DVD-Rezension: „Dario Argentos Dracula“

Dario-Argentos-DraculaJonathan Harker (Unax Ugalde) nimmt nach Vermittlung durch Lucy Kisslinger (Asia Argento), der besten Freundin seiner Ehefrau Mina (Marta Gastini), eine Stellung als Bibliothekar im Schloss des Grafen Dracula (Thomas Kretschmann) an. Dort hat er bald schon eine bösartige Begegnung mit der schönen Vampirin Tania (Miriam Giovanelli). Als sie nichts mehr von ihrem Ehemann hört, reist Mina besorgt nach Transsylvanien, nicht wissend, dass sie damit geradewegs in eine Falle tappt, die Dracula ihr gestellt hat…

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Dario Argento war einmal ein bedeutender Regisseur, der bei seinen Fans gottgleiche Verehrung erfuhr. Dafür sorgten vor allem surreale Meisterwerke wie der Über-Giallo „Profondo Rosso“ und die beiden Horrorfilme „Suspiria“ (der ihm seinen Platz im Filmgeschichtsbuch sicherte) und „Horror Infernal“. Mit jedem neuen Film war die Erwartungshaltung der Fans enorm, und jeder Eintrag in seine Filmographie, der den Erwartungen nicht entsprach, wurde mit äußeren Umständen entschuldigt. Mit den Kompromissen, die er bei seinem ersten und einzigen US-Film „Aura“ eingehen musste, mit niedrigem Budget oder generell schlechten Produktionsbedingungen. Doch irgendwann wurde das Rumoren unter den Fans immer lauter. Jeder neue Film beinahe gefürchtet, da er Mal um Mal die Hoffnung der Fans auf ein weiteres Meisterwerk gründlich zerstörte. Jeder neue Film galt nun umgehend als sein schlechtester überhaupt. Stimmt das aber so? Man muss Argento zugutehalten, dass er versucht hat, sich weiterzuentwickeln. Seinen Stil zu ändern. Von visueller Opulenz – die von seinen Anhängern so geliebt wurde – zu einem gröberen, realistischeren Stil. Mit „Stendhal Syndrome“ von 1996, der sehr zwiegespalten aufgenommen wurde, ist ihm dies bravourös gelungen, auch wenn schlechte Computergrafiken und eine fehlbesetzte Asia Argento die Wucht des Filmes etwas sabotieren.

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In seinen folgenden Filmen wurden diese Versuche auszubrechen und etwas völlig anderes zu erschaffen, aber immer wieder von einer gewissen Kompromissbereitschaft unterminiert. Besonders deutlich tritt dies bei „The Card Player“ zutage, wo Szenen, die den Film auf eine formal realistische Ebene bringen sollen – was zugeben nicht wirklich funktioniert – von kleinen Kabinettstückchen begleitet werden, die in ihrer lyrisch-surrealen Art an frühere, bessere Werke erinnern. Mit dieser hasenfüssigen Hinwendung zu einem Publikum, das keine Veränderung seines Stils mitmachen möchte, zerstört Argento gleichzeitig seinen Ansatz, neue Wege zu gehen. Mittlerweile scheint es fast so, dass er seine Filme nicht mehr für sich, sondern für ein Publikum dreht, dem er gefallen möchte, aber gleichzeitig auch keine Lust mehr hat, ständig aufgefordert zu werden, zum Stil von „Suspiria“ zurückzukehren. In der Folge sind seine Filme unentschlossen. Weder Fisch, noch Fleisch und zudem gehandicapt durch miserable Drehbücher und Argentos immer deutlicher zu Tage tretende Schwäche in der Führung seiner Schauspieler. Trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war „Giallo“, indem ein schmierender Adrian Brody und eine nichtschauspielende Emmanuelle Seigner durch eine wirre Geschichte stolpern.

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Oftmals versuchte Argento in der Vergangenheit diese Schwächen unter möglichst blutigen Szenen zu begraben („Mothers of Tears“), doch auch da folgte ihm sein Publikum nicht mehr. Was uns zu „Dracula 3D“ bringt, der beinah einhellig als absoluter Tiefpunkt seiner Karriere angesehen wird. Und leider kann man dies nur bestätigen, denn von der einst optischen Eleganz und innovativen Gestaltung ist hier noch nicht einmal ein letzter Hauch übrig geblieben. Und dies, obwohl Argento das erste Mal wieder mit Luciano Tovoli zusammenarbeitete, der auch sein Kameramann bei „Suspiria“ war. Einen Teil des Fiaskos kann man sicherlich auf die für Argento ungewohnte 3D-Technik schieben. Zunächst einmal scheint sie bewirken, dass die Bilder einen billiges, ausgesprochen unattraktives Aussehen besitzen. Ihnen fehlt völlig der kino look, wodurch sie stark an auf Video gedrehte Amateurfilme erinnern. Dadurch wirken die kargen Kulissen noch kümmerlicher, der Film regelrecht freudlos. Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wenn die faden Videobilder noch mit Claudio Simonettis opulenter Orchestermusik zugekleistert werden, wodurch ihre Ärmlichkeit noch deutlicher zum Tragen kommt. Ebenfalls der 3D-Technik geschuldet sind mit Sicherheit auch einige Einstellungen, die in 3D den Räumen Tiefe verleihen sollen, sich aber in der 2D-Version nur noch wie für das Fernsehen abgefilmtes Theater anfühlen.

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Erinnert schon das Aussehen des Filmes an Low-Budget-Amateuerfilme, so wird dieser Eindruck noch durch die Darsteller unterstrichen. Kaum einer spielt in irgendeiner Weise natürlich. Man hat in vielen Szenen das Gefühl, Argento hätte seine Darsteller angewiesen:“Jetzt guck mal ängstlich“ und das hätten sie dann auch genauso gespielt, wie sich Klein Fritzchen „ängstlich aussehen“ vorstellt. Man sieht hinter jeder Geste das Spiel und davon dann auch viel zu viel. Besonders grausam ist das, was Asia Argento hier anstellt. Billigstes Schmierentheater vom Schlechtesten. Auch ein gestandener Schauspieler wie Thomas Kretschmann verfällt regelmäßig in dickes Pathos und Theaterhaftigkeit. Auffällig ist dieser eklatante Mangel an Schauspielführung bereits in der ersten Szene, in der sich die beiden Figuren exakt so hilflos verhalten, wie man es von aus Debütfilmen aus dem Amateurbereich kennt, wo gerne mal Laien aus dem Freundes- und Bekanntenkreis besetzt werden. Lediglich zwei Ausnahmen seien hier erwähnt. Zunächst Rutger Hauer, der sich ohne große Anstrengung durch den Film schlafwandelt, und dann die einzige Schauspielerin, die sich in „Dracula 3D“ diese Bezeichnung auch verdient: Die talentierte Marta Gastini in der Rolle der Mina Harker.

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Aber nicht nur Bildgestaltung und Schauspielführung sind Argento anzulasten. Es hapert an allen Ecken und Enden. So ist der Schnitt des Filmes erschreckend uninspiriert und erinnert an Papas erste Versuche, am Computer aus seinem Urlaubsfilm eine Hollywoodproduktion zu machen. Auftritte und Abgänge werden so inszeniert, das einfach jemand die starre Einstellung betritt und seinen Spruch aufsagt und diese dann wieder verlässt. Auch hier gibt es keinerlei Dynamik oder den Versuch einer filmischeren Lösung. Die Special Effects aus dem Computer sehen genau danach aus, und scheinen aus 20 Jahre alten PC-Spielen übernommen zu sein. Was besonders ärgert, da diese Effekte zum größten Teil gar nicht nötig gewesen wären, hätte Argento nicht die fixe Idee gehabt, seinen Dracula in immer neuen Tier-Inkarnationen zu zeigen. Aber wenn man das so macht, sollte man besser auch über die technischen Möglichkeiten verfügen. Vielleicht waren Argento diese Schwächen auch bewusst, so dass er dann versuchte, sie mit deftigem Splatter (Schaufel in den Kopf) und Sex (die gut bestückte Miriam Giovanelli muss ständig blank ziehen) zu übertünchen.

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Möglicherweise war Argento mit der 3D-Technik überfordert und vernachlässigte deshalb jeden anderen Aspekt seines Filmes. Dass der Film dann noch allen Ernstes mit „eine berauschende Hyper-Trash-Erfahrung und essenzielle B-Filmkunst“ beworben wird, ist die endgültige Bankrotterklärung eines Filmes, dem man seine Ambitionen, ebenso wie ihr eklatantes Scheitern, ansieht. Nein, Trash sollte das nie sein. Dass es das geworden ist, stimmt mich traurig. Ich kann in „Dracula 3D“ auch nicht die „gekonnte Persiflage“ erkennen, die Beatrice Behn in dem empfehlenswerten Buch „Dario Argento – Anatomie der Angst“ in ihm gesehen hat. Ich stimme ihr allerdings zu, wenn sie schreibt: „(Es ist) fast so, als möge Argento mit (der Persiflage) sagen: Sehet, ich könnte euch vieles bieten. Aber ich tue es nicht.“ Dieses Gefühl beschlich mich – leider – auch.

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„Dracula 3D“ ist leider eben jenes Fiasko, welches die Filmkritik und die Gemeinde der Argento-Fans in ihm sieht. Der Regisseur scheint mit der 3D-Technik völlig überfordert gewesen zu sein, was sich nicht nur eklatant in der kümmerlichen Bildgestaltung, sondern auch in allen sonstigen Aspekten des Filmemachens niederschlägt. Da helfen auch nackte Brüste und viel Kunstblut nicht weiter.

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Das Bild der Koch Media DVD ist leider etwas zu hell, so dass Schwarztöne als dunkles Grau erscheinen. Die deutsche Synchronisation ist eher unterer Durchschnitt, die englische Tonspur aber nicht viel besser. Man hört deutlich, dass einige Schauspieler ihre Rolle auf Englisch interpretiert haben (Asia Argento z.B. mit deutlichem Akzent) und andere nachträglich synchronisiert wurden. Leider nicht immer passend und manchmal mit einer unnatürlichen Diktion. Rutger Hauer spricht sich selbst, neigt aber zu merkwürdigen Kunstpausen mitten im Satz, was etwas irritiert. Die Extras können absolut überzeugen, neben einem interessanten – vielleicht angesichts des Ergebnisses etwas zu enthusiastischen – 62-minütigen Making-Of, weiß insbesondere ein Q&A mit Dario Argento zu gefallen, welches beim Slash Festival in Wien aufgenommen wurde. Zwar ist Argento manchmal etwas – aufgrund seines doch recht bescheidenen Englisch – schwer zu verstehen, aber er erzählt einige interessante Dinge und eine ganz wunderbare Anekdote über Rutger Hauer, die dieser sicherlich nicht gerne hört.

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1 Antwort zu DVD-Rezension: „Dario Argentos Dracula“

  1. purgatorio sagt:

    oh weh, Dokument eines Niedergangs. Ein Abwärtstrend, der vordiktiert wurde. Sehr traurige Angelegenheit. Entsprechend eine sehr ehrliche Rezension, der man die Traurigkeit über das Debakel in jeder Zeile anmerkt! Gute und ehrliche Besprechung einer wahren Tragödie.

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