Filmbuch-Rezension: CineGraph (Hrsg.) “Verboten! Filmzensur in Europa”

verboten_filmzensur in europaDas cinefest ist ein internationales Festival des deutschen Film-Erbes, welches seit 2004 jährlich in Hamburg stattfindet und von dem Teile dann später noch in den Städten Berlin, Prag, Wiesbaden, Zürich und Udine gezeigt werden. Veranstaltet wird es von CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung und dem Filmarchiv des Bundesarchivs in Berlin. Das cinefest ist aber nicht nur ein Filmfestival, sondern auch ein filmwissenschaftlicher Kongress, der sich jedes Jahr ein anderes europäisches Filmthema vornimmt. Passend zum Kongress werden dann thematisch passende Filme gezeigt. So wurden Vergangenheit zu hochinteressante Themen wie z.B. „FilmEuropa Babylon. Mehrsprachenversionen der 1930er Jahre in Europa“, „Film im Herzen Europas. Deutsch-Tschechische Filmbeziehungen im 20. Jahrhundert“, „cinema trans-alpino. Deutsch-Italienische Filmbeziehungen“ oder „Europas Prärien und Cañons. Western zwischen Sibirien und Atlantik“ bearbeitet. Im letzten Jahr war es „Verboten! – Filmzensur in Europa“. Hierzu ist auch wieder ein schöner Katalog bei der edition text+kritik erschienen.

Wobei der Begriff „Katalog“ viel zu kurz fasst. Es ist vielmehr ein reich bebildertes Buch zum Thema Filmzensur, welches auch unabhängig von der Veranstaltung cinefest gelesen werden kann und viele interessante Informationen bereit hält. Es ist also nicht zwangsläufig notwendig, die im Buch vorgestellten File auf dem cinefest gesehen zu haben. Das Buch gliedert sich in sechs größere Abschnitte, die jeweils durch einen kurzen Text eingeführt werden. Der erste handelt von Filmzensur in der Weimarer Republik und beinhaltet nach einem kurzen Text von Olaf Brill (Autor des „Caligari Complex“) u.a. solche bekannten Werke wie „Cafe Electric“ und „Panzerkreuzer Potemkin“.

Im zweiten Teil geht es um Zensur in der NS-Zeit. Neben „skandalösen“ Werken wie „Ekstase“, sind es hier auch Werke, die den Herrschenden zu Avantgardistisch waren, wie „Das Stahltier“. Der dritte Teil handelt dann von der Bundesrepublik, wo es zu vielfältigen Zensurmaßnahmen kam. Sei es die verfälschende Synchronisation und die massiven Kürzungen, die in „Casablanca“ sämtliche Nazis verschwinden ließ, die nackte Knef in „Die Sünderin“ oder Peter Fleischmanns böse Sexfim-Parodie „Dorotheas Rache“.

Im vierten Teil richtet sich der Blick auf die DDR und Filme wie „Das Beil von Wandsbek“ und „Die taube auf dem Dach“. Ein besonderer Augenmerk wird auch auf die verbotenen DEFA-Trickfilme gelegt. Danach wird im fünften Teil die tschechische Filmzensur, u.a. anhand eines der berühmsten tschechischen Filme, Milos Foremans „Der Feuerwehrball“, untersucht.

Abschließend wird noc ein Blick nach England geworfen, wo es auch immer wieder Probleme mit der Zensur gab, z.B. bei Ken Rusells „Die Teufel“. Ein besonders kurioser Fall ist Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“ ist, den der Regisseur nach massiven Anfeindungen persönlich aus Großbritannien verbannte.

Zu jedem Film gibt es umfangreiche Stab und Inhaltsangaben, einen informativen Text zum Hintergrund und der Zensurgeschichte, sowie zeitgenössische Kritiken. Gerade letztere sind sehr interessant zu lesen, da sie sich einerseits häufig die Meinung der Zensoren zu eigenen machen, andererseits ein gutes Bild von der gesellschaftlichen und politischen Stimmung zeichnen, in der die Filme damals uraufgeführt wurden.

Neben den sechs eben angesprochenen Komplexen, finden sich im Buch noch einige spannende Dokumente, wie z.B. ein feuriger Brief von Stanley Kubrick an einen Filmkritiker, der seinem Film „Uhrwerk Orange“ damals faschistisches Gedankengut unterstellte. Ein kleines Zensur-Lexikon erklärt die wichtigsten Begriffe und Institutionen.

Das Buch enthält auch einige Werbeseiten, die zwar thematisch zum cinefest passen, andererseits den Leser, der für das Werk 25 Euro hingeblättert hat, möglicherweise befremden. Dazu sei gesagt, dass das Buch in erster Linie eben der Katalog zum Festival und Kongress ist und damit wahrscheinlich auch ein Teil dieses Sponsorings auch das cinefest mit finanziert. Zum anderen enthält das Buch eine DVD, auf der neben drei ehemals verboten oder zensierten Kurzfilmen aus Deutschland („Polizeibericht – Überfall“ (1928), „Zwei Windhunde“ (1934) und „Besonders wertvoll“ (1968), sowie umfangreichen Textmaterialien, auch ein kompletter Spielfilm zu finden ist. Bei diesem handelt es sich um die DDR-Produktion „Jadup und Boel“ von Rainer Simon, der auch im Buch besprochen wird.

„Verboten! – Filmzensur in Europa“ bietet einen sehr guten Einstieg ins Thema und weckt die Neugierde, sich eingehender mit dem Thema und den hier vorgestellten Filmen zu beschäftigen. Hierzu wäre vielleicht eine weiterführende Literaturliste hilfreich gewesen. Auf diese muss man allerdings verzichten. Aber dies ist nur ein kleiner Kritikpunkt an einem spannenden und informativen Buch.

CineGraph (Hrsg.): „Verboten! Filmzensur in Europa“, edition text + kritik, 168 Seiten und eine DVD. Euro 25.00

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