Tom Cooper (Jack Betts), genannt Rocco, leitet ein Institut, in dem er den Damen der feinen Gesellschaft das Schießen beibringt. Eines Tages erhält er Besuch von dem Detektiv Pinkerton, für den er in der Vergangenheit erfolgreich gearbeitet hat. Dieser bittet ihn, das Verschwinden eines Soldaten-Bataillons zu untersuchen. Zunächst lehnt Rocco ab, aber als Pinkerton vor seinen Augen erschossen wird, macht sich Rocco als naiver Arzt verkleidet auf, das Rätsel um das verschwundene Bataillon zu lösen. Sein Weg führt ihn dabei in die mysteriöse Stadt „Snake Valley“…
„Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“, oder „Sugar Colt“, wie er im Original heißt, ist zunächst eher komödiantisch angelegt, ohne sich allerdings in die gleiche Sphären, wie die „Vier Fäuste“-Filme des Duos Spencer/Hill zu begeben. Obwohl die Geschichte um das verschwundene Regiment und die geheimnisvolle Western-Stadt Snake Valley sehr ernsthaft angelegt ist und auch nicht mit Leichen geizt, bezaubert doch der Amerikaner Jack Betts (hier unter dem Pseudonym Hunt Powers) in der Rolle des Rocco, der sich zunächst als kauziger Arzt ausgibt. In der ersten Hälfte kommt es dabei zu zahlreichen humorvollen Szenen, z.B. wenn der liebe, etwas weltfremd wirkende, Doktor in langen Unterhosen seine Widersacher zu einem klassischen Boxkampf auffordert, oder die Männer im Salon durch eine in den Kamin geworfene Droge Lachanfälle bekommen.
Wenn Rocco aber seine Maske fallen lässt, zieht der Film seine Schrauben ordentlich an, und es ist erst einmal Schluss mit lustig. Gerade das Schicksal des verloren geglaubten Regiments wird sehr düster inszeniert. Und wenn die eingekerkerten Soldaten am Ende bleich und ausgemergelt auf ihren Peiniger zu torkeln, glaubt man sich in einen Zombiefilm versetzt. In der Rolle einer jungen Bardame, die sich in Rocco zunächst widerwillig, dann um so heftiger, verliebt, sieht man die wunderschöne Soledad Miranda, die später als Susan Korda die erotische Muse Jess Francos werden sollte und heute durch Filme wie „Vampyros Lesbos“ und „Sie tötete in Ekstase“ Kultstatus genießt. Umso merkwürdiger, dass Regisseur Franco Giraldi sie in den Extras als „wenig attraktiv“ und daher „perfekt für diese unerotische Rolle“ (!) bezeichnet.
Der Amerikaner Jack Betts drehte unter dem Pseudonym „Hunt Powers“ nach „Rocco“ noch einige weitere Italo-Western, allerdings zumeist der billigen Sorte. Hier erinnert er irgendwie an eine Mischung aus jungem Boris Karloff (den er übrigens 1998 in dem Film „Gods and Monsters“ spielte) und Clark Gable. Manchmal allerdings auch an das spitzbübische Gesicht von Robbie Williams. Für den Rocco ist er auf jeden Fall die ideale Besetzung, und sowohl als kauziger Doc Cooper, wie auch eiskalter Revolverheld Rocco absolut glaubwürdig. „Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“ hat weniger von einem typischen Italo-Western, als viel mehr von einem Krimi. Mit Rocco als schlitzohrigem Superdetektiv.
„Rocco – der Mann mit den zwei Gesichtern“ enthält das umfangreichste Bonusmaterial der „Western Unchained“-Reihe. Im Featurette „Sugar Franco“ (14:23 Min.) hat Regisseur Franco Giraldi einige interessante Dinge über den Film zu erzählen. Weiter geht es mit dem aus anderen Extras schon bekannten Filmhistoriker Fabio Melelli der in „Rocco der Rächer“ (10:32 Min.) den Film in das Genre einordnet, allerdings tauchen hier auch wieder die ebenfalls bekannten, völlig unzulänglichen Untertitel auf. Höhepunkt ist ein langes Interview mit Jack Betts (39:24 Min.), der eine Menge Spannendes und Amüsantes über seine Karriere in Italien zu erzählen weiß. Neben zwei Trailern beinhaltet die DVD auch zwei unterschiedliche deutsche Synchronisationen. Die BRD-Synchronfassung „Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“ und die DDR-Synchronfassung „Kavallerie in Not“. “Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“ lief ebenfalls 2007 in Venedig in der von Quentin Tarantino zusammengestellten Retrospektive.
Nach einem Bankraub verschanzt sich die Bande von Dan Hogan (Klaus Kinski) in einem abgelegenen Gasthaus. Ebenfalls dort zu Gast ist ein Fremder namens John Webb (Paolo Casella), der der Bande anbietet, sie für die Hälfte des Goldes durch die Wüste zur mexikanischen Grenze zu führen. Widerwillig lässt sich der psychopathische Hogan darauf ein, obwohl er ahnt, dass der Fremde noch etwas anderes im Schilde führt…
„Der Mörder des Klans“ macht als deutscher Titel auf den ersten Blick nicht besonders viel Sinn. Zumal wenn man den wohlklingend Originaltitel „Prega il morto e ammazza il vivo“ (Töte die Lebenden und bete für die Toten) im Ohr hat. Tatsächlich hat der Titel aber seine Berechtigung, wenn man kurz vor Ende bei den Dialogen genau hinhört. Nur soviel sei verraten: Mörder des Klans ist niemand, der einen Klan umbringt, noch ein von einem Klan geschickter Mörder. Früher dachte ich aufgrund des Titels auch immer, dass es sich bei dem Film um einen Gangster- und keinen Westernfilm handeln würde. Aber hier kann ich Entwarnung geben, „Der Mörder des Klans“ ist ein lupenreiner Italo-Western, wobei er durch seine räumliche Limitierung – die erste Hälfte spielt in einer Ranch, die zweite in einer einsamen, sandigen Berglandschaft – mehr an ein Kammerspiel oder Theaterstück erinnert.
Die Hauptrolle spielt Paolo Casella, der hier zeitweise etwas an Anthony Steffen erinnert und von diesem auch das eher ausdruckslose Spiel übernommen hat. An erster Stelle wird in der Besetzung aber Klaus Kinski genannt, und dieses vollkommen zu Recht. Kaum hat Kinski die Szene betreten, reißt er augenblicklich den ganzen Film an sich. Jede freie Stelle der Leinwand füllt er mit seiner ungeheuren Präsenz und weiß auch genau, wie er – nur im Hintergrund stehend – den Blick des Zuschauers auf sich lenken kann. Neben ihm muss einfach jeder andere verblassen, so dominant drängt er sich ins Bild. In den Extras lässt sich Kameraassistent Claudio Morabito lange über Kinski und seine Marotten, seine Egozentrik und die kleinen Kniffe, wie er den anderen die Show stahl, aus. Die beiden waren gewiss keine Freunde. Anders der Kameramann Franco Villa, der für Kinski nur warme und lobende Worte hat. Und Franco Villa scheint von Kinski in der Tat sehr eingenommen gewesen zu sein. Die Kamera klebt förmlich an dessem Gesicht. Es ist beinahe so, als hätte Regisseur Guiseppe Vari gerufen: „Egal, was der Verrückte macht, bleib mit der Kamera drauf.“
Mit ihren schrägen Winkeln, langsamen Zooms und stimmungsvollen Bildkompositionen, ist die exzellente Fotografie einer der großen Pluspunkte des Filmes. Obwohl die Story viel für ein psychologisches Drama , wie es z.B. der Gangsterfilm-Klassiker „Der versteinerte Wald“ (an den er manchmal erinnert) ist, hätte hergeben können, verhindert das löchrige Drehbuch größere Ambitionen. Manchmal wirkt es fast so, als ob beim Dreh Seiten aus dem Drehbuch verloren gegangen wären, denn häufig greift man sich an den Kopf und spult zurück, weil man glaubt, etwas verpasst zu haben. Hat man aber nicht. Die Handlung ist tatsächlich so lücken- und sprunghaft. Auch kann der Film sein geringes Budget nicht verleugnen. Für Fans eher ungewöhnlicher Italo-Western und Anhänger des Kinkischen Schauspielwahnsinns ist der Film aber trotzdem ein absolutes Muss.
In der Featurette „Töte Kinski“ erzählen Kamerassistent Claudio Morabito und der mittlerweile leider verstorbene Kameramann Franco Villa von den Dreharbeiten. Claudio Morabito hat dabei einiges über die schwierige Arbeit mit Klaus Kinski zu berichten, mit dem er scheinbar gar nicht zurecht gekommen ist. Franco Villa relativiert dies dann wieder etwas. In „Töte die Lebenden und bete für die Toten“ kommt ein letztes Mal Filmhistoriker Fabio Melelli zu Wort. Quentin Tarantino mochte den Film so sehr, dass er auf seiner Top20-Liste auf den 16. Rang kam.
Damit ist die „Western Unchained“-Reihe aus dem Hause Koch – und mein Rezensions-Marathon – nun abgeschlossen. Ich werde mich jetzt mal einem anderen italienischen Genre zuwenden und etwas über die die „Giallo Box“ aus dem gleichen Hause schreiben.