DVD-Rezension: “Malizia”

Malizia

Nach dem überraschenden Tod seiner Frau, bleibt der reiche Stoffhändler Don Ignazio (Turi Ferro) allein mit seinen drei Söhnen, dem 18-jährigen Antonio (Gianluigi Chirizzi), dem 14-jährigen Nino (Alessandro Momo) und dem 9-jährigen Enzio, zurück. Daher nimmt er gerne die Hilfe des neuen Hausmädchens Angela (Laura Antonelli) in Anspruch, die noch von der verstorbenen Frau des Hauses eingestellt wurde. Bald schon versuchen sowohl Don Ignazio, als auch seine Söhne Antonio und Nino bei dem schönen Hausmädchen zu landen. Besonders Nino hat sich unsterblich in Angela verliebt. Doch als sich herausstellt, dass der Vater das Rennen gemacht hat und Angela zu heiraten gedenkt, wird Nino ihr gegenüber immer feindseliger…

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Die Commedia Sexy al‘Italia ist nicht unbedingt mein favorisiertes Genre. Deshalb bin ich dem Film „Malizia„, der allgemein diesem Genre zugeschrieben wird, zunächst skeptisch begegnet. Zeichnen sich italienische Komödien, insbesondere die Sex-Komödien, doch in der Regel durch eine große Derbheit und vor allem lärmende Lautstärke aus, die meinem Verständnis von Humor diametral entgegen laufen. Und der Beginn von „Malizia“ schien meine schlimmsten Vorurteile dann auch gleich zu bestätigen. Die Frau des Hauses ist verstorben und liegt aufgebahrt im Wohnzimmer, wo sich auch prompt eine fette Fliege auf ihr Gesicht setzt, alle übertrieben am Seufzen und Jammern sind und der kleine Sohne sich mit einer fürchterlichen deutschen Synchronstimme beschwert, er können nun nirgendwo mehr mit seinem Fußball spielen. Kurz darauf verursacht er dann einen Brand, indem er die Kerzen neben der Bahre umschießt. Doch dieser derbe Beginn täuscht. „Malizia“ ist keine deftige Sexkomödie zum auf die Schenkel schlagen, sondern ein vielschichtiger und eher leiser Film. Ich würde ihn – trotz einiger humorvoller Passage in der ersten Hälfte – noch nicht einmal eine Komödie nennen. Es ist ein „Coming-of-Age“-Film und zwar kein heiterer, sondern einer, der sich langsam in eine Art Psychothriller entwickelt.

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Die Prämisse erinnert ein wenig an Louis Malles „Herzfilmmern„, der vor kurzem ebenfalls bei CMV veröffentlicht wurde. Hier wie dort geht es um einen Jungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, der eine neue Welt betritt und seine Gefühle noch nicht so recht einordnen kann. In beiden Filmen gibt es zudem ein starkes ödipales Motiv. In „Herzflimmern“ ganz wortwörtlich, in „Malizia“ tritt der Sohn beim Bemühen um das Objekt der Begierde in Konkurrenz zu seinem Vater. Beide jugendlichen Helden haben zwei Brüder und kommen aus einer gutbürgerlichen Familie. „Herzflimmern“ spielt in den 50er Jahren und auch „Malizia“ scheint, obwohl dies nie erwähnt wird, in einer nahen Vergangenheit zu spielen. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten. „Malizia“s zunächst leicht-flockiger Ton wird im Laufe des Filmes immer dunkler. Ist Nino zunächst nur ein verliebter Jüngling, der versucht seinen Vater und seinen ebenfalls an dem Hausmädchen Angela interessierten Bruder auszustechen, so bekommt er zunehmend psychopathische Züge. Wenn er das Hausmädchen Angela ständig gegen ihren Willen befummelt oder sich immer neue Arten ausdenkt sie zu erniedrigen, dann fühlt man sich zunehmend unwohler. Wenn er dann noch seinen kleinen Bruder Enzo für seine bösen Pläne missbraucht, kann man kaum noch Sympathie für ihn empfinden.

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Alessandro Momo, der an einen sehr jungen Michele Placido erinnert, spielt seine Rolle dabei so überzeugend, dass es einem regelrecht vor ihm gruselt. Natürlich stellt man sich auch die Frage, weshalb Angela all dies zulässt. Wirklich nur, um keinen Unfrieden in die Familie zu bringen, und ihre Beziehung mit dem Vater – immerhin bedeutet eine Heirat mit ihm einen nicht unbedeutenden sozialen Aufstieg – nicht zu gefährdenden? Scheint Angela die Spielchen auch bis zu einem bestimmten Punkt zu genießen? Hat sich zwischen Angela und Nino eine sado-masochistische Beziehung entwickelt, die Angela solche Lust verschafft, das diese sich in ihrer finalen Handlung unkontrolliert ihren ihre Bahn bricht? Oder nimmt sie den Akt berechnend vor, um Nino zum Schweigen zu bringen und sein Einverständnis für die Hochzeit zu erpressen? Beide Deutungen sind möglich und so erscheint auch das letzte Bild, welches einen Kuss zwischen Angela und Nino zeigt, ambivalent. Zeigt sie ihm hier ihre Dankbarkeit, dass Nino ihr durch seine „Erlaubnis“ den sozialen Aufstieg ermöglichte oder ist es ein stilles Einverständnis, dass sie ihre Beziehung fortsetzen können? Dies bleibt dem Auge des Betrachters überlassen.

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Regisseur Salvatore Samperi konnte mit „Malizia“, der 1973 in Italien ein großer Erfolg war und die Karriere seiner Hauptdarstellerin Laura Antonelli befeuerte, seinen größten Triumph feiern. In der Folge blieb er dem Genre überwiegend treu. Allerdings finden sich in seiner Filmographie auch zwei Verfilmungen der „Sturmtruppen“-Comics, die scheinbar auch ganz gut liefen. „Malizia“ ist sehr elegant und schön gefilmt, wobei die von Vittorio Storaro geführte Kamera immer wieder Laura Antonelli umschmeichelt und sicherlich keinen kleinen Anteil daran hat, dass sie durch diesen Film zu einer Erotik-Ikone wurde. Für die eingängige Musik ist Fred Bongusto zuständig. Sein zunächst heiter-eingängiges Motiv wird mit Verlauf der Handlung immer Moll-lastiger und disharmonischer, was ein hübscher Effekt ist und das Driften des Filmes in den Bereich des Psycho-Dramas noch unterstreicht. Auch die Nebenrollen sind gut besetzt, auch wenn Stefano Amato als fetter rothaariger Junge und Angela Luce als liebestolle Witwe etwas zu grell gezeichnet sind. Dafür ist die entzückende Tina Aumont ein willkommener Blickfang. Hauptdarsteller Alessandro Momo wurde durch seine Rolle des Nino zum Star und spielte im nächsten Jahr neben Vittorio Gassman die Hauptrolle in „Der Duft der Frauen“. Leider starb er kurz nach Ende der Dreharbeiten zu diesem Film durch einen Motorradunfall.

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Mittelpunkt des Filmes ist aber Laura Antonelli, die von Regie und Kamera in jeder ihrer Szenen ins rechte Licht gesetzt und umschmeichelt wird. Im Gegensatz zu den anderen italienischen Sex-Idolen zu dieser Zeit, wie Edwige Fenech oder zuvor Sophia Loren und Gina Lollobrigida, wirkt Antonelli beinahe zerbrechlich. Aber das ist nur der erste Eindruck, wenn man ihren schlanken, zarten Körper sieht. Doch betrachtet man sie länger, bemerkt man bald, dass sie dieser erste Eindruck gar nicht stimmt. Die Antonelli ist schlang, aber nicht dünn und an den richtigen Stellen offenbart sich eine ungeahnte Üppigkeit. Auch spürt man unter ihrer engelsgleichen, porzellanen Oberfläche einen starken Willen. Und dann dieser Blick. Etwas melancholisches, aber zugleich auch Willensstarkes umspielt ihre Augen. Dies kommt besonders in der Szene zum Ausdruck, in der Nino sie heimlich zwingt, seinen Vater zu verführen. Sie geht an dem Türspalt vorbei, hinter dem Nino sich versteckt und wirft ihm einen Blick mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Verachtung und wütendem Trotz zu, während sie beiläufig die Knöpfe ihrer Bluse öffnet. In einer anderen Szene zieht sie sich langsam aus und entblößt sich wissentlich vor den hinter einem kleinen Fenster versteckten Jungen. Die Art und Weise wie Antonelli dies spielt und Vittorio Storaro ihren perfekten Körper streichelt zählt für mich zu dem Erotischsten, was in der Filmgeschichte zu sehen war. Da ist Porcellos spontane Reaktion darauf durchaus verständlich.

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Generell wird die Antonelli zum vibrierenden, erotischen Zentrum des Filmes und das weiß Salvatore Samperi auch ganz genau. Immer wieder wird der voyeuristische Blickwinkel gesucht. Der auf einer Leiter stehenden Antonelli unter den Rock geschaut, ihre schlanken, von zartem Nylon umschlungenen Beine zur Geltung gebracht und der schnelle Blick in den Ausschnitt erlaubt. Der Zuschauer wird also in die Position der männlichen Mitglieder der Familie La Brocca gebracht und kann so nur allzu gut nachvollziehen, wie das Dienstmädchen Angela den dreien den Kopf verdreht. Nach diesem Film man auch ein wenig in schöne Laura Antonelli verliebt. Mich hat diese dazu verleitet, im Netz mehr über die Antonelli erfahren zu wollen. Dadurch bin ich dann auf ihr trauriges Schicksal aufmerksam geworden. Bis 1991 war sie noch ein Star im italienischen Kino und drehte mit Salvatore Samperi und Turi Ferro einen Film namens „Malizia 2000“. Kurz danach fand man in ihrer Wohnung Kokain und sie wurde angeklagt, dies nicht nur konsumiert, sondern auch mit ihm gehandelt zu haben. Nach ihrer Verurteilung war ihre Filmkarriere ruiniert. Eine schrecklich schiefgegangene Schönheitsoperation 1993 tat das Übrige dazu, ihr Leben zu zerstören. Im Internet findet man ein aktuelles Paparazzi-Bild, welches eine dicke, alte Oma zeigt, deren Gesicht nur noch tiefste Verbitterung ausdrückt. Ich wollte, ich hätte dieses Bild nicht gesehen und könnte sie nur als Angela in Erinnerung behalten. Auf seiner Leiter stehend, den Blick auf ihre wohlgeformten Beine und einen verführerischen Po offenbarend. Und an diesen unbeschreiblichen Blick.

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„Malizia“ beginnt als Komödie, nur um sich dann langsam in einer immer finsterer werdendes Coming-of-Age-Drama zu verwandeln. Der junge und leider viel zu früh verstorbene Alessandro Momo liefert dabei ein ebenso beeindruckendes, wie intensives Spiel ab, wenn er sich von einem pubertierenden Schwärmer langsam aber sicher in einen kleinen Psychopathen verwandelt, der es genießt mit dem von ihm heimlich verehrten Dienstmädchen Angela seine sadistischen Spielchen zu treiben. Dabei kann das Verhältnis zwischen den beiden durchaus ambivalent gelesen werden. Darüber hinaus funktioniert der elegant fotografierte Film aber auch als visuelle Liebeserklärung an die wunderschöne Laura Antonelli.

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Die DVD aus dem Hause CMV kann durch ein sehr gutes, klares Bild mit kräftigen Farben punkten, welches scheinbar von einer sehr gut erhaltenen 35mm Kopie gezogen und restauriert wurde. Der deutsche Ton ist leider etwas dumpf und die Synchronstimme des jungen Enzio leider nur sehr schwer zu ertragen. Die anderen Sprecher sind aber gut ausgesucht und besonders Niels Clausnitzer als Don Ignazio passt perfekt. Man kann auch die italienische Tonspur hören, die sehr viel klarer und besser ausgesteuert ist. Leider sind aber keine deutschen Untertitel an Bord. Auch Extras sucht man, bis auf einen Trailer, vergebens.

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2 Antworten zu DVD-Rezension: “Malizia”

  1. Das mit Laura Antonelli ist schon traurig. Von ihren Filmen finde ich PASSIONE D’AMORE von Ettore Scola (von dem ich auch heute abend einen tollen Film gesehen habe) sehr faszinierend (in dem spielt sie aber nur die zweite Geige).

  2. Tha F sagt:

    Laut Hersteller ist die Laufzeit dieser DVD 93 Minuten. Die Länge des Films auf italienischen DVDs beträgt jedoch 99 Minuten.

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