Bericht von der Verleihung des 16. Bremer Filmpreises an Sylvie Testud

Gestern wurde in der Oberen Rathaushalle zum nunmehr 16. Mal der Bremer Filmpreis vergeben. Seit sechs Jahren bin ich regelmäßig bei der Verleihung dabei – aufgrund meiner Fördermitgliedschaft im Kommunalkino – und konnte so schon zwei meiner ganz großen Helden hautnah erleben: Ulrich Seidl und Belá Tarr. Eigentlich drei – denn nachdem Lars Von Trier 2008 abgesagt hatte (worüber ich heute noch traurig bin), sprang als Ersatz Udo Kier ein, der ja auch immer wieder ein Ereignis ist. Bisher kam es aber nie vor, dass ich von den Geehrten noch überhaupt gar kein Werk gesehen habe. Dieses Jahr war es aber soweit. Von der bezaubernden Sylvie Testud kannte ich zwar „Lourdes“ – weil dieser aufgrund der Regisseurin Jessica Hausner noch auf meiner „Muss-ich-noch-gucken“-Liste steht – und „Jenseits der Stille“ ist mir natürlich auch bekannt, wenn ich ihn auch nie gesehen habe. Das restliche Werk der Schauspielerin, Buchautoren und seit Neustem auch Regisseurin hat es zum überwiegenden Teil allerdings nicht über die französische Grenze zu uns geschafft. Somit ist Frau Testud eine eher ungewöhnlich Wahl, da sie außerhalb Frankreichs eben kaum stattfindet, bis auf die beiden oben genannten Filme.

Wobei ich beim Recherchieren Zuhause dann nachträglich festgestellt habe, dass ich doch EINEN Film mit Sylvie Testud gesehen habe. Ich wäre allerdings die auf die Idee gekommen, dass sie dort mitgespielt haben könnte. Und zwar „Vengeance“ vom Hongkong-Actiongroßmeister Johnnie To. Eine Hongkong-Frankreich-Co-Produktion mit Johnny Hallyday. Dort spielt sie dessen Tochter, was aber nur eine sehr kleine Rolle ist. Weshalb dem so ist, deutet der Titel an. Leider ist das auch der schwächste To, den ich bisher gesehen habe, und daher habe ich den ganz gut verdrängt.

Dass Frau Testud kein großer oder bekannter Name in Deutschland ist, machte sich dann auch bei den Besuchern der Preisverleihung bemerkbar. Im Vergleich zu den vorherigen Jahren, war wohl knapp die Hälfte da. Da half es scheinbar auch nichts, mit Regisseurin und Oscar-Preisträgerin Caroline Link eine zugkräftige Laudatorin eingeladen zu haben. Trotzdem war die diesjährige Preisverleihung eine der schönsten, was u.a. auch an dem unschlagbaren, französischen Charme der Preisträgerin lag. Aber dazu später mehr. Wie immer sorgte eine Musikgruppe für die richtige Untermalung des feierlichen Preisvergabe, und das wie immer auf hohem Niveau. Diesmal war es das Bremer „Metropol Ensemble„, welches für die richtige Stimmung sorgte. Könnte ich mir auch wieder hervorragend als Begleitung zu einem Stummfilm vorstellen.

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Carmen Emigholz

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Ensemble Metropol

Ein großer Pluspunkt in diesem Jahr war die Zügigkeit, mit der die Veranstaltung durchgeführt wurde. Das kannte man aus vergangenen Jahren auch anders, als die Reden viel zu lang und repetitiv waren. So konzentrierte sich jeder auf das Wesentliche und man hörte gerne zu. Den Anfang machte wie immer die Staatsrätin für Kultur, Carmen Emigholz, die mal wieder den Kultursenator und Bürgermeister Jens Böhrnsen vertrat, dem diese Veranstaltung wohl nicht mehr wichtig genug ist. Zumindest glänzte er nun schon das vierte Mal in Folge durch Abwesenheit. Aber Frau Emigholz ist ja eine würdige Vertreterin. Ihre Rede war zwar zeitweise etwas fahrig, aber immerhin hatte man das Gefühl, sie käme vom Herzen und nicht vom Blatt. Danach führte Karl-Heinz Schmid in bewährter Form in die drei Filmausschnitte ein, die er für diesen Anlass ausgesucht hat. Das waren dann „Jenseits der Stille“, „Lourdes“ und „Bonjour Sagan„. „Lourdes“ muss ich wirklich jetzt mal gucken. Die strenge, tableauartige Inszenierung, die man in diesem Ausschnitt sah, hat mich durchaus begeistert.

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Caroline Link

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Sylvie Testud (Mitte)

Darauf folgte die Laudatio durch Caroline Link. Und das war nun wirklich eine gelungene Überraschung, da Sylvie Testud bis kurz vor der Veranstaltung keine Ahnung hatte, wer denn die Laudatio halten wird und sichtlich gerührt war. Auch von dem sehr schönen und emotionalen Text, den Frau Link geschrieben hatte. Mehr als einmal sah man Frau Testud heimlich eine Träne wegwischen und auch das Publikum war von den warmen, herzlichen Worten, die ganz tief aus dem Herzen kamen, begeistert.

P1080851Dann schritt Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Tim Nesemann für die Sparkassen-Stiftung „Gut für Bremen“, die den Bremer Filmpreis stiftet, zur Übergabe des Filmpreises, der wieder individuell von einem Bremer Künstler gestaltet wurde. In diesem Jahr war es Milena Tsochkova, die für die Gestaltung zuständig war. Schade, dass man die Preise in der Regel nie zu Gesicht bekommt, da ja gerade als Besonderheit des Bremer Filmpreis hervorgehoben wird, dass die „Wundertüte“ speziell für den zu ehrenden Künstler gefüllt wurde. Da könnte man ja locker mal ein Bild des Preises über den (eh vorhandenen) Beamer an die Wand werfen oder den Künstler ein paar Worte dazu sagen lassen. Aber wie dem auch sei, Herr Nesemann ist in den letzten Jahren wirklich in seine Rolle hineingewachsen. Waren die ersten Reden, die ich hörte, noch sehr steif und lang, so sind sie nun locker, spritzig, ein wenig ironisch und wirken angenehm knapp aus der Hüfte geschossen. Da hört man gerne zu.

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Sylvie Testud und Dr. Tim Nesemann

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Sylvie Testud

Dann der Auftritt der Preisträgerin, die wahrscheinlich im Nu die Herzen der Anwesenden erobert hat. Meines auf jeden Fall. Am Überraschendsten war ihre eindrucksvolle Stimme. Die Ausschnitte waren synchronisiert gezeigt worden, und da klangt ihre Stimme eher hell und eben schon 1.000x gehört. Und das wird Sylvie Testud einfach nicht gerecht, denn ihre „echte“ Stimme ist tief, voll und ein wenig rauchig. Frau Testud freute sich sichtlich über den Preis und die gelungene Überraschung mit Caroline Link. Da sie eigentlich über ihre Zusammenarbeit mit Frau Link bei „Jenseits der Stille“ sprechen wollte, diese ihr aber nun“zuvorgekommen“ war, improvisierte sie auf unglaublich charmante Art und Weise, mit viel Humor und Leidenschaft ihre Dankesrede, die sie auf Französisch hielt – was von einer ausgezeichneten Übersetzerin auf Deutsch wiederholt wurde – und mit einigen Sätzen auf Deutsch abschloss. Wer sich nicht spätestens hier ein klein wenig in Sylvie Testud verliebt hat, der hat ein Herz aus Stein.

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Dolmetscherin und Sylvie Testud

Danach ging es zum Empfang, wo sich wieder reichlich Gelegenheiten boten, mit netten Menschen zu plaudern. Von dem Ratskeller-Wein hätte ich allerdings die Finger lassen sollen. Das bin ich nicht mehr gewohnt und für die kleine Zügellosigkeit durfte ich mir dann Zuhause auch ganz schön was anhören. Da habe ich es mal lieber unterlassen, allzu sehr von Sylvie Testud zu schwärmen – mit deren filmischen Werk ich mich jetzt mal näher beschäftigen werde.

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