowie schönes internationales Werbematerial sind ebenfalls enthalten. Das Bild der deutschen Fassung auf Disc 2 ist einen Tick schlechter, aber immer noch sehr gut. Hier findet man neben japanischer und deutschen Tonspur, einen Audiokommentar von Monster-Fan Thorsten Rosemann, der schon zu „Frankenstein – Zweikampf der Giganten“ einen AK beisteuerte. Wer es kurz und nostalgisch mag, der kann die – leider rotstichige – 33-minütige deutsche Super-8-Fassung bestaunen. Der deutsche Trailer und deutsches Werbematerial runden die Disc ab. Nicht unterschlagen sollte man auch das sehr schön gewordene, 20-seitige Booklet, welches von Ingo Strecker verfasst wurde. Alles in allem, eine wunderschöne Veröffentlichung, die keine Wünsche übrig lässt.

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3 Antworten zu DVD-Rezension: „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“

  1. „Allerdings sollte man darauf gefasst sein, dass Yoshimitsu Banno einem seine ökologische Botschaft mit dem Dreschflegel einprügeln möchte.“

    Das könnte damit zusammenhängen, dass damals der Skandal um die Minamata-Krankheit auf dem Höhepunkt war. Noriaki Tsuchimoto drehte ebenfalls 1971 seine Doku MINAMATA – DIE OPFER UND IHRE WELT, und Michiko Ishimure hatte schon seit ein paar Jahren ihre Artikel über die systematische Vergiftung veröffentlicht, wofür sie heftigen Gegenwind von staatlichen und wirtschaftlichen Kreisen bekam. Damals war tatsächlich ein Kampf um die Meinungshoheit im Gang.

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