DVD-Rezension: „Schritte in der Nacht“

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In Los Angeles wird ein Polizist tödlich verwundet, als er einen mutmaßlichen Einbrecher (Richard Basehart) zur Rede stellen will. Zwar macht die Polizei mit hohem Druck Jagd auf den Mörder, doch dieser scheint vom Erdboden verschluckt. Erst durch einen Zufall kommen die beiden Polizisten Marty Brennan (Scott Brady) und Chuck Jones (James Cardwell) einem Mann auf die Spur, der sich „Roy Martin“ nennt. Bei einem Versuch, ihm eine Falle zu stellen, wird Jones zum Krüppel geschossen. Wieder verschwindet „Roy Martin“. Doch Brennan gibt nicht auf und kommt nach zäher Recherche einem Roy Morgan auf die Spur, der der Gesuchte sein könnte…

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Schritte in der Nacht“ ist einer jener Noir-Thriller, die auf einer wahren Begebenheit beruhen. Naturgemäß liegt bei diesen Filmen der Schwerpunkt mehr auf der Polizeiarbeit, als auf der Psychologie des Verbrechers. So auch hier, wobei der Film förmlich in zwei Teile zerfällt. Zunächst einmal in die Beschreibung der langwierigen Arbeit der Polizei, die versucht ihr Netz um den Mörder zu spannen. Dieser Teil ist recht nüchtern und einem Blick auf eine möglichst realistische Darstellung inszeniert. Und dann ist da der Teil, der den Täter zeigt und in denen der Film in wunderbar stimmungsvollen, expressionistischen Einstellungen schwelgt. Und während der Polizeiteil reich an Dialogen ist, werden die Szenen um den Killer ohne großes Gerede abgehandelt. Wenn hier geredet wird, was selten der Fall ist, dann nur das aller nötigste. Wenn sich dann beide Eben treffen gibt es fast gar keine Dialoge mehr. Ja, fast auch keinen Ton, was die eine ausgesprochen bedrückende Stimmung hervorruft. Die Polizei umkreist das Haus des Killers. Kommuniziert wird nur noch über Handzeichen, man hört keine Schritte, sondern sieht nur Schemen durch die Dunkelheit huschen, während drinnen Morgans Wohnung durch die Schatten der Jalousien in ein Gefängnis verwandelt. Das ist großes Spannungskino und ein Höhepunkt innerhalb des Film Noir.

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Der von Richard Basehart gespielte Killer agiert häufig nur im Schatten, aus dem er plötzlich auftaucht und in dem er ebenso schnell wieder verschwindet. Im Vergleich zu den eher steif daherkommenden, und somit langweiligen, Polizisten, ist es eine Freude, dem cleveren und seinen Verfolgern immer zwei Schritte vorauseilenden Mörder zuzuschauen. Die Kamera kommt ihm sehr nah, fängt jeden Schweißtropfen ein, während die Polizisten immer nur distanziert und in der in der Halbtotalen gezeigt wird. Basehart gibt den Roy Morgan mit vollem Körpereinsatz und schafft es, dass der Zuschauer ihm, den skrupellosen Schurken, sowohl fürchtet, als auch fasziniert von ihm ist. Interessanterweise füllt diese Figur die Leinwand gänzlich aus, ohne dass sie wirklich erklärt wird. Roy Morgan bleibt so anonym, wie die Polizisten, die ihn jagen. Man erfährt kaum etwas über seine Motivation oder seine Hintergrundgeschichte. Doch dies lässt Morgan nur noch gefährlicher und überlegender erscheinen.

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Offiziell zeichnet Alfred L. Werker für die Regie verantwortlich, inoffiziell hat aber wohl Western-Experte Anthony Mann mindestens die Hälfte des Filmes inszeniert. Vermutlich hat er die dynamischen Actionszenen und vor allem die aufregende, finale Verfolgungsjagd in der Kanalisation in Szene gesetzt.

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Eine kleine Rolle als Forensiker spielt Joe Webb, der bei den Dreharbeiten den Polizisten Marty Wynn, der hier als technischer Berater fungiert, traf. Zusammen entwickelten sie die Idee einer Serie, die – wie „Schritte in der Nacht“ – die Polizeiarbeit möglichst realistisch nachzeichnen. Daraus entstand zunächst eine Radiosendung, kurz danach eine der erfolgreichsten US-TV-Serien aller Zeiten: „Dragnet“. Diese lief von 1951 bis 1959, sowie von 1967 bis 1970, und gehört in den USA zum allgemeinen Kulturgut. An „Schritte in der Nacht“ erinnert dort sowohl die Texttafel, die anfangs erklärt, dass es sich um echte Fälle handeln würde, bei denen die Namen der Beteiligten geändert wurden, um die Unschuldigen zu schützen, als auch der generelle Ton. Auch nach Deutschland kam „Dragnet“, allerdings in anderer Gestalt. Hier wurde das Konzept der Serie eingedeutscht und unter dem Namen „Stahlnetz“ zum Straßenfeger. Neben der Idee, reale Kriminalfälle zu zeigen und den Hauptaugenmerk auf die Polizeiarbeit zu richten, wurde auch noch die berühmte Titelmelodie übernommen.

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Die Koch Media DVD lässt kaum Wünsche offen. Das Schwarz-Weiß Bild ist ausgezeichnet und der Monoton rauschfrei. Lediglich bei den Extras findet man nichts weiter als eine kleine Bildgalerie und den Trailer.

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2 Antworten zu DVD-Rezension: „Schritte in der Nacht“

  1. Das ist wirklich ein recht bemerkenswerter Film. Erfreulich, dass es den auch bei uns auf DVD gibt. Eigentlich bilden ja die Semi-Documentaries, wie sie in der zweiten Hälfte der 40er Jahre in Mode kamen, und die Noirs einen deutlichen Gegensatz. Bei Filmen wie CALL NORTHSIDE 77, MYSTERY STREET oder THE NAKED CITY findet man wenig oder gar kein Noir. Aber bei HE WALKED BY NIGHT gibt es eine gelungene Symbiose.

    Komplett verblüfft war ich, als ich das Showdown in der Kanalisation zum ersten Mal sah. Bis dahin dachte ich, dass das Finale von DER DRITTE MANN aus dem Nichts in die Filmgeschichte geworfen wurde. Und da gab es nun plötzlich einen sehr ähnlichen Vorläufer aus dem Jahr zuvor.

    Anthony Mann war bei HE WALKED BY NIGHT übrigens auf vertrautem Terrain. Mit T-MEN (1947), RAW DEAL (1948) und BORDER INCIDENT (1949) drehte er Krimis, die visuell Noirs waren. RAW DEAL war auch inhaltlich einer, die anderen beiden dagegen waren Semi-Documentaries. Bei allen diesen Filmen war genauso wie bei HE WALKED BY NIGHT John Alton an der Kamera (mit REIGN OF TERROR hat sich auch ein Film über die Franz. Revolution in diese Reihe eingeschlichen). Der aus dem heutigen Ungarn stammende Alton (eigtl. Johann Altmann) war ein ausgewiesener Noir-Spezialist, und die Noir-Elemente in HE WALKED BY NIGHT gehen genauso auf sein Konto wie auf das von Mann oder Werker. Mann drehte seine ersten Western erst 1950, und zwei seiner drei Western aus diesem Jahr (nämlich der wüste THE FURIES und der grimmige DEVIL’S DOORWAY, letzterer wieder mit Alton an der Kamera) sind noch ziemlich noir, während WINCHESTER 73 der erste seiner epischen James-Stewart-Western wurde.

  2. Sano Cestnik sagt:

    Faszinierender Film, heute gesehen, mit einer ausgesprochen eigenen Sogwirkung. Viele scheinbar disparate Elemente, die aber doch in einer Einheit zusammenfinden, die die einzelnen Elemente dennoch auch für sich stehen lässt. Ein paranoider und stellenweise fast hermetisch wirkender und doch sehr offener Film. Durch die Hauptfigur und seine Zeichnung erscheint er heutzutage auch ungemein modern. Wie gesagt, faszinierend.

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