In einem Nachtclub wird Edie (Kurt Meinicke) von der schönen Edna (Pamela Stanford) aufgegabelt und mit nach Hause genommen. Dort soll er allerdings nicht die Dame des Hauses, sondern deren Schwester Millie (Karine Gambier) beglücken, die in einem goldenen Käfig gefangen gehalten wird. Millie leidet nämlich scheinbar unter deiner besonders krankhaften Form der Nymphomanie. Edie und Millie verlieben sich, doch am nächsten Tag wacht Edie allein am in seinem Auto auf, ohne Erinnerung daran, wo er Millie finden kann. Derweilen schmiedet Edna zusammen mit dem angeblichen Arzt Dr. Barnes (Jack Taylor) einen sinisteren Plan. Sie wollen Millie in den Wahnsinn treiben, um an das Erbe zu kommen, welches sie an ihrem 21. Geburtstag ausgehändigt bekommen soll.
Es ist 1977 und die Dietrich/Franco-Connection läuft auf Hochtouren. Ganze sieben Filme sollen die beiden in diesem Jahr zusammen machen. Die Rollenverteilung ist dabei immer die gleiche. Dietrich produziert und liefert unter dem Pseudonym Manfred Gregor das Drehbuch, Jess Fraco inszeniert in ein paar Tagen für wenig Geld. Wobei die Frage ist, in wie weit „Manfred Gregor“ wirklich am Drehbuch beteiligt war und ob das Pseudonym nicht auch von Franco genutzt wurde. Zumindest legt dies das de Sade’sche Element, welches auch in Francos andere Arbeiten seit den 60ern zu finden ist. Besonders deutlich tritt es in „Die teuflischen Schwestern“ wieder einmal zutage. Die „Gute“, die von der „Bösen“ verführt. gedemütigt und verdorben wird. Entfernt eine „Justine/&Juliette“-Geschichte, die Franco ja neben der Euginé-Figur aus „Die Philosophie im Boudoir“ gerne für seine Filme verwendete. Am sicherlich prominentesten in der Verfilmung „Justine“ von 1969 mit Romina Power in der Hauptrolle. Hier wird die Justine-Figur von Karine Gambier gespielt. Deren Charakter „Millie“ ist zwar hoffnungslos nymphoman, doch – wie man im weiteren Verlauf der Handlung erfährt – nur deswegen, weil die „böse Schwester“ (also die Juliette-Figur) sie unter Drogen hält und langsam in den Wahnsinn treibt. Innerlich ist Millie aber eine reine Seele geblieben, was dadurch hervorgehoben wird, dass sie sich sogleich aufrichtig verliebt, sobald der Richtige an ihre – ähem – Pforte klopft. Die böse Edna hingegen, versteckt hinter der Maske der fürsorglichen Schwester in Wahrheit eine eiskalt kalkulierende und nur ihre sexuelle und materielle Befriedigung gehorchende Intrigantin, die sich an den Leiden ihrer Schwester ergötzt und sexuell erregt.
Als Schwestern castete Franco zwei absolut gegensätzliche Typen. Die wasserstoffblonde und dralle Karine Gambier spielt die Millie, während die brünette, sehnige Pamela Stanford ihre böse Edna spielt. Die Gambier war zu der Zeit ein gefragter Pornostar und so etwas wie die vulgärere Version von Brigitte Lahaie. Zudem spielte sie in einigen Softcore-Produktionen, wie z.B. dem 11. Teil der berühmten „Schulmädchen-Report“-Filmen mit und war bei den Dietrich/Franco-Produktionen „Ruf der blonden Göttin“ und vor allem beim extrem misanthropischen „Frauen für Zellblock 9“ dabei. 1981 beendete sie ihre Karriere nach nur 5 Jahren und ist seitdem vom Erdboden verschwunden. Die interessant aussehende Pamela Stanford alias Monique Delaunay war eine ehemalige Tänzerin im Folies Bergère und späteres Nacktmodel für diverse Herrenmagazine. Sie begann ihre Filmkarriere 1969 und spielte 1973 das erste Mal unter Jess Franco in „Les exploits érotiques de Maciste dans l’Atlantide„. Danach gehörte sie zu Francos Stammpersonal, zunächst in Minirollen, dann in „Lorna, l’exorciste“ erstmals in einer Hauptrolle. Nach einigen Sexfilmen für andere Regisseure, sowie einigen sehr billigen Naziploitationfilmen aus dem Hause Eurociné, verschwand sie dann 1983 nach einer letzten Zusammenarbeit mit Jess Franco („Claire„) von der Bildfläche. Unter den Herren sticht zunächst einmal der amerikanische Europloition-Star Jack Taylor hervor, der in vielen spanischen und französischen Horrorfilmen („Geisterschiff der schwimmenden Leichen„, „Dr. Jekyll vs. the Werewolf„) dabei war, ebenfalls häufig mit Franco zusammenarbeitete und hier überraschend blank zieht. Taylor ist heute noch aktiv und trat in Arthouse-Filmen wie Polanskis „Die neun Pforten“ und Milos Formans „Goyas Geister“ auf. Kurt Meinicke hüpfte in diversen Dietrich-Filmen, aber auch Alois-Brummer-Hardcore-Produktionen durch das Bild, Eric Falk gehörte in vielen legendären Dietrich- und Franco-Produktionen zum Inventar.
Was den Zuschauer bei den „Teuflischen Schwestern“ erwartet, ist erst einmal viel nacktes Fleisch und ausschweifende Sexszenen, die immer knapp an der Grenze zur Pornographie entlang schrammen. Wer von den vielen nackten Brüsten nicht völlig abgelenkt ist, kann aber viele schöne Details entdecken. Wie z.B. die unzähligen Katzenportraits, die die Wände der Villa zieren. Wobei die Zimmer für eine angeblich große Villa doch arg eng und wahrscheinlich nur schnöden Hotelzimmer sind. Franco-Liebhaber entdecken auch das Schild der Praxis von „Dr. Milton Arcos“ wieder, welches dann in „Frauen ohne Unschuld“ (Review hier) wieder auftaucht. Auch der Käfig in dem sich Karine Gambier vor Lust windet, ist ein schönes Ausstellungsstück, welches ein wenig an „Das Blutgericht der gequälten Frauen“ erinnert. Und natürlich lässt es sich Franco nicht entgehen, eine seiner typischen Nachtclub-Szenen komplett mit frivol-mysteriöser Bühnenshow und ein Zitat aus Henri-Georges Clouzots „Die Teuflischen“ (ist die titelähnlichkeit wirklich Zufall?) einzubauen. Wer allerdings für diese kleinen Mosaiksteinchen und Verweise in das Jess-Franco-Universums keinen Sinn hat, die vielen Sexszenen langweilig findet und den das unspektakulär-abrupte Ende (welches in der Tat plötzlich die gesamte Luft aus dem Film entweichen lässt) frustriert zurück lässt, dem sei hier gründlich abgeraten. Wer Franco und seine Welt im Herzen trägt, dem werden auch „Die teuflischen Schwestern“ ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. Als Einsteigerfilm in diese Welt ist der Film allerdings etwas problematisch.
Billig-Produktion aus der Dietrich/Franco-Ära mit allen typischen Franco-Ingredienzien. Was für die einen ein Grund zur Freude, für die anderen zur Flucht ist. Für Einsteiger in den Jess-Franco-Kosmos nicht unbedingt geeignet. Für diejenigen, die bereits infiziert sind, aber natürlich ein Muss.
Das Bild der DVD aus der „Jess Franco Golden Goya Collection“ ist den Umständen entsprechend sehr gut. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich hier um eine Billig-Produktion aus den 70er Jahren handelt, bei der auf die Qualität des Filmmaterials nicht viel Rücksicht genommen wurde. Der Ton liegt nur in Deutsch vor – welches auch die Originalsprache ist. Wie üblich wurde stumm gedreht und dann später mit professionellen Sprechern nachsynchronisert. Das Resultat ist ausgesprochen zottig und derb ausgefallen, was durchaus ein Markenzeichen der Dietrich/Franco-Filme ist. Als Extras liegen nur Trailer für andere DVDs der „Jess Franco Golden Goya Collection“ bei. Als Kuriosum sei noch erwähnt, dass die DVD japanische Untertitel mit an Bord sind.
Schöne Kritik, der man den Sachverstand und die Begeisterung für den Kosmos Jess Franco deutlich anmerkt. Es ist doch immer ein Genuss, derart versierte und ernsthafte Besprechungen von Genrefilmen zu lesen.
Hi totalschaden! Vielen herzlichen Dank für das tolle Kompliment über das ich mich sehr freue. Ich lese Deine Sachen übrigens auch immer sehr gerne. Mach weiter so! Ich habe mal den etwas älteren Kommentar von Dir gelöscht, weil der bis auf kleine Formulierungen inhaltsgleich war. Ich hoffe, das war okay.