DVD-Rezension: “Convoy Busters”

Convoy_Busters
Kommissar Olmi (Maurizio Merli) ermittelt in Rom in der Mordsfall eines jungen Mädchens. Schnell stellt sich heraus, dass diese aus dem Weg geräumt wurde, da sie zu viel über die illegalen Tätigkeiten des Vaters ihres Freundes wusste. Olmi unternimmt alles, um die Übeltäter gefangenzunehmen und gerät dabei selber ins Fadenkreuz. Als er aufgrund der korrupten Justiz einen Fluchtversuch nicht verhindern kann, lässt er sich in eine kleine Stadt am Meer versetzen, wo er schon bald einer Schmugglerbande auf die Schliche kommt…

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Maurizio Merli ist eine Ikone des italienischen Polizeifilms, dem sogenannten Polizieschi. Dabei betrat er relativ spät diese Bühne. Ursprünglich war er nur in der Hauptrolle des Films „Verdammte heilige Stadt“ (auch bekannt als „Gewalt rast durch die Stadt“) besetzt worden, weil er Franco Nero ähnlich sah, der nach dem Erfolg von „Tote Zeugen singen nicht“ den Produzenten einfach zu teuer wurde. So versah Merli seinen ersten Einsatz in als Nero-Lookalike mit ähnlichem Rollennamen (Belli/Betti) und Kostüm. Doch augenblicklich gewann der zupackende Merli das Herz der Fans, und noch heute wird sein Name fast schon synonym für den „Polizieschi“ verwendet. Vor allem allerdings auch für die Stereotypen, die man hier erwartet. Den Supercop, der alles niederknallt, was ihm vor den Lauf kommt. Der sich nicht um Regeln und Gesetzt schert und links wie rechts Backpfeifen verteilt. Ein italienischer „Dirty Harry“ auf Speed.

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Die Hauptaufgabe des Films „Convoy Busters“ scheint es zu sein, eben jene Klischees zu bebildern. Merlis Kommissar Olmi kennt weder Gnade, noch Dienstvorschriften. Legt er einmal los, stapeln sich um ihn herum die Leichen und bei Zeugenbefragungen rutscht ihm regelmäßig die Hand aus. Ganz egal, ob er nun Männlein oder Weiblein befragt: Will jemand nicht redet, dann setzt es erst einmal was. Mit der Dienstwaffe geht er ähnlich sorglos um. Einmal streckt er mal eben so einen unschuldigen Radfahrer nieder, nur weil dieser sich ihm arglos von hinten näherte. Es ist typisch für das konfuse Drehbuch, dass diese Tat keine Konsequenzen nach sich zieht. Ja, noch nicht einmal weiter thematisiert wird. Zwar schaut Olmi später einmal melancholisch seine Waffe an, um sie dann zu entladen und im Schreibtisch verschwinden zu lassen, doch dass die ein Akt der Reue ist, muss der Zuschauer sich schon selber zusammenreimen. Und wenn Olmi einmal eine Zeugin verdrischt, kann man dies im Vergleich zu seiner lockeren Dienstwaffe schon fast als lediglich „unorthodoxe Verhörmethode“ abtun.

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Natürlich spielt „Convoy Busters“ in einer Fantasie-Welt, die (hoffentlich) nichts mit dem Alltag der italienischen Polizei 1978 zu tun hat. Unangenehm stößt diese brutale Polizeiwillkür einem aber trotzdem auf. Auch wenn Merli dabei nicht ganz das Niveau seiner asozialen Kollegen Marc Porel und Ray Lovelock aus Ruggero Deodatos „Eiskalte Typen auf heißen Öfen“ erreicht. Dafür hat ihm die Drehbuchautoren einige schöne Turtel-Szenen mit der schönen Olga Karlatos in das Drehbuch geschrieben, welche Regisseur Stevio Massi angemessen albern-kitschig inszeniert. Wer die recht ähnlich anmutenden Szenen zwischen Leslie Nielsen und Priscilla Presley in „Die nackte Kanone“ kennt, hat eine Idee, wie das hier aussieht. Dazu hat der ansonsten ausgesprochen zuverlässige Stelvio Cipriani eine entsprechend süßliche Musik geschrieben. Generell zählt der Score zu „Convoy Busters“ aber nicht zu Ciprianis besten Arbeiten, auch wenn er über weite Teile Stücke verwendet, die bereits in anderen Filmen vorkamen.

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Das Drehbuch etwas anders einen losen Flickenteppich zu nennen, wäre eine böse Untertreibung. Episodenartig hängt Massi eine Szene an die andere. Eigentlich simple Handlungsstränge werden gedehnt, bis sie kaum noch einen Sinn ergeben. Oftmals aber verlaufen sie nach kurzer Zeit im Nichts, nur damit augenblicklich ein neuer Faden aufgenommen werden kann. Figuren treten auf und verschwinden. Was eben noch wichtig war, ist jetzt schon wieder vergessen. Gerade in der ersten Hälfte scheint jede Sequenz nur dazu da, Olmi in Action zu zeigen, und der Leichenhalle neue Kunden zuzuführen. Ein großer Zusammenhang besteht dabei allerdings nicht. Erst in der zweiten Hälfte entwickelt sich so etwa wie eine stringente Handlung, was das Tempo des Filmes aber auch ausbremst.

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Ein Großteil der Konfusion entsteht durch den, vorsichtig ausgedrückt, eigenwilligen Schnitt. Da werden einige Szenen, die am Ende keine Signifikanz für die Geschichte haben, breit ausgewalzt, während man bei anderen das Gefühl hat, sie wären irgendwie abgehackt und würde gleich komplett fehlen. So scheint ein Teil der Handlung, erst am Schneidetisch in eine halbwegs nachvollziehbare Form gebracht worden zu sein. Beispielsweise wird die von Olga Karlatos gespielte Figur der Anna einmal in einer scheinbar völlig unpassend in den Film montierten Szene mit einer Gruppe Kindern gezeigt, obwohl ihr Beruf – offensichtlich Lehrerin – zuvor nicht erwähnt wurde. Dann ein Schnitt und Olmi erhält die Nachricht, Anna würde mit den Kindern in einem Gebäude gefangengehalten. Das Ganze wirkt im fertigen Films so, als habe man während des Drehs völlig vergessen, warum sich denn bitteschön Anna mit einer Gruppe Kindern in dem Gebäude aufhält, woraufhin man die vorher beschriebene Szene mal eben hastig nachgedreht habe.

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Trotz des katastrophalen Drehbuchs und der konfusen Montage kann der Film aber trotzdem gut unterhalten, da er in seinen starken Übertreibungen schwelgt und dabei ein hohes Tempo – zumindest in der ersten Hälfte – an den Tag legt. Zudem mag Stevio Massi vielleicht ein mäßiger Erzähler sein, doch als gelernter Kameramann hat er ein sehr gutes Auge für einprägsame und starke Bilder. Allein die Szene, in der Olmi mit seinen Männern im Gegenlicht ein ausgebranntes Auto samt verkohlter Leiche (ein recht überzeugender Spezialeffekt) untersuchen, versöhnt für so manche arg willkürliche Holprigkeit in der Dramaturgie.

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Eine ansprechende Kameraarbeit, reichlich Action und ein gut aufgelegter Maurizio Merli entschädigen etwas für ein katastrophales Drehbuch und einen willkürlichen Schnitt. Positiv ausgedrückt könnte man auch sagen, der Film verweigert sich starrköpfig einer klassischen Erzählstruktur. Das hohe Tempo und die absurden, teils an eine Parodie erinnernden Situationen dürften Merli-Fans aber trotzdem recht gut unterhalten.

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Die Doppel-DVD aus dem Hause filmArt ist üppig ausgestattet. Hier wurden alle Extras der amerikanischen Veröffentlichung von „No Shame“ übernommen. Maurizio Matteo Merli erzält über seinen Vater (20 Minuten), ferner wird auch sein Agent und Freund Eolo Capacci interviewt (16 Minuten). Merli war seit seiner Kinderheit ein guter Freund der Familie Girolami. Besonders Enio Girolami weiß viele Anekdoten aus dieser Zeit zu berichten (16 Minuten). Aber auch sein Bruder Enzo – besser bekannt unter seinem „Künstlernamen“ Enzo G. Castellari – weiß eine Menge über Merlis Jugend und Karriere zu erzählen (22 Minuten). Am Ende wird auch Ruggero Deodato befragt, der ebenfalls eng mit Merli befreundet war (6 Minuten). Dadurch erhält man ein sehr persönliches Bild vom Menschen und Schauspieler Merli, der privat so ganz anders war, als seine ruppige Leinwand-Persönlichkeit vermuten ließ. Auf einer zweiten DVD befindet sich die alte, um 8 Minuten gekürzte Fassung, die teilweise auch anders montiert wurde. Das Bild des Hauptfilmes ist nur recht durchschnittlich, aber trotzdem gut anschaubar. An zwei kurzen Stellen jedoch „hakt“ das Bild und die Personen bewegen sich nur in Zeitlupe. Könnte die erste dieser Stellen noch als Stilmittel durchgehen, wird bei der Zweiten klar, dass hier ein Fehler im Material vorliegt. Dies irritiert kurz, ist aber zu verschmerzen. Der deutsche Ton ist okay, weißt allerdings Zischlaute auf, sobald ein Wort mit „S“ anfängt. Dafür ist er aber lebendiger als die recht sterile englische Fassung. Die beste Tonspur ist hier die italienische. Alle drei Tonspuren sind in Mono. Ferner liegt der DVD ein 8-seitiges Booklet von Michael Cholewa bei, welches zwar im lockeren Plauderton über den Film und Maurizio Merli informiert, allerdings wieder einmal mit den für diese Reihe leider typischen, orthographischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen hat.

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