DVD-Rezension: “Die Killermafia”

Die-Killermafia

Inspektor Giorgio Solmi (Luc Merenda) untersucht den Mord an einem Erpresser. Obwohl die Indizien darauf hindeuten, dass der Mann von einer jungen Prostituierten umgebracht wurde, finden sich bald schon Hinweise darauf, dass hinter der Sache mehr steckt. Je mehr sich Solmi in den Fall verbeißt, desto gefährlicher wird es für ihn. Den hinter dem scheinbaren Routinefall steckt eine groß angelegte, politische Intrige, die bereits drei hochrangigeren Offiziere das Leben kostete…

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Während der 70er Jahre sorgten in Italien die linken Roten Brigaden für Angst und Schrecken. Auf der anderen Seite kam es zu Attentaten neofaschistischer Extremisten, an denen auch die Geheimdienste beteiligt waren. In dieser unsicheren Zeit mit instabilen Verhältnissen, schwebte über Italien das Damokles-Schwert eines Putsches. Tatsächlich versuchten bereits 1964 einige Carabinieri-Offiziere den Staat zu stürzen. In dieser als „bleierne Zeit“ bekannten Ära, wurde ein Genre in Italien populär, das diesen Zeitgeist aufnahm und ganz unterschiedlich verarbeitete: Der Poliziesco. Damiano Damiani drehte seine paranoiden Thriller, in denen es um die Verstrickung der Politik und der Mafia ging, und der Staatsmacht durch Korruption und Einschüchterung die Hände gebunden ist. Umberto Lenzi oder Stevio Massi wiederum etablierten die Figur des entfesselten Polizisten, häufig gespielt von Maurzio Merli, der ohne Rücksicht auf Regeln und Gesetze die Gewalt auf den Straßen mit Gegengewalt beantwortet.

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Sergio Martino nahm 1975 beide Strömungen des Poliziesco auf und verband sie in seinem Film „Die Killermafia“. Hier gibt es einerseits den Kommissar, der notfalls auch mit Gewalt durchgreift, andererseits zeigte Martino aber auch die allgegenwärtige Angst vor einem rechtsextremen Staatsstreich und die Verquickung des Geheimdiensts mit dem rechten Terror. Nicht umsonst heißt der Film im Original: „Die Polizei klagt an – Der Geheimdienst tötet“. Der pessimistische Ton, den Martino dabei anschlägt, rückt ihn in die Nähe seiner großen Kollegen Damiani und Francesco Rosi, allerdings ohne deren Qualität zu erreichen. Martinos Film bleibt trotz seines politischen Statements in erster Linie ein actionreicher Unterhaltungsfilm. Wobei die Action lange auf sich warten lässt. Zunächst zeigt Martino in aller Ruhe die Polizeiarbeit und das komplizierte Netz von Abhängigkeiten und Intrigen, das hinter einer Reihe von Morden liegt, die von Inspektor Giorgio Solmi untersucht werden.

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Solmi wird von dem Franzosen Luc Merenda gespielt, einem ehemaligen Modell. Meranda spielt den Inspektor etwas steif und ohne das Charisma eines Merli. Trotzdem gehört er zum Stammensemble Martinos, der ihn nicht nur in seinem Giallo „Säge des Teufels“, sondern auch seinen beiden folgenden Polizieschi einsetzte. Als internationaler Star wurde Merenda Mel Ferrer zur Seite gestellt, der zu dieser Zeit häufig in Italien drehte. Ferrer macht das, was er in diesen Filmen häufig macht. Ohne große mimische Anstrengungen schlafwandelt er aristokratisch durch den Film, und nur seine unbestreitbare Ausstrahlung rettet seine Figur davor, gänzlich uninteressant zu sein. Tatsächlich ist auf Seiten der Polizei der Gehilfe Solmis, De Luca, die lebendigste Figur. Ständig lamentiert er, dass er für einen kärglichen Lohn und einen Mangel an Respekt sein Leben aufs Spiel setzen soll und seine Familie vernachlässigen. So wird es im wahren Leben sicherlich vielen Polizeibeamten gegangen sein und noch immer gehen. Ein Einfallstor für Korruption und laxen Umgang mit den Gesetzen. Noch immer ein großes Problem, nicht nur in Italien. Gianfranco Barra verleiht dem ein Gesicht, auch wenn es am Ende jemand anderer ist, der der Versuchung nicht widerstehen kann.

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Tomas Milian beweist in der Rolle des Captain Sperli einmal mehr seine Vielseitigkeit. Hatte man ihn zuvor gerade in der filmArt-Veröffentlichung „Die Kröte“ als krakeelender Monezza oder durchtriebener Buckliger gesehen, so ist er hier nicht wiederzuerkennen. Mit ungewohnter Frisur und Barttracht gibt er den Sperli mit einer für ihn unglaublichen Ruhe. Ja, man kann sogar sagen, er „unterspielt“ ihn, wo Milian doch in vielen seiner Filme dazu neigt, seine Charaktere „bigger then life“ zu zeichnen. Was allerdings auch dazu führt, dass sein Sperli nicht unbedingt im Gedächtnis hängen bleibt. Hätte Milian Sperli allerdings dämonisch oder überzogen dargestellt, so wäre dies ein Verrat an der Rolle gewesen. Sperli ist ein normaler Beamter, der es versteht, seine wahren Überzeugungen gut zu verbergen. Gegen Ende des Filmes gibt es einen interessanten Dialog zwischen Solmi und ihm, in dem es um die damalige Situation in Italien geht, und Sperlis Argumente für sein Handeln durchaus ambivalent dargestellt werden. Hätte Milian also den Sperli zu sehr auf „Bösewicht“ angelegt, würde die Wirkung dieser Schlüsselszene einfach verpuffen.

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Nach der Hälfte des Filmes eröffnet eine wilde und rasant choreographierte Verfolgungsjagd den actionreicheren Teil des Filmes, der schließlich in einer großen Schlacht zwischen Polizei und Terroristen gipfelt. Zwar ist die Autoverfolgungsjagd nicht so perfekt wie bei Lenzi und die Schießereien nicht so dynamisch wie bei Castellari, aber Martino zieht sich gut aus der Affäre. Wo seine wahren Stärken liegen, sieht man aber in einer Szene, der eine junge Frau vor den Handlangern der Bösen flieht und in eine Telefonzelle flüchtet. Das erinnert stark an seine brillanten Gialli und ist dementsprechend intensiv inszeniert. Ebenfalls erwähnenswert ist der überraschende Schlussakkord in Moll, der ein enorm pessimistisches Weltbild transportiert und entweder als deutliche Warnung Martinos an seine italienischen Landsleute oder als Akt der Resignation verstanden werden kann.

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„Die Killermafia“ droht sich in der eher bedächtigen ersten Hälfte etwas in seinem komplizierten Intrigengeflecht zu verheddern, legt in der zweiten Hälfte dann deutlich an Tempo zu und unterhält kurzweilig. Der gesellschaftskritische Ansatz gerät dabei dann allerdings zugunsten rasanter Actionszenen etwas in den Hintergrund. Martino ist eben kein Damiani, weshalb seine Botschaft etwas grobschlächtig und wenig subtil an den Adressaten gerichtet ist. Es gelingt ihm aber recht gut, seine bittere Gesellschaftskritik mit dem Unterhaltungsfilm zu verbinden.

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Die filmArt-DVD scheint aus unterschiedlichen Quellen montiert. Manche Szenen wirken etwas milchig-unscharf, während zwar gestochen scharf sind, dafür aber leichte Filmschäden wie schwarze Lauffäden aufweisen. So ist das Bild im Format 1:2,35 leider nur als durchschnittlich zu bezeichnen. Der Ton liegt, wie schon bei „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ aus lizenzrechtlichen Gründen wieder nur auf Deutsch vor. In der alten deutschen Fassung fehlende Szenen sind auf Italienisch mit deutschen Untertiteln eingefügt. Man kann im Menü eine Variante des Filmes mit verlängerter Anfangssequenz einstellen. Diese stammt augenscheinlich von einem VHS-Master und ist nur windowboxed vorhanden. Der erweiterte Anfang unterscheidet sich in den Credits und vor allem einigen blutigen Details von dem Auftakt der „normalen“ Fassung. Als Extras gibt es den alternativen deutschen Filmanfang, den italienischen Trailer, sowie ein sehr informatives und gut geschriebenes Booklet von Michael Cholewa.

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