Blu-ray-Rezension: “Coonskin”

cover_coonskin_bluraySampson (Barry White) und der Prediger (Charles Gordone) wollen ihren Kumpel Randy (Philip Michael Thomas) aus dem Knast holen. Dieser hat bereits mit seinem Mithäftling Pappy (Scat Man Crothers) seine Flucht vorbereitet. Während sie auf Sampson und den Prediger warten, erzählt Pappy Randy die Geschichte von Hase, Bär und Fuchs. Drei Typen, die aus dem Süden nach Harlem kommen und sich dort einen Namen machen wollen…

Nach seinem Debüt „Fritz, the Cat„, welchem die Kult-Comics des Underground-Zeichners Robert Crumb zugrunde lag, und seinem, von ihm selbst geschriebenen und aufgrund des hohen Sex- und Gewalt-Anteils kontrovers aufgenommenen „Heavy Traffic„, bei dem er erstmalig mit Animationen und realen Hintergründen experimentierte, drehte Ralph Bakshi 1975 „Coonskin„. „Coonskin“ wird heutzutage oftmals übersehen, denn die beiden ersten Filmen haben einen großen Einfluss auf „erwachsene“ Animationsfilme gehabt, dass sie heute als die Prototypen des anarchistisch-subversiven Underground-Film gelten. Seine nächsten Filme, „Herr der Ringe“ und „Feuer und Eis„, kehrten dann dem Underground den Rücken zu und beschäftigten sich mit Fantasy-Themen.

„Coonskin“ ist zwar inhaltlich und stilistisch immer noch Underground, wurde aber bereits von einem großen Studio (Paramount) produziert. Vielleicht liegt hier der Grund dafür, dass er heute nicht so bekannt ist, wie seine anderen Filme. Denn obwohl Bakshi hier auf bekannte Stimmen, wie dem großen Barry White oder Scat Man Crothers (der später auch in „Shining“ eine wichtige Rolle spielte) zurückgreifen konnte, war „Coonskin“ auch Bakshis am meisten angefeindeter Film und vielleicht war es Paramount peinlich, mit Rassismus-Vorwürfen in Verbindung gebracht zu werden. Und diese sind durchaus nachvollziehbar, zeichnet doch der in Palästina geborene Bakshi ein denkbar schlechtes Bild von den farbigen Amerikanern. Er wirft jedes billige Klischee und jedes Vorurteil in die Waagschale und überzeichnet dieses noch einmal. Sieht man sich „Coonskin“ an, könnte man auf die Idee kommen, alle Schwarzen wären Drogendealer, Prostituierte oder Gewaltverbrecher. Aber dies ist nur die eine Seite. Tatsächlich übertreibt Bakshi diese Stereotypen so maßlos, dass der satirische Faktor klar hervorgehoben wird und einem durch dieses Überspitzen die eigenen Vorurteile gnadenlos ns Gesicht knallen. Und man darf nicht vergessen, dass die Weißen auch nicht viel besser wegkommen. Tatsächlich gibt es in dem ganzen Film keine einzige normale, sympathische Figur.

szenenbild_Coonskin1Als Bakshi mit seinen Eltern in den USA zog, lebten sie u.a. in einem schwarzen Viertel, wo Bakshis einzigen Freunde schwarz waren. Um mit ihnen zusammen zu sein, entschloss er sich, von seiner rein weißen, auf eine rein schwarze Schule zu wechseln, wo er dann der einzige weiße Schüler war. Dies brachte ihm und seinen Eltern einigen Ärger seitens der weißen Behörden ein. Von daher weiß Bakshi schon genau, worüber er seinen Film drehte, und der Verdacht des Rassismus ist nicht haltbar. Bakshis Film ist eine überdrehte und recht geschmacksbefreite Satire und gleichzeitig ein waschechter Blaxploitation-Film. Gleichzeitig verarbeitet er alle rassistischen Ausprägungen der amerikanischen Pop-Kultur. Von Szenen aus „Birth of a Nation“ (der für seine positive Darstellung des Ku-Klux-Klan und einer entsprechend schlechten der Schwarzen bekannt ist) bis zum berüchtigten „Blackfacing“, bei dem weiße Darsteller ihr Gesicht schwarz malten, um schwarze Witzfiguren darzustellen. Aber auch Klischeedarstellungen der Schwarzen als immer potente Sexmaschinen, die nur das eine im Kopf haben und generell auch eine Neigung zu kriminellen Machenschaften und Größenwahn aufweisen. Quasi so, wie sich die amerikanischen Gangsta-Rapper gerne geben.

szenenbild_Coonskin2Während der Animationsteil von „Coonskin“ noch relativ konventionell beginnt, steigert er sich in Laufe der Handlung immer mehr ins Groteske hinein. Besonders deutlich wird dies, wenn auch die Mafia auftritt. Der „Pate“ (im Original von Al „Grandpa Munster“ Lewis gesprochen) ist ein merkwürdig aussehendes Wesen mit vielen Zähnen, Warzen und einen dicken, behaartem Bauch, der sich ständig unter seinem Hemd hervor drückt. Seine Sohne alles Homosexuelle, die – dies zieht sich als roter Faden durch den Film – auch jedem Klischee entsprechen, welches man sich vorstellen kann. Dabei reicht ihre Bandbreite von einer scheinbar an David Bowie orientierten Figur bis hin zu einen Rüsselwesen, dessen merkwürdiger Kopf an eine Mischung aus Ameisenbär und Staubsauger erinnert. Der jüngste Sohn ist dann ein affenähnliches Geschöpf im Harlekin-Kostüm. Grundsätzlich sind Bakshis Zeichnungen klar karikaturartig, wobei sie von recht detailliert bis hin zum kruden, skizzenhaften reichen. Während z.B. ein Charakter wie Bär noch einem klassischen Stil folgt, ist der korrupte Polizist Madigan einem verzerrten Underground-Stil verpflichtet.

szenenbild_Coonskin4Wie schon in „Heavy Traffic“ vermischt Bakshi Animation und Realfilm. Ein etwas holprig daherkommender Realfilm bildet die Rahmenhandlung des Filmes, in denen Barry White, Charles Gordone, Michael Philip Thomas und Scat Man Crothers, der hier auch die Rolle des Erzählers übernimmt, zu sehen sind. Alle vier leihen auch den Figuren im Animationsteil ihre Stimmen. Inspiriert wurde Bakshi bei dieser Rahmenhandlung von dem Disney-Film „Song of the South“, indem ebenfalls im Realfilmteil der Rahmen für die animierten Szenen im Film vorgebenden wird, und ein durch einen Schauspieler verkörperter Erzähler vorkommt. „Song of the South“ basiert wiederum auf den „Onkel Remus“-Büchern, die Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden und in denen ein freundlicher, schwarzer Onkel Remus afroamerikanische Fabeln erzählt. In diesen tauchen dann auch die drei Figuren Bruder Hase, Bruder Bär und Bruder Fuchs auf. Ähnlich wie „Onkel Toms Hütte“ galten die Bücher bis in die 50er als Darstellungen der „guten Schwarzen“ bis sie ab den 60ern als Beispiele für indirekten Rassismus aufgegriffen wurden. Bakshi bezieht sich ganz direkt auf die „Onkel Remus“-Geschichten. Nicht nur indem er die drei Hauptcharaktere Hase, Bär und Fuchs übernimmt, sondern auch Elemente aus den Geschichten, wie z.B. das „Pech-Baby“, zitiert.

Innerhalb des Filmes lässt er dann Trickfiguren mit Menschen interagieren. Sei es, dass reale Menschenmengen den Hintergrund einer Szene bilden; in einer großartigen Szene, der korrupte Madigan von einer realen, barbusigen Schönheit verführt wird oder sich einmal sogar Rabbit mit realen Schauspielern unterhält. Auch nutzt Bakshi Filmaufnahmen, die er in Harlem gemacht hat, um diese als Hintergründe für seinen Film zu verwenden. Dies gibt „Coonskin“ trotz aller satirischen Übertriebenheit einen rauen, realistischen Ton und stellt heute ein geradezu historisches Dokument über das Leben in Harlem Mitte der 70er Jahre dar.

„Coonskin“ steckt voller Brutalität, billigem Sex, bewusst vorgeführten, rassistischen Stereotypen und schierem Wahnsinn, der sich auch auf der kreativen Ebene niederschlägt. Dies ist manchmal schon zu viel des Guten, an einigen stellen sicherlich viel zu dick aufgetragen und kann zu gewissen Ermüdungserscheinungen führen. „Coonskin“ stellt aber darüber hinaus ein interessantes Zeitzeugnis dar, welches sicherlich nicht jedermanns Geschmack trifft (und treffen will), aber zumindest einmal gesehen werden sollte.

Die OFDb FILMWORKS Blu-Ray zeigt den Film einerseits in technsich makelloser Umsetzung, hat andererseits aber damit zu kämpfen, dass viele Stellen von Bakshi auch bewusst „schmutzig“ und körnig angelegt wurden. Was aber auch gut zum Thema des Filmes passt. Der Ton liegt auf Deutsch und Englisch vor. Aufgrund des typischen Slangs empfiehlt es sich, die englische Tonspur und die deutschen Untertitel zu nutzen. Extras gibt es bis auf einen Trailer leider keine.

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