Die Jagd nach serbischen Waffenschiebern führt Kommissar Lucas Scali (Roschdy Zem) und sein Team von Marseille nach Paris. Dort arbeitet seine Tochter Maya (Leïla Bekhti), die er seit vielen Jahren nicht gesehen hat und deren Mutter er früh verließ, bei einer Anti-Drogen-Einheit. Lucas nimmt Kontakt zu ihr auf, in der Hoffnung über sie Informationen über die serbische Mafia zu erhalten. Das Treffen verläuft sehr unterkühlt. Maya ist enttäuscht von dem Fremden, der ihr Vater ist, und versucht auf eigene Faust Ermittlungen durchzuführen.
Fangen wir mal mit dem Etikettenschwindel an. Der Film heißt im Original „Mains armées“ (Bewaffnete Hände), hat also so rein gar nicht mit dem deutschen Titel „Point Blank – Bedrohung im Schatten“ zu tun. Das „Point Blank“ am Anfang soll den Zuschauer wohl glauben machen, hierbei würde es sich um die Fortsetzung des Action-Reißers „Point Blank – Aus kurzer Distanz“ (Besprechung hier) handeln. Doch bis auf den Hauptdarsteller Roschdy Zem, der auch in dem deutlich actionlastigeren „Vorgänger“ dabei war, haben beide Filme nichts miteinander gemein. Schade, dass sich der deutsche Verleih für diesen kleinen Marketing-Trick entschieden hat, denn das tut dem Film, aufgrund der falsch geweckten Erwartung, nicht gut. „Point Blank – Bedrohung im Schatten“ ist ein sehr ruhiger, langsamer Film, der allzu große Aufgeregtheit vermeidet. Zwar gibt es hier und dort kurze Actionszenen, doch diese werden ohne große Effektheischerei umgesetzt. Einmal wird sogar kurzerhand auf eine klassische Verfolgungsjagd verzichtet, da die Polizisten unschuldige Passanten nicht gefährden wollen.
Überhaupt legt der Film einen seiner Schwerpunkte auf die oftmals zähe und frustrierende Polizeiarbeit. Der andere kreist um die Einsamkeit des Helden, dem von Roschdy Zem gespielten Veteranen und Chef einer Sondereinheit, und dessen gestörtem Verhältnis zu seiner Tochter. Immer wieder wird die selbst gewählte Einsamkeit Lucas‘ thematisiert und in symbolischen Bildern festgehalten. Seine Unfähigkeit über den Beruf hinaus mit anderen zu kommunizieren, ist eines der Leitthemen des Filmes. Unter dieser gestörten Kommunikation leidet vor allem seine Tochter, die von Leïla Bekhti zwar lebendig, aber leider auch etwas zu stereotyp dargestellt wird. Dass die Chemie zwischen den Darstellern Roschdy Zem und Leïla Bekhti nicht stimmt, passt zwar gut zur Handlung, doch die Geschichte der um die Anerkennung des fremden Vaters buhlenden und sich dabei selbst zerstörenden Tochter ist so plakativ ausgefallen, dass man recht schnell das Interesse an der Figur der Maya verliert. Leider kann Leïla Bekhtis Darstellung, trotz bestem Bemühen, den Zuschauer auch nicht bei der Stange halten.
Die Inszenierung ist durchaus sehr solide und unauffällig. Regisseur Pierre Jolivet verzichtet auf drastische Szenen (bis auf einen wirklich schockierenden und realistisch dargebotenen Tod eines Mitgliedes aus Lucas‘ Truppe) und bewegt sich filmisch auf dem Niveau einer gehobenen „Tatort“-Episode. Ob dies nun als Kompliment oder Kritikpunkt aufzufassen ist, bleibt dem Leser überlassen. Auch die schauspielerische Leistung bewegt sich in diesem Rahmen. Wobei Roschdy Zem als stoischer, wortkarger und ganz auf den Beruf reduzierter Lucas Scali auch keine großen Anstrengungen unternimmt, als allein durch seine ausdrucksstarkes Gesicht und seine Präsenz einen guten Eindruck zu macht. Alle Anderen werden eher schablonenhaft gezeichnet. So verwundert es auch nicht, wenn sich der Chef von Mayas Gruppe schnell als korruptes Dreckschwein herausstellt, der mit Maya eine Affäre hatte. Dies erkennt man schon, wenn er das erste Mal das Bild betritt. Marc Lavoine spielt diesen Typen zwar herrlich unsympathisch, aber auch völlig überraschungsfrei.
Ein großer Pluspunkt ist die Musik. Diese dröhnt langsam und trance-ähnlich vor sich her und verpasst dem Film von Anfang an eine depressiv-bedrohliche Stimmung. Selbst die wenigen Actionszenen werden mit dieser, nur auf den erste Blick unpassenden, Musik unterlegt. Dies hat den reizvollen Effekt, dass man sofort mit den handelnden Figuren mitfiebert, da sich musikalisch stets ein tragisches Ende ankündigt. Hier und dort werden dann noch Songs des Musikers Sacha Di Manolo eingestreut. Ob dies marketingtechnische Gründe hat oder einer besonderen Vorliebe des Regisseurs entspringt, mag dahingestellt sein. Immerhin fügen sich die Songs gut in das Gesamtwerk ein und die aggressive Bewerbung stört so auch nicht.
„Point Blank – Bedrohung“ ist ein ruhiger und unspektakulärer Polizeifilm. Quasi der Gegenpol zu dem actiongeladenen „Point Blank – Auf kurze Distanz“, auf den im deutschen Titel angespielt wird. Die Inszenierung ist solide auf bestem TV-Niveau. Die Geschichte ist nicht uninteressant, doch einige zu plakativ erscheinende Stereotypen stören die Begeisterung etwas.
Die Bildqualität ist wieder einmal sehr gut. Gleiches gilt für den Ton. Als Extra enthält die DVD eine mehr als einstündige Dokumentation über die Dreharbeiten.