DVD-Rezension: “Die letzte Rechnung schreibt der Tod”

letzterechnungVier maskierte Männer überfallen die Lohnkasse einer großen Firma vor den Toren von Mailand. Als die Polizei anrückt, machen sich zwei der Männer mit der Beute davon, während die anderen Beiden zurückbleiben. In ihrer Not nehmen sie Geiseln und es gelingt ihnen ein Auto zu erpressen. Bei der Flucht können sie die Polizei abzuhängen, doch dabei kommt allerdings einer der Beiden ums Leben. Zurück bleibt der Kopf hinter dem Überfall, der Gangster Raul Montalbani (Claudio Cassinelli). Er macht sich auf die Suche nach seinen beiden Komplizen und der Beute. Diese sind aber bereits eifrig dabei, ihre Spuren zu verwischen…

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Anfang der 70er Jahre löste im italienischen Kino der sogenannte Polizieschi (oder auch Poliziottesco) den bis dahin an der Kinokasse immens erfolgreichen Italo-Western ab. Nach dem gewaltigen Erfolg von „Dirty Harry“ in den Staaten – der die Figur des Westerners in den urbanen Großstadtdschungel holte – vermischte sich in Italien der Cop-Film mit den sozialen Problemen des Landes zu einer explosiven Filmgattung. Interessanterweise schlug der Boom des italienischen Polizei- und Gangsterfilmes nicht nach Deutschland durch. Nur wenige Werke fanden sich hier auf der Leinwand wieder. Dies änderte sich erst mit den Aufkommen von Video, als einige der wichtigsten Werke dieser Gattung ihren Weg auf heimische Bildschirme fanden.

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Zu den wichtigsten Werken dieser Gattung zählt „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ nicht unbedingt und er erschien damals auch nicht auf dem VPS-Label, welches die Klassiker des Genres in Deutschland zugänglich machte, sondern auf dem obskuren Klein-Label „Videotonträger Dr. Dressler GmbH“. Was auch hübsch damit korrespondiert, dass „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ auch für kleines Geld entstanden ist. Nichtsdestotrotz saß mit Mario Caiano ein routinierter Mann im Regiestuhl, der gewohnt war, aus wenigen gegebenen Mitteln ein Maximum herauszuholen. Sein berüchtigtes Werk ist sicherlich der Naziploitation-Streifen „Nazi Love Camp 27“, aber auch im Italo-Western und im Polizieschi war er sehr aktiv. Seine beiden besten Filme sind allerdings der Gothic-Horror „Nightmare Castle“ mit der göttlichen Barbara Steele und der psychedelische Giallo „Eye in the Labyrinth“, der trotz Horst Frank in einer der Hauptrollen, keinen deutschen Verleih fand.

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„Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ unterscheidet sich sehr von den Prototypen des Genres, in denen Titel wie „Gewalt rast durch die Stadt“ oder „Die Gewalt bin ich“ Programm sind. Wo schlagkräftige Cops immer etwas außerhalb der Dienstvorschriften unter der gleißenden Sonne Italiens, und untermalt von grooviger Musik, auf Verbrecherjagd gehen. Von der italienischen Sonne sieht am in „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ gar nichts. Der Film spielt im Herbst und die Stimmung macht einem fröstelnd. Alles wirkt kalt, feucht und trostlos. Dazu trägt auch das Filmmaterial bei, welches ausgebleicht wirkt und alles in ein entsättigtes Beige-Grün taucht. Dadurch erhält der Film noch einen zusätzlichen, billigen Anstrich, der aber gut zu der Geschichte und seinen schmierigen Charakteren passt. Denn Identifikationsfiguren gibt es hier keine. Am ehesten fiele diese Rolle dem Kommissar zu, der aber – vergleicht man ihn mit seinen Kollegen Maurizio Merli oder Tomas Milian – eher lethargisch wirkt und sich strikt an die Vorschriften hält. Sein gemütlich aussehender Partner verstärkt noch das Gefühl, dass die Polizei in diesem Fall nicht unbedingt dynamisch zu Werke geht. Und tatsächlich hinkt sie den Verbrechern immer hinterher.

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Diese werden von Charakterköpfen aus der zweiten Reihe gegeben. Zwar ist mit John Steiner sogar ein internationaler Star mit von der Partie, doch – das darf hier verraten werden – seine Gage dürfte in Anbetracht der Zeit, die er im Film verbringt, nicht exorbitant hoch gewesen sein. So obliegt es Claudio Cassinelli den formalen (Anti)-Helden zu geben. Wobei „Held“ den Nagel nicht wirklich auf den Kopf trifft, denn er spielt den Anführer der vier Räuber und ihn unterscheidet von seinen Komplizen nur, das er intelligenter ist als sie und tatsächlich so etwas wie einen Ehrencodex mit sich führt. Im Grunde ist er aber genauso skrupellos wie sie, was sie am Ende dann auch zu spüren bekommen. Cassinelli spielt den Raul Montalbani mit großer Präsenz und macht von Anfang an klar, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Seine Komplizen werden von Vittorio Mezzogiorno und Biagio Pelligra gespielt. Beide hat man schon in unzähligen anderen Produktionen in ähnlichen Rollen gesehen. Darum müssen ihre Figuren auch nicht weiter ausgearbeitet werden. Ein Blick in ihre Gesichter und man weiß automatisch, wo der Hase langläuft. Demgegenüber kann der ansonsten zuverlässige Elio Zamuto als eher dröger Commissario Foschi nicht unbedingt punkten. Dafür trägt er eine schicke, knappe Lederjacke. Als erotisches Beiwerk gibt es Silvia Dionisio in einer eher zwiespältigen Rolle zu sehen. Bei ihr ist man nie sicher, was nun eigentlich ihr Plan ist. Hat sie sich in Cassinellis Charakter verliebt oder hängt sie nur ihr Mäntelchen in den Wind? Eine etwas besser Ausdifferenzierung hätte hier der Rolle gut getan, die so doch nur ein Mittel zum Zweck ist, um den Film irgendwann zu Ende zu bringen.

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Die erste Hälfte von „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ ist ungeheuer dynamisch inszeniert. Die Gangster werden in zwei Gruppen gespalten und beide treten Hals über Kopf die Flucht an. Dabei wird permanent zwischen den Flüchtenden hin und her geschnitten, so dass der Film ständig in Bewegung ist und man kaum Zeit zum Durchatmen bekommt. Hierbei sei erwähnt, dass sich die Verfolgungsjagden auf dem Niveau der aufwändigen Produktionen von z.B. Lenzi befinden. Erst als die Flüchtenden ihre Verstecke erreichen, hält auch der Film an. Die nachfolgenden Aktionen ziehen sich dann auch etwas und sind recht vorhersehbar, auch wenn ein gialloesquer Mord nicht ganz ins Bild passen mag. So verliert der Film mit fortschreitender Laufzeit stetig an Tempo und auch die eingestreuten Gewaltspitzen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwas auf der Stelle getreten wird. Insbesondere ist dies der Fall, wenn die Polizei ermittelt. Hier werden auch die Handlungskürzungen auffällig, die es in der alten deutschen Videofassung gab und die hier nun im Original mit deutschen Untertiteln wieder integriert wurden. Da führen einige Szenen förmlich ins Nichts, wenn die Polizei erst aufwändig einen Informanten entlarvt, um ihn dann nicht weiter zu beachten. Zum Finale dann wir noch einmal an der Gewaltschraube gedreht, aber der Showdown wirkt trotzdem etwas überstürzt.

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„Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ ist ein kleiner, dreckiger B-Film, der zwar nicht an die Klassiker des Polizieschi-Genres heranreicht, aber in der ersten Hälfte überaus rasant unterhält. In der zweiten Hälfte zieht er sich etwas, was auch der langweiligen Darstellung der Polizeiuntersuchung geschuldet ist. Nichtsdestotrotz kann der Film den Zuschauer bis zum blutigen Showdown bei der Stange halten.

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„Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ ist die erste Veröffentlichung in der neuen „Polizieschi“-Reihe der Firma filmArt, der hoffentlich noch viele folgen werden. Das Bild ist mittelprächtig, was allerdings auch auf das nicht optimale Ausgangsmaterial zurückzuführen ist. Der Ton liegt in Deutsch mit einer durchschnittlichen Video-Synchronisation vor. Zuvor in der Videofassung geschnittene Szenen sind im Original mit Untertiteln eingefügt. Als Extras gibt es nur einen Trailer, dafür gibt es ein 12-seitiges Booklet von Heiko Hartmann , in dem „Die letzte Rechnung schreibt der Tod“ allerdings ständig „Die letzte Rechnung zahlt der Tod“ genannt wird.

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2 Antworten zu DVD-Rezension: “Die letzte Rechnung schreibt der Tod”

  1. Dima sagt:

    Oh wie lang hab ich den schon nicht gesehen? Aber cool, dass ich mit einer kleinen google Suche direkt hier gelandet bin! Super Post!

  2. Pingback: Die letzte Rechnung schreibt der Tod (1976) | Intergalaktische Filmreisen

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