Die 16-jährige Schülerin Simone (Désirée Nosbusch) hat sich hoffnungslos in den Popstar „R“ (Bodo Steiger) verliebt. Sie gibt sich romantischen Tagträumen hin, schreibt ihm leidenschaftliche Briefe und vernachlässigt die Schule, um im Postamt auf „R“s Antwort zu warten. Nach einem Streit mit ihren Eltern, reißt sie aus und schlägt sich per Anhalter nach München durch, wo sie vor einem Fernsehstudio auf ihr Idol wartet. Tatsächlich wird „R“ auf sie aufmerksam, woraufhin sie in Ohnmacht fällt. „R“ nimmt sie mit ins Studio und kümmert sich um sie. Anschließend fahren sie gemeinsam zu ihm nach Hause. Nachdem sie Sex hatten, will „R“ sie allein zurücklassen, was bei Simone zu einer fatalen Kurzschlussreaktion führt…
Ich kann mich noch sehr gut an den „Skandal“ erinnern, als Eckhart Schmidts „Der Fan“ 1982 in die Kinos kam. Zwar zählte ich nie zu den Käufern der „Bravo“, aber die lag natürlich bei meinen Klassenkameraden herum. Und da war „Der Fan“ DAS Thema. Die beliebte und nette Désirée Nosbusch, damals zarte 16, die auf dem ZDF die Musiksendung „Musicbox“ moderierte, trat in diesem Film nackt (!) auf und tat schlimme Dinge. Natürlich wurde dies in dem Jugendmagazin ausgeschlachtet, und der Film prominent zusammen mit eindeutigen Fotos präsentiert (wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, gleich neben Charles Bands Horror-Film „Parasite“ mit der jungen Demi Moore). Dass die Nosbusch dann auch noch gerichtlich gegen den Film vorging, verstärkte nur noch seine „Verruchtheit“ und verlieh ihm legendäre Züge. Natürlich durfte ich mit süßen 12 Jahren gar nicht erst darüber nachdenken, ob ich dieses Werk im Kino zu sehen bekomme. Und in den folgenden Jahren verselbständigte sich die Fantasie, was in diesem oftmals als „Horrorfilm“ deklarierten Streifen, passiert. Umso überraschender, dass es ganze 32 Jahre dauern sollte, bis ich ihn dann endlich zu Gesicht bekam.
In der Rückschau wirkt der Film – trotz der noch immer bestehenden FSK-18-Freigabe – weitaus harmloser als damals. Zumal heutzutage die Erinnerungen an die junge, unschuldig reine Désirée Nosbusch von damals verblasst ist, und ihre Besetzung keine Sensation mehr darstellt. Auch der Tötungsakt und die darauf folgenden Taten am toten Leib des Popstars „R“, sind für heutige Verhältnisse sehr zurückzuhalten gefilmt und weit von eventuellen Splatter-Exzessen entfernt, auch wenn die Story dafür Potential geboten hätte. Eckhart Schmidt geht es auch gar nicht so sehr darum, das Publikum zu schocken. Auch wenn dies sicherlich der Publicity damals sehr zuträglich war.
Vielmehr zeichnet er das Bild einer krankhaften Obsession nach. Die blinde Besessenheit nach einer Leitfigur, in die der Fan seine Bedürfnisse, Sehnsüchte und Träume projizieren kann. Dadurch die reale Figur „R“ zu einer leeren Hülle macht, die ganz und gar mit den romantischen Ideen des Fans gefüllt wird, der ihn damit vollkommen für sich vereinnahmt. Dies verquickt Schmidt in zahlreichen Sequenzen auch immer wieder mit Symbolen des dritten Reiches. „R“ tritt in an die SA gemahnende Uniformen auf, seine Logo erinnert an die SS-Runen. Fan-Geschrei wird mit „Heil“-Rufen gemischt und wenn „R“ schließlich mit seinem Fan schläft, geschieht dies vor dem Hintergrund rot-weiß-schwarzer Fahnen.
Die Figur „R“, in der Simone nur Gutes und Edles sieht, hat mit dem Menschen „R“ natürlich nichts mehr zu tun, auch wenn er mit den Erwartungen seiner Fans spielt. Fast hört man da im Hintergrund ein „Wenn das der Führer wüsste“ flüstern. Gegenüber Simone bemüht sich „R“, dem Idealbild zu entsprechen, um am Ende seine Interessen – Sex mit dem attraktiven Teenie – durchsetzen zu können. Doch Schmidt zeigt auch, dass dies „R“ eben nur ein Mensch ist, und bei weitem nicht das gottgleiche, gütige und liebevolle Wesen, welches Simone ihn ihm sieht. Seinen Mitarbeitern und Kollegen gegenüber verhält sich „R“ nämlich so, wie man es von einem jungen Menschen, der viel zu früh und viel zu schnell zum Star aufgestiegen ist, erwarten kann: Egoistisch und rücksichtslos. Als Simones Wahrnehmung von „R“ und dessen wahres Wesen nicht mehr übereinstimmen, kommt es zur Katastrophe. Nur indem Simone die Person „R“ auslöscht, kann ihr Bild von „R“ weiterleben.
Dass der Fan sich dann das Idol wortwörtlich einverleibt, ist eine überdeutliche und drastische Metapher, die dem Film seine Bekanntheit sicherte, aber im Grunde etwas dick aufgetragen wirkt. Der Fan hat den Menschen hinter der Fassade getilgt und sich damit das Bild vollkommen angeeignet, es zu seinem Besitz gemacht. „Der Fan“ ist teilweise eine etwas kopflastig-konstruierte Angelegenheit, die echte Emotionen zugunsten der Allegorie vernachlässigt. Zudem wird offensichtlich, dass Schmidt nicht vom Film, sondern der Malerei, der Dichtung und dem Theater kommt, denn der Film wirkt über weite Strecken intellektuell unterkühlt und statisch. Die Dialoge werden von der Nosbusch und Bodo Steiger, in der Rolle des „R“, eher aufgesagt als gesprochen.
In einem Interview, welches auf der CMV-Blu-ray zu finden ist, erzählt Schmidt davon, dass er – um die FSK milde zu stimmen – einen Schluss gedreht hätte, in der sich alles als Traum der Simone entpuppt. Dieses Ende hätten er uns seine Mitstreiter aber gehasst, so dass er vor der Premiere persönlich in die Kinos gefahren sei, um dieses Ende wieder aus der Kinorolle heraus zu scheiden. Interessanterweise finden sich aber im Film trotz allem zahlreiche Hinweise darauf, dass die zweite Hälfte, in der Simone „R“ trifft, sich tatsächlich nur im Kopf des emotional überlasteten Fans abspielt. So ist die erste Hälfte immer wieder von Szene durchzogen, in denen Simone sich zusammenphantasiert, was mit ihren Briefen an „R“ passiert. Solche Fantasie-Szenen kommen in der zweiten Hälfte dann nicht mehr vor. In ihren Fantasien tritt auch immer eine Frau auf, die sich dann später in der Realität als „R“s Sekretärin entpuppt und bei ihrem Zusammentreffen mit Simone, diese scheinbar wiedererkennt. Auch wirkt die Szene, in der „R“ das erste Mal auf Simone zu geht und diese daraufhin ohnmächtig wird, sehr wie eine Jung-Mädchen-Fantasie und weniger wie etwas, was in der Realität passieren könnte. Und schließlich schläft Simone vor der Begegnung mit „R“ tatsächlich ein. Bevor sie dann plötzlich in der Menge steht, hat sie einen merkwürdigen Traum, auf den nicht weiter eingegangen wird. Dieser könnte durchaus den Bruch zwischen Realität und Traum darstellen.
Weder Désirée Nosbusch, noch Bodo Steiger, verfügten über große Schauspielerfahrung. Beim Schauspiel der Nosbusch, scheint man manchmal die Regie-Anweisungen Schmidts zu hören. Ihre etwas hölzerne Darstellung passt allerdings zu der jugendlichen Unsicherheit und Simones Verlorenheit. Bodo Steiger war zum Zeitpunkt des Filmes Sänger der Gruppe „Rheingold“, die auch den vorzüglichen Soundtrack zu „Der Fan“ ablieferten. „Rheingold“ gehörte zu den Neue-Deutsche-Welle-Gruppe, die eine neue, deutschsprachige „Wave“-Musik generierten, bevor die „Neue Deutsche Welle“ mit Aufkommen von Bands wie Geier Sturzflug oder Frl. Menke hoffnungslos „verschlagert“ und erbarmungslos kommerzialisiert wurden. Vielleicht spielte auch seine Ähnlichkeit mit „Joy Division“-Sänger Ian Curtis, der ja selber ein tödliches Problem mit dem Star-sein hatte, bei der Besetzung eine Rolle. An Joy Division muss man auch bei Rheingolds Musik und Bodo Steigers Gesang denken, die stark von der britischen Band beeinflusst klingt.
„Der Fan“ ist ein interessantes, intellektuelles Gedankenspiel über die Beziehung zwischen Fan und Star. Die unterkühlt-kopflastige Herangehensweise, das etwas hölzerne Spiel der beiden Protagonisten und der deutliche Allegorie-Charakter distanziert den Zuschauer allerdings vom Geschehen. Die möglicherweise von Schmidt beabsichtige Schockwirkung der „Skandalszenen“ wird dadurch unterlaufen.
Die neue Blu-ray von CMV hat eine fantastische Bildqualität und kann auch durch einen klaren Ton beeindrucken. Im Gegensatz zu früheren DVD-Veröffentlichungen ist das Bild nicht mehr im Format 4:3, sondern wurde für das Format 16:9 angepasst. Ob dies das korrekte Format ist, sei dahingestellt. Oftmals scheint zumindest oben und unten ein kleines Stück zu fehlen. Ebenfalls im Vergleich zu den alten DVDs zu Marketing bzw. Starlight, finden sich auf der Blu-ray spannende Extras, wie das oben bereits angesprochene Interview mit Eckhart Schmidt (20 Minuten), einem Auszug aus dem Originaldrehbuch und Bilder aus dem damals zum Film erschienenen Buch. Von daher ist die Blu-ray den alten Veröffentlichungen klar vorzuziehen.