Blu-ray-Rezension: “Cold War”

Cold_War_BDIn Hongkong verschwinden ein mit modernster Technik ausgestatteter Einsatzwagen und fünf Beamte spurlos. Bald schon stellt sich heraus, dass es sich hierbei um eine Entführung handelt und die Polizei erpresst werden soll. Da der Polizeichef auf einer Konferenz in Kopenhagen weilt, hat sein Stellvertreter Lee (Tony Leung Ka Fai), der designierter Nachfolger des Polizeichef ist das Sagen. Lee geht in die Offensive und greift mit harter Hand durch. Der jüngere Lau (Aaron Kwok), ebenfalls Stellvertreter des Polizeichefs und scharf auf dessen Posten, versucht wiederum seine eigene, vorsichtigere Strategie durchzusetzen. Er unterstellt Lee persönliche Motive, da sich dessen Sohn unter den Entführten befindet, und kann so die Macht über den Polizeiapparat gewinnen. Am Ende werden die Geiseln freigelassen, doch das Lösegeld verschwindet und Lau muss viele Verluste hinnehmen. Kurze Zeit später schaltet sich die Interne Ermittlung der Polizei ein und untersucht, ob bei dem Fall alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Sowohl Lee als auch Lau geraten dabei unter Druck…

ColdWar_2896In Hongkong war „Cold War“ der erfolgreichste Film des vergangenen Jahres und räumte bei den Hong Kong Film Awards gleich neun Mal den Hauptpreis ab. In dem leider spärlichen Bonusmaterial der Blu-ray, welches mehr den Charakter von Werbematerial hat, schwärmen die Beteiligten, dass „Cold War“ die Rückkehr zu dem großen Hongkong-Kino der 90er Jahre markieren würde. Nun, das mag dann doch etwas übertrieben sein, allein schon, weil das großen Hongkong-Kino dank Leuten wie Johnnie To auch nie wirklich tot war. An dessen ebenfalls kürzlich in Deutschland erschienenen Film „Drug War“ (Review hier) erinnert „Cold War“ dann auch entfernt. Doch während To seine Protagonisten als Getriebene, als Maschinen ohne familiären Hintergrund zeigt, gehen die beiden Regie-Debütanten Lok Man Leung und Kim-ching Luk (die auch für das Drehbuch verantwortlich sind) etwas andere Wege. Das Familiäre wird zwar auch für die meiste Zeit ausgespart – Hauptdarsteller Aaron Kwok wird alibimäßig eine kurze Szene mit Frau und Tochter gegönnt, Toni Leung ein Sohn zur Seite gestellt – , spielt aber eine nicht ganz unwichtige Rolle. Die Protagonisten gehören auch nicht zum Räderwerk, welches mit tödlicher Präzision ineinander greift, sondern sitzen an den Hebeln, die es in Gang bringen. Die Welt in „Cold War“ ist vor allem die Welt der Büros, der Intrigen und der Machtspiele.

ColdWar_8851Auf Actionszenen muss der Zuschauer deswegen aber nicht verzichten. Diese werden punktuell gesetzt und weisen eine recht unterschiedliche Güte auf. Szenen wie der spektakuläre Unfall zu Beginn des Filmes oder die Explosion der obersten Etagen eines Hochhauses, sind so offensichtlich mit CGI getrickst, dass man sich fragt, ob bei dem sicherlich nicht geringen Budget nicht eine überzeugendere Arbeit möglich gewesen wäre. Auf der anderen Seite gibt es einen Polizeizugriff auf ein Schiff mit Illegalen und vor allem eine rasante Verfolgungsjagd mit anschließender Schießerei in der Mitte des Filmes. Beide Szenen kommen zwar nicht ganz an die Intensität eines Johnnie-To-Films heran, kommen aber durchaus beeindruckend daher. Ansonsten hält sich der Film zurück und lässt die Kamera lieber elegant über Hongkong und die Fassaden der Hochhäuser gleiten. Die Duelle sind dann auch vor allem taktischer Natur. Keiner der Charaktere legt seine wahren Ziele offen, ständig werden Allianzen geschmiedet, gezielte Indiskretionen gestreut und Material gegen den Gegner gesammelt. Die Entführung des Einsatzwagens samt Besatzung und die Übergabe des Lösegelds gerät da schon mal in den Hintergrund und werden von den beiden Hauptkontrahenten als reines Mittel verwendet, um ihre Interessen durchzusetzen.

Folgerichtig wird dieser Plot dann nach der Hälfte des Filmes abgeschlossen und die Handlung konzentriert sich auf die Folgen des Einsatzes. Dass es dabei neben einem geheimnisvollen Informanten, auch noch einen Attentäter gibt, der die Spuren der Täter mit viel Krawum beseitigt, erhöht zwar das Unterhaltungspotential des Filmes, verwässert aber auch die ursprüngliche Intention, auf recht realistische Weise das Funktionieren innerhalb eines Machtapparats zu zeigen. Hier hätte es dem Film sicherlich gut getan, auf spektakuläre Action zu verzichten, und sich weiterhin auf den „kalten Krieg“ im Polizeihauptquartier zu konzentrieren. Auch ist die Auflösung des Ganzen ein wenig enttäuschend. Statt eines überraschenden Knalls, wirkt es am Ende so, als würde man die Luft aus einem übergroßen Luftballon lassen.

ColdWar_8160Auf Seiten der Schauspieler gibt es ein großes Wiedersehen mit den Stars des 90er-Jahre Hongkong-Kinos. Besonders überzeugend, als aalglatter Karrieremensch und Schreibtischtäter ist Aaron Kwok, der seine erste große Rolle in Corey Yuens Fantasyfilm „Silver Fox“ neben Anita Mui und Andy Lau hatte. Eben jener Andy Lau hat in „Cold War“ eine kleine, aber wichtige Rolle als Innenminister. Und an ihm merkt man am Deutlichsten, wie viel Zeit seit der goldenen Ära des Hongkong-Kinos vergangen ist, als er sich in Wong Kar-Wais „As Tears Go By“ oder „Days of Being Wild“ seine Sporen verdiente. Er ist sichtlich gealtert und abgemagert. Trotzdem versprüht er noch immer sein strahlendes Charisma. Ebenso ergeht es Toni Leung, einst der schöne „Chinaman“ in Jean-Jacques Annauds „Der Liebhaber„. Hier ist er als alter Fuchs und stellvertretender Polizeipräsident kaum wieder zu erkennen. Seine Auftritte sind aber noch immer von einer großen Autorität begleitet. Das macht Kwok und Leung zu den idealen Gegenspielern in einer knallharten Machtwelt, in der nur derjenige bestehen kann, der seine Interesse am besten zu verschleiern und durchzusetzen versteht. Leungs Charakter heißt übrigens Waise Lee. Eine Verbeugung vor dem Schauspieler, der in den 80ern und 90ern häufig leitende Polizeibeamte spielte?

„Cold War“ ist eine großbudgetierte Prestige-Produktion, die ihren Schwerpunkt weniger auf furiose Action, als vielmehr eine dichte und verschlungene Handlung legt. Dementsprechend fesseln die Intrigen und Machtspielchen zwischen den beiden Protagonisten mehr, als die Actionszenen mit z.T. für eine solch große Produktion merkwürdig schlampigen CGI. Die Hauptdarsteller Tony Leung und Aaron Kwok sind hervorragend besetzt und liefern sich ein spannendes Duell. Ebenfalls lobend zu erwähnen ist die überaus elegante Kameraarbeit.

Die Blu-ray von OFDb FILMWORKS hat eine hervorragendes Bild und einen glasklaren Ton, bei dem die Soundeffekte gut über die Lautsprecher verteilt sind. Die Extras sind etwas enttäuschend, den hier handelt es sich um kurze Statement-Schnippsel, die zudem von den immer gleichen Ausschnitten eingeleitet werden. Dabei wissen die Interviewten auch nichts wirklich Interessantes über den Film zu erzählen, außer, dass er natürlich ganz, ganz toll ist und eine Ehre in solch einem wunderbaren Film mitzuspielen.

Der Film erscheint auf Blu-ray und DVD am 13. Mai.

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