DVD-Rezension: “The Innkeepers“

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Es ist das letzte Wochenende im „Yankee Pedlar Inn“, danach soll das alte Hotel für immer geschlossen werden. Claire und Luke schieben Dienst an der Rezeption.  Da außer ihnen nur noch drei weitere Gäste im Hotel wohnen, haben sie viel Zeit, um sich mit der Geschichte des Hotels, und die der unglücklichen Madeline O’Malley zu beschäftigen, die sich hier einst umbrachte und bis heute in dem Gebäude umherspuken soll. Die beiden Möchtegern-Geisterjäger machen sich auf die Suche nach dem Geist und das ist keine gute Idee…

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Nach seinem dritten Spielfilm „House of the Devil“ von 2009 wurde Ti West schon vielerorts als neue Hoffnung des Horrorfilms gefeiert. Bisher war es mir noch nicht vergönnt, dieses Werk zu sichten. Dafür habe ich Ti Wests Episode aus dem ansonsten empfehlenswerten „V/H/S“ (Rezension hier) gesehen, die mich ganz und gar nicht vom Hocker gerissen hat. Daher war ich besonders neugierig, was mich bei „The Innkeepers“ erwartet. Wer aufgrund der markigen Werbesprüche auf dem Cover, und vor allem dem dicken „FSK 18“-Siegel, beinharten Splatter erwartet, ist hier vollkommen verkehrt. Was das „FSK 18“-Siegel soll, will sich mir nicht erschließen. Ich vermute einmal, dass dieses von Sunfilm beantragt wurde, um genau diese falschen Erwartungen beim Zielpublikum zu schüren. Soviel aber vorweg: Blut gibt es hier (bis auf eine Szene, in der die blutigen Folgen eines Selbstmordes gezeigt werden) keines. Auch auf billige „jump scares“ wird dankenswerterweise überwiegend verzichtet. Zwar kommt einmal ein solcher heftiger „Erschrecker-Effekt“ vor, aber dies auf ironische und selbstreflektive Weise. Worauf West sich bei den „Innkeepers“ konzentriert, sind Charakterzeichnungen und die Erschaffung eine kreuzunheimlichen Stimmung, die er durchaus ernst nimmt.

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Das größte Pfund, mit dem „The Innkeepers“ wuchern kann, sind seine beiden Hauptfiguren. Insbesondere die von der jungen Sara Paxton unglaublich natürlich und erfrischend gespielte Claire. Schon nach kürzester Zeit schafft es diese liebenswert-chaotische  Person, das Herz der Zuschauer zu erobern. Hier sitzt jede kleine Geste, jeder Satz. Dabei macht Regisseur und Drehbuchautor West auch nicht den Fehler, Claire lediglich als zuckersüß hinzustellen. Das würde schnell langweilig. Nein, Claire hat auch ihre launischen Seiten, was dem Charakter eine willkommene Komplexität gibt. Ihr zur Seite steht Pat Healy als Luke, der einen sarkastisch-gelangweilten Slacker gibt. Nie um einen scharfen Kommentar verlegen, und somit ein idealer Sparringspartner für Claire, die auch nicht auf den Mund gefallen ist.

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Die ganze erste Hälfte lebt vor allem aus den Wortgefechten und Interaktionen zwischen den Beiden. In einer Szene versucht Claire verzweifelt, einen triefenden Müllsack in einen Container zu hieven, ohne sich dabei dreckig zu machen. Dies ist eine der schönsten und liebenswertesten Szenen, die ich seit Langem sah. Danach möchte man Sara Paxton eigentlich nur noch in den Arm nehmen. Der Film bekommt dabei zwar eine humorige Schlagseite, vernachlässigt das unheimliche Element aber nicht. Der spritzige Wortwitz steht immer noch im Kontext einer bedrückenden Stimmung im Hotel und der Gegenwart des Übernatürlichen, von dem man nicht weiß, ob es gut oder böse ist. Nebenfiguren gibt es kaum. Allein eine nervige Angestellte im Coffeeshop nebenan, eine Mutter mit Kind, ein mysteriöser alter Herr und dann natürlich Kelly McGillis als alte Schauspielerin und Medium. Dass es sich tatsächlich um Kelly McGillis handelt, erkennt man allerdings erst auf dem zweiten Blick. Ich denke, das letzte Mal habe ich McGillis in „Angeklagt“ gesehen. Im Gedächtnis habe ich sie vor allem als Geliebte von „Maverick“ Tom Cruise in „Top Gun“ (auch schon wieder fast 30 Jahre her). Hier nun tritt sie deutlich gealtert mit kurzen, grauen Haaren auf. Dass sie mittlerweile 56 ist, wird sympathischerweise nicht kaschiert und kommt auch ihrer Rolle als alkoholkrankem Ex-Star mit Hang zum Esoterischen zugute.

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Eine wichtige Rolle spielt auch das Hotel, das „Yankee Pedlar Inn“, welches tatsächlich in Torrington, Connecticut steht und in dem es wirklich spuken soll. Zumindest wurde dies Ti West und seinen Mitarbeitern so erzählt, als sie während der Dreharbeiten zu „House of the Devil“ dort übernachteten. Daraus entstand dann die  Idee zu „The Innkeepers“. Sein heruntergekommener Charme, die leeren Hotelflure und deren zum Teil klaustrophische Enge, werden von der Kamera in langen Fahrten, die an Kubricks „The Shining“ erinnern, festgehalten. Die Kellerräume unter dem Hotel wiederum erinnern an andere Haunted House-Klassiker, z.B. an Fulcis „Das Haus an der Friedhofsmauer„. Ti West versteht es außerordentlich gut, die merkwürdige Atmosphäre dieses Gebäudes einzufangen und den Zuschauer in eine permanente Spannung zu versetzen. Man spürt deutlich, dass es dort irgendetwas gibt, von dem wir noch nicht wissen, was es ist und wie es sich manifestieren wird. Dabei besinnt er sich auf alte Tugenden des Gruselkinos. Er zeigt wenig, das meiste spielt sich im Kopf des Zuschauers ab. Auch wenn er zum Ende hin die Schraube immer fester anzieht, hütet er sich doch davor, zu platt und offensichtlich zu werden. In einer der unheimlichsten Szenen z.B. zeigt er nichts weiter, als das Gesicht einer immer mehr in Panik geratenen Person, während eine andere beschreibt, was jenseits des Kamerafeldes zu sehen sein soll.

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Für einige Zuschauer wird West dieses Spiel sicherlich zu weit treiben. Im Internet teilen sich die Meinungen über den Film. Insbesondere das Ende erfährt viel wütende Kritik. Doch entgegen dem ersten Eindruck, macht dieser Schluss sehr viel Sinn und eine zweite Sichtung des Filmes wird offenlegen, wie viel kleine Hinweise Ti West in seinem Film versteckt hat, die zusammen den Schlüssel zu seinem Verständnis bilden. Und West hält auch konsequent das durch, was er den ganzen Film über betreibt: Das Unterlaufen jeglicher Erwartungen an bekannte Konventionen. Zwei Szenen dürften „The Innkeepers“ am besten beschreiben. Einmal ein „internet scare“ ganz am Anfang, bei dem man alles andere erwartet, nur nicht das, was man zu sehen bekommt. Und dann die letzte Einstellung, die dies noch einmal spiegelt. Hier erwartet man gebangt den großen Schocker, der aber ausbleibt. Stattdessen zeigt einem West ganz subtil etwas anderes, was aber vielen, die auf den großen Schlussknall warten, entgehen wird.

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„The Innkeepers“ hält vornehmlich in der ersten Hälfte gekonnt die Waage zwischen pointierter Personenbeschreibung und sanftem Grusel. Dabei wird das Unheimliche nie zugunsten des Humors vernachlässigt. „The Innkeepers“ ist somit keine Horror-Komödie, sondern ein effektiver Horrorfilm mit humorvollen Protagonisten. Insbesondere Sara Paxton zeigt als Claire eine vorzüglich erfrischende Darstellung. Das Finale mag zwar nicht den Geschmack jedes Zuschauers treffen, ist aber ebenso intelligent, wie konsequent und lädt zum abermaligen Schauen ein, um all die subtilen Andeutungen mitzubekommen.

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Das Bild der DVD ist recht ansprechend und der Ton gelungen. Die deutsche Synchro ist okay, auch wenn ich den Originalton jederzeit vorziehen würde. Das mit großer FSK18-Plakete und Werbung verunzierte Cover kann umgedreht werden und auf der Rückseite befindet sich eine „bereinigte“ Version. Als Extra gibt es ein 7-minütiges „Behind the scenes“ mit ein paar Szenen vom Dreh und Interviews.

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