Nach einem gemeinsamen Überfall wird eine Bande mexikanischer Banditen von ihren amerikanischen Partnern, die von Oaks (Piero Lulli) angeführt werden, exekutiert. Doch der Anführer der Mexikaner (Tomas Milian, im Original ein namenloser Fremder, in der internationalen Werbung „Django“ getauft) überlebt das Massaker und wird von zwei Indios gepflegt. Er folgt Oaks und seiner Bande in die Stadt „Unhappy Place“, wo diese bereits von den Einwohnern aufgehängt wurden. Nur Oaks kämpft noch um sein Leben, wird aber von Django tödlich verwundet. Django beschließt in der Stadt zu bleiben und wird bald Zeuge, wie die Bewohner der Stadt, allen voran der Barbesitzer Templer (Milo Quesada) und der Kaufmann Hagerman (Francisco Sanz), sowie der Großgrundbesitzer Zorro (Roberto Camardiel) mit seiner Armee hübscher, in schwarzes Leder gewandeten Leibwächter, versuchen an das Gold aus dem Überfall zu kommen, welches Oasks Bande in die Stadt gebracht hat und das seitdem verschwunden ist…
„Töte, Django“ wird allgemein dem Genre des Italo-Western zugeschlagen. Und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass der Film alle Ingredienzien besitzt, die zu einer zünftigen Italo-Western-Suppe gehören. Eine Rachegeschichte, die Gier nach Gold, schöne Frauen, harte Kerle. Es wird auch viel geschossen in diesem Film. Doch was Spielfilmdebütant Giulio Questi aus einem scheinbar simplen Genrefilm geschaffen hat, sprengt die Grenzen des Genres und verwandelt „Töte, Django“ in einen surrealen Trip ins Purgatorium.
Questi ist einer der interessantesten Regisseure des italienischen Films, und es ist sehr schade, dass sein merkwürdiges, und sehr spezielles, Ouevre lediglich drei Spielfilme umfasst. Sein nächster Film „Die Falle“ gehört zum Genre des Giallo, aber ebenso, wie sich „Töte, Django“ nicht in die Schublade des Western pressen lasen will, sperrt sich die „Die Falle“ gegen eine eindeutige Charakterisierung, ist gleichzeitig Science Fiction und Farce. Nachdem Questi mit seinem dritten – dem Vernehmen nach ebenfalls überaus seltsamen – Spielfilm „Arcana“ dem Kino den Rücken kehrte, inszenierte er noch bis 1994 zahlreiche Kurzfilme und arbeitete für das Fernsehen.
„Töte, Django“ ist die Beschreibung einer Fahrt in die Hölle. Questi nimmt dabei Anleihen bei Experimentalfilm (insbesondere in der Montage der Flashbacks) und des surrealistischen Films. Tatsächlich nimmt er ähnliche Hybride vorweg. Filme wie Cesare Canevaris „Willkommen in der Hölle“ – mit dem er die albtraumhafte, hoffnungslose Stimmung teilt – und das surreale Meisterwerk „El Topo“, dessen korrupt-inhumane Westernstadt und das blutrünstige Finale von „Töte, Django“ inspiriert sein könnten. Questi findet Bilder, die direkt aus einer bedrückenden Traumwelt stammen könnten. Gleich zu Beginn kämpft sich ein geschundener Körper aus einem Massengrab. In der Stadt werden Kinder gequält oder spucken sich gegenseitig ins Gesicht. Hinter den Scheiben der Häuser nimmt man geduckte Schemen wahr. Die Stadt „Unhappy Place“ ist das Fegefeuer, durch das alle Figuren gehen müssen.Auch der von Tomas Milian gespielte Fremde, der hier nach seiner Wiederauferstehung weniger als Racheengel, als vielmehr an der Grausamkeit der Welt verzweifelnder Messias auftritt. Diese christliche Implikation wird auch visualisiert, wenn er in einer Gefängniszelle an ein Kreuz gebunden wird.
Der Fremde schaut verständnislos auf die Niedertracht und Schlechtigkeit seiner Mitmenschen. Tatsächlich gibt es kaum eine positive Gestalt in diesem Film. Die ganze Atmosphäre vibriert vor Heuchelei, Gier, Egoismus und Bosheit. Die Bösen werden von Menschen gerichtet, die sich selbst als rechtschaffend ausgeben, aber tatsächlich kein Deut besser sind als die Banditen. Ja, sie sind noch schlimmer als diese. Denn während die Banditen sich als genau das geben, was sie sind (skrupellose Mörder und Diebe), verstecken sich die ehrenwerte Bürgen hinter edlen Werte, die sie selber hinter verschlossenen Türen mit Füssen treten.
Die treibenden Kräfte in der Stadt sind dabei der Kapitalismus (Templer, der Inhaber der Bar) und der Glaube. Letzterer repräsentiert durch den Händler Hagerman, der zwar stetig das Wort des Herren und andere moralisch einwandfreie Gesinnungen im Mund führt, tatsächlich aber beim Anblick des Goldes zu sabbern anfängt, und seine eigene Tochter gefangenhält. Diesen beiden Institutionen, die vorgeben nur das Beste für die Allgemeinheit zu wollen, sich in Wahrheit jedoch nur selbst die Taschen vollstopfen, hält Questi einen Spiegel vor das Gesicht und entlarvt sie als das, was sie sind: Bigotte Schurken, die sich die Maske des edlen Menschen vors Gesicht halten, dahinter aber nur das gierige Monster verbergen. Und während die Beiden versuchen, sich ihre Vorteile zu erschleichen, steht der Großgrundbesitzer Zorro für den Staat, der mit seiner Armee/Polizei, sein großes Stück vom Kuchen einfordert. Doch treibt er, der Staat, es zu weit, droht ihm der Aufstand durch das Bürgertum, welches nicht für eine bessere Welt, sondern allein für seine eigene egoistischen Ziele kämpft.
Der von Tomas Milian dargestellt Fremde wandelt durch diese zutiefst nihilistische und grausame Welt. Seine Versuche ein Gleichgewicht herzustellen und die guten Seelen zu retten, müssen in dieser Vorhölle erfolglos bleiben. Der junge Evans, der die Unschuld der Jugend darstellt, wird von dem Vater betrogen und den Männer Zorros missbraucht. Er entschließt sich zum Selbstmord, den der Fremde nicht verhindern kann. Eine junge Frau, die die Liebe in diese finstere Welt bringt, muss elendig verbrennen. Selbst die Kinder bieten keine Hoffnung mehr, wenn im letzten Bild zwei Kinder „Folter“ spielen und das Mädchen den Jungen anbrüllt:“Schreien musst Du! Schreien!“.
Neben dem noch jungen Milian, der hier fernab seiner späteren, bis zum Anschlag aufgedrehten Clownerien mit einer stoischen Ruhe und einer resignierten Melancholie agiert, gibt es ein Wiedersehen mit Piero Lulli, der in zahlreichen Italo-Western den eleganten und intriganten Schurken gab. Auch hier ist sein Auftritt zunächst von der, für ihn typischen, selbstsicheren Arroganz und Gewissenlosigkeit geprägt. Dadurch wirkt seine Begegnung mit den Stadtbewohnern, die ihn an gieriger Grausamkeit noch überbieten, noch stärker und beängstigender. Auch Milo Quesada als Barbesitzer und vor allem Francisco Sanz als bigotter, vor Gier fast wahnsinniger Ladenbesitzer, wissen zu überzeugen. Nur Marilù Tolo bleibt blass. Zwar hat sie eine überaus dankbare Rolle als intrigantes Luder mit Lady McBeth-Attitüde, aber wirklich im Gedächtnis bleibt sie nicht. Dafür wird man sich an den damals gerade 16-jährigen Ray Lovelock in seiner ersten Filmrolle erinnern, dessen zartes, engelsgleiches Wesen in hartem Kontrast zu den Demütigungen steht, die er sogar noch als Leiche ertragen muss.
Kameramann Franco Delli Colli hält diesen Albtraum in ebenso ästhetischen, wie grausamen Bildern fest, die man so leicht nicht vergisst. Zudem verleiht er dem Film eine traumähnliche Stimmung und gestaltet den Film so, dass man sich an die visuell innovativen Horrorfilme der 70er Jahre erinnert fühlt. Tatsächlich fotografierte Delli Collie später sowohl den Polischetti/Giallo-Crossover „Der Tod trägt schwarzes Leder“ und Pupi Avtis unheimlichen „Zeder“, als auch Bruno Matteis Billig-Produktion „The Riffs 3 – Die Ratten von Manhatten“. Dem brutalen, visuellem Reichtum steht eine Filmmusik gegenüber, die einerseits mit typischen Elementen eines Italo-Western-Soundtracks spielt, diese aber auch immer wieder durch schräge, experimentelle Klänge bricht.
Für Freunde eines wagemutigen, den Konventionen widersprechenden Kinos ist „Töte, Django“ ein Muss. Um so schöner, dass filmArt den Film nun in einer edlen Blu-ray-Edition veröffentlicht hat. Das in HD-remasterte Bild ist umwerfend schön und der Film erstrahlt in dem Glanz, der ihm angemessen ist. Der Ton liegt auf Deutsch und Italienisch in Stereo und in Englisch in einer Mono-Version vor. Szenen, die in der deutschen Kinofassung geschnitten waren, liegen auf Italienisch mit Untertiteln vor. Extras beinhalten die alte deutsche Kinofassung, die 3,5 Minuten kürzer ist. Hier wurden die deutschen Titel scheinbar von einer alten Kinorolle übernommen, während mir der Rest mit der ungekürzten HD-Fassung identisch scheint. Hier hätte ich mir allerdings aus Nostalgiegründen den ganzen Film im „Kinolook“ gewünscht. Leider wurden für die Extras nicht auch die Interviews mit Guilio Questi,Tomas Milian und Ray Lovelock der amerikanischen Blu-ray von Blue Underground übernommen. Dafür hat man für diese Veröffentlichung exklusives Material in Form einer 26-minütigen Featurette mit dem Titel „Ray Lovelock in Coversation“ (Italienisch mit deutschen Untertiteln) produziert, in der ein gut aufgelegter Ray Lovelock über seine Anfänge beim Film berichtet. Ebenfalls erwähnenswert ist das wunderschöne Booklet, welches neben einem informativen Essay von Pelle Felsch, das deutschem Werbematerial der Erst- und Wiederaufführung enthält. Alles in allem eine sehr schöne, essenzielle Veröffentlichung.