DVD-Rezension: „The Berlin File“

berlinfile Der unerkannt in Berlin untergetauchte nordkoreanischen Agenten Jong-Seong Pyo (Jung-woo Ha) hat plötzlich eine Menge Probleme. Nicht nur ist ihm der südkoreanische Geheimdienst, in der Gestalt des Agent Jeong Jin-soo (Suk-kyu Han), auf den Fersen, angeblich plant seine schwangere Frau (Gianna Jun) nach Südkorea überzulaufen und ein skrupelloses Mitglied (Seung-beom Ryu) aus dem nordkoreanischen Staatsdienst taucht in der deutschen Hauptstadt auf und scheint es auf ihn abgesehen zu haben. Bald schon kann Jong-Seong niemanden mehr trauen…

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Das Konzept einen Spionage-Thriller über Agenten eines geteilten Heimatlandes in der ehemals geteilten Stadt Berlin spielen zu lassen, ist recht schlüssig. Es ist auch immer wieder interessant zu sehen, wie Deutschland – oder zumindest deutsche Örtlichkeiten – durch die Augen ausländischer Filmemacher wahrgenommen werden. Das Berlin in „The Berlin File“ wirkt recht exotisch. Die pittoresken, von alten Fassaden gesäumten Straßen sind menschenleer. Wenn Luftaufnahmen eingespielt werden, macht Berlin eine beinahe futuristischen Eindruck. Anders in den Innenräumen. Diese wirken, wie aus einem Spionage-Film der 60er Jahre. Eng, dunkel, trostlos. Immer mit einem Hauch von Verfall und Klaustrophobie. Und wie in den 60ern, ist Berlin noch immer ein Tummelplatz der Agenten. Egal ob nord- und südkoreanischer Geheimdienst, CIA oder Mossad. Alle gehen hier ihren dreckigen Jobs nach, intrigieren gegeneinander oder stecken sich klammheimlich Informationen zu. Als sei die Zeit stehengeblieben.

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Regisseur Ryoo Seung-wan macht es einem nicht leicht. Gleich zu Beginn stürzt er den Zuschauer ohne weitere Erklärungen in eine Geheimdienstaktion, an welcher eine Vielzahl von Parteien beteiligt sind. Wer zu wem gehört, wer welche Agenda verfolgt und wer die handelnden Personen eigentlich sind, bleibt unklar. Weshalb man dem Ganzen auch recht leidenschaftslos folgt, und die nachfolgende Actionszene ganz ohne emotionale Bindung auskommen muss. Leider hat sich Ryoo Seung-wan dazu entschlossen, dieses Konzept durch den größten Teil des Filmes zu ziehen. Dies bringt einerseits eine etwas überkomplizierte Erzählweise mit sich, andererseits fehlt auch eine Identifikationsfigur. Der nominelle Held Jong-Seong Pyo hat keine Hintergrundgeschichte, seine Aktionen sind nicht immer nachvollziehbar, und generell haben die handelnden Personen dem Zuschauer gegenüber oftmals einen großen Wissensvorsprung. Somit fällt das Mitfiebern mit einer der Figuren aus.

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Ob Jong-Seong Pyo nun zu den Guten oder den Bösen gehört, bleibt ebenso unklar, wie die Frage, wer überhaupt die Guten und die Bösen sind. Obwohl dieses Herangehensweise sehr interessant ist, arbeitet sie doch gegen die Inszenierung dieses Films, der als lupenreiner Action-Thriller daherkommt. Um ein Konzept der diffusen Motivationen und Zugehörigkeiten zu tragen, müsste der Film komplexer und vor allem der Hauptcharakter mysteriöser gestaltet sein. Mysteriös ist Jong-Seong Pyo aber nicht. Eher hat man das Gefühl, dass diese Figur nicht wirklich ausgefüllt ist. Etwas mehr Zuwendung seitens der Drehbuchautoren bekommt der südkoreanische Agent Jeong Jin-soo, der – immerhin handelt es sich hier um eine südkoreanische Produktion – scheinbar für die Guten stehen soll. Leider ist Jeong Jin-soo derartig unsympathisch und verhält sich so verbohrt und dumm, dass man zwangsläufig seinem Widerpart die Daumen drückt. Aber nicht, weil man eine gewisse Empathie für ihn entwickelt hat, sondern ausschließlich, weil da niemand anderer ist, dem man seine Sympathie entgegen bringen könnte.

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Gianna Jun als Ehefrau ist leider auch tendenziell verschwendet. Zwar macht sie ihre Sache sehr gut und man hat in der Tat Zweifel, auf wessen Seite sie steht. Aber aus diesem interessanten Charakter hätte man letzten Endes doch noch mehr herausholen können. So wirkt sie nicht wie eine eigenständig handelnde Person, sondern eher wie schmückendes Beiwerk und Motor für Jong-Seong Pyos Handlungen. Scheinbar liegt die Sympathie des Regisseurs ganz auf dem wirklich bösartigen Schurken, den er dann auch gleich mit seinem Bruder Seung-beom Ryu besetzt hat. Und dieser nimmt die dankbare, wenn auch recht stereotype, Rolle gleich fest in beide Hände. Mit sichtlichem Vergnügen gibt er den intriganten, mörderischen Bösewicht und verleiht diesem psychopathische Züge. Auch sonst scheut sich Regisseur Ryoo Seung-wan nicht, seine „exotischen“ Figuren mit groben Pinsel zu zeichnen. Sei es der muslimische Gangster, dem der irrsinnige Fanatismus förmlich aus den Augen springt, oder der feiste – und natürlich korrupte – deutsche Politiker.

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Die Actionszenen inszeniert Ryoo Seung-wan allerdings mit sicherer Hand. Zwar stand – wie so oft – die Bourne-Trilogie hier Pate, aber eine ganze Zeit lang schafft Ryoo Seung-wan es, einen dynamischen Realismus zu erzeugen. Bis er dann in der zweiten Hälfte des Filmes dann doch der Versuchung erlegt, immer noch einen drauf setzen zu müssen und der Computer kräftig nachhilft. Was besonders im explosiven Finale unangenehm aufstößt, wenn die Flammen doch stark nach Computerspiel und nicht unbedingt wie echtes Feuer aussehen. Aber wenn Ryoo Seung-wan nüchtern zur Sache geht und nicht gerade das Spektakel sucht, gelingen ihm mitreißende Szenen.

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„The Berlin File“ ist ein interessanter und durchaus spannender Film, dem leider häufig seine überkomplizierte Erzählweise und das Fehlen einer echten Identifikationsfigur im Wege steht. Die Actionszenen und die Kameraarbeit können überzeugen, doch der Spagat zwischen einem ernsthaften, ambivalenten Spionage-Thriller und spektakulärem, unterhaltsamen Actionfilm will nicht immer so recht gelingen.

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Die DVD von Splendid ist in Bild und Ton wieder einmal ohne jeden Makel. Gerade der Ton weißt eine hohe Dynamik und gute Abmischung auf. Auf Extras muss man allerdings verzichten, was Schade ist. Gerade hier hätte man doch gerne ein paar Worte der Macher über die Hintergründe und ihre Motivation gehört.

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