DVD-Rezension: “Drug War”

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Nach einer fatalen Explosion in seinem Drogenlabor, wird der Drogenproduzent Timmy Choi Tin-ming (Louis Koo) schwer verletzt von der Polizei festgenommen. Da ihm in China wegen Drogenhandels die Todesstrafe droht, bietet er an, mit der Polizei zu kooperieren. Zusammen mit dem eiskalten Polizisten Zhang (Sun Honglei), macht er sich daran, seine Partner in eine Falle der Polizei zu locken…

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Ende der 90er hatte Johnnie To zusammen mit seiner Produktionsfirma Milkyway einen unglaublichen Lauf. Hintereinander weg wurde ein Meisterwerk nach dem anderen produziert. „The Longest Nite„, „Expect the Unexpected„, „A Hero Never Dies„, „Where A Good Man Goes„, „Running Out Of Time„, „The Mission„. Einige davon von Johnnie To, der zuvor mit seinen beiden „Heroic Trio„-Filmen bereits sehr positiv aufgefallen war, persönlich inszeniert. Johnnie To und Milkyway wurden kurzzeitig zum Synonym für intelligente, hochspannende Actionfilme. In einer Zeit, in der gerade die Großen der alten Garde – wie John Woo, Tsui Hark oder Ringo Lam – nach Hollywood ausgewandert waren, stand Milkyway für die Zukunft des Hongkong-Actionkinos. Auch heute noch ist das Studio für großartige, konzentrierte Actionfilme, aber noch mehr für romantische Komödien (die schon immer das zweite und stetig kräftiger werdende Standbein waren) bekannt. Doch der Action-Output fing an, nicht immer von vornherein eine sichere Sache zu sein. Zwar inszenierte To mit „PTU„, „Breaking News“ und „Election“ weiterhin Klassiker, aber mit „Fulltime Killer“ auch ein Werk, welches mit seiner „Best-Of“-Attitüde etwas hinter dem gewohnten hohen Milkyway-Standard hinterher hinkte. Und mit „Vengenace“ fabrizierte To einen echten Stinker. „Vengeance“ lief 2009 auf dem Internationalen Filmfest in Oldenburg, und zählt dort für mich zu den ganz großen Enttäuschungen. Der Film war albern, dramatisch am Rande der Parodie und mit Johnny Hallyday schrecklich fehl besetzt. Mit „Drug War“ hat Johnnie To nun aber wieder einmal gezeigt, dass man ihn besser nicht abschreiben sollte.

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„Drug War“ ist der erste Action-Film (vorher hatte er dort schon die romantische Komödie „Romancing in Thin Air“ gedreht), den To außerhalb Hongkongs in China drehte. Wo er dann auch prompt Probleme mit der staatlichen Zensur bekam. Einige Szenen wurden in zwei Versionen gedreht, so dass mindestens eine bei einem staatlichen Eingriff „gerettet“ werden könnte (1). Auch das Ende war so nicht vorgesehen, aber mit dem ursprünglich intendierten wäre Johnnie To nie durchgekommen, und so wurde es schon früh verworfen (2). Überhaupt ist das Drehbuch schon mit dem Blick auf die chinesische Zensur verfasst worden. Ganz bewusst blendete man sämtliche Hintergrundgeschichten und das Privatleben der Polizisten konsequent aus, was dem Film aber durchaus zum Vorteil gereicht. So zeigt er konzentriert und ohne irgendwelche Ablenkungen die Arbeit des Polizeiapparats, der wie eine gut geölte Maschine funktioniert. Zwar ist es nicht möglich, sich mangels ausführlicher Charakterisierung mit einem der Beamten zu identifizieren, und oftmals fällt es sogar schwer, sie auseinanderzuhalten, aber gerade dadurch, dass die Polizei als anonyme Masse dargestellt wird, ist die Handlung ganz auf das Wesentliche reduziert. Den Drogen-Krieg zwischen Polizei und Gangstern.

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Nur die beiden Protagonisten werden als Individuen gezeigt. Wobei Honglei Sun als Polizist Zhang Lei keinerlei Vorgeschichte oder überhaupt irgendwelche privaten Gefühl zugestanden wird. Zhang Lei bekommt dadurch etwas maschinenhaftes. Seine einzigen Gefühlsausbrüche gönnt er sich, wenn er als Undercover-Cop in eine Rolle schlüpft. Wenn er wieder in sein wahres Selbst zurückkehrt, erstarrt er förmlich und seine Mine wird mit einem Schlag undurchdringlich. So hat es fast etwas unheimliches, wenn Zhang Lei gute Laune simuliert, denn man spürt dahinter immer noch den eiskalten Profi, der sich keine Emotionen leistet. Der interessanteste Charakter ist allerdings der von Louis Koo gespielte Timmy Choi Tin-ming. Wobei auch Timmy Choi allein auf eine Sache fokussiert ist: Seinen eigenen Vorteil. Dafür passt er sich chamäleongleich seiner Umgebung an und ähnelt dabei seinem Gegenüber, dem Polizisten Zhang Lei. Timmy Choi versteht es zu jammern, wenn es ihn weiterbringt oder skrupellos seine ehemaligen Freunde zu verraten, wenn er dadurch mit dem Leben davon kommt. Als er Zhang Lei anbietet, mit ihm zusammenzuarbeiten, wenn er dadurch der Todesstrafe entgehen kann, würde sich in einem amerikanischen Film sicherlich eine Katze-Hund-Freundschaft zwischen den Beiden entwickeln. Ähnliche Fälle gab es ja in Walter Hills „Nur 48 Stunden“ und seinen Epigonen. Doch hier nicht. Zwar tanzt Timmy Choi scheinbar unterwürfig nach Zhang Leis Pfeife, doch sein eiserner Wille und seine unbedingte Skrupellosigkeit, den eigenen Vorteil durchzusetzen, bleibt sets spürbar. Im Gegensatz zu Zhang Lei, wird Timmy Choi mit etwas spärlichen Hintergrund ausgestattet und darf sogar einmal seine Ehefrau beweinen. Wobei auch hier die Frage bleibt, ob die Tränen echt sind oder doch nur dazu dienen, sein Umfeld zu manipulieren.

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Interessanterweise – und, wie Johnnie To in einem Interview (3) betont, ganz bewusst, um die Zensoren milde zu stimmen – werden alle guten Charaktere von Chinesen gespielt, während die Bösen allesamt von Schauspielern aus Hongkong gegeben werden. Dies führt am Ende des Filmes dazu, dass eine eine Vielzahl von Tos Stammschauspielern aus Hongkong-Tagen aufmarschieren. U.a. Suet Lam und Michelle Ye. Ebenfalls ist bei Tos „chinesischem“ Film auffällig, wie kalt er das Festland in Szene setzt. Die Bilder sind in einem blass-blauen Ton gehalten, wirken farblos und ungemütlich. Kein Vergleich zu den warmen, farbenreichen Bildern, die man aus Tos Hongkong-Filmen kannte. Die kühle Emotionslosigkeit der Handelnden wird dadurch visuell noch verstärkt. So wirkt es dann bezeichnend, dass der Ort, in dem dann doch warme, kräftige Farben eingesetzt werden, ausgerechnet ein Nachtclub ist, in dem sich die Leute aus Hongkong treffen.

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Beim Einsatz von Action-Sequenzen und Brutalitäten ist To relativ zurückhaltend. Aber wie schon bei „The Mission“, wirken die gewalttätigen Eruptionen dadurch nur noch intensiver. In der Tat gibt es im Film nur zwei große Shoot-Outs, die aber mit einer großen Kraft und inszenatorischen Finesse umgesetzt wurden. Und beide sind in der Konsequenz drastisch. Gewalt ist kein Spaß, sondern vernichtet Leben. Und so geht – wie so häufig in seinen Actionfilmen – bei To dann auch die Welt in einem unglaublichen Kugelhagel unter. In Tos Welt gibt es keine Platz für Gewinner. Das Ende hätte noch zynischer ausfallen sollen, doch aufgrund der Zensoren ist nun noch eine „Verbrechen lohnt sich nicht“-Botschaft mit angeklatscht, die allerdings nicht besonders störend wirkt und sich in das Gesamtbild einfügt.

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Mit „Drug War“ hat Johnnie To einen minimierten, ganz auf die Konfrontation Polizei-Gangster reduzierten, Actionfilm geschaffen, der über weite Strecken auf Gewalt verzichtet, um diese dann umso intensiver auf den Zuschauer einprasseln zu lassen. „Drug War“ ist spannend und wie eine unaufhaltsame Maschine in Szene gesetzt. Tiefergehende Charakterzeichnungen werden dabei jedoch außen vor gelassen, so dass, bis auf die beiden Protagonisten, die meisten Figuren eigenschaftslos bleiben.

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Das Bild der Koch-Media-DVD ist gut, aber nicht ausgezeichnet. Die Schwarztöne wirken etwas zu blass. Der Ton ist sehr gut und liegt auf Mandarin mit deutschen Untertiteln und deutsch synchronisiert vor. Als mageres Extra befindet sich ein gerade mal 3,5 Minütiges „Making Of“ auf der Scheibe, welches allerdings ein mit Filmausschnitten gespickter Werbe-Clip ist.

(1) http://www.hollywoodreporter.com/news/cannes-johnnie-anxiety-censors-challenges-523270
(2)+(3) http://www.film.com/movies/johnnie-to-interview-drug-war

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